Sascha Ellinghaus "Feiern kann man nur in Gemeinschaft"

Düsseldorf · Der hauptamtliche Kirmes-Pfarrer ist für den geistlichen Beistand der Schausteller auf der Rheinkirmes zuständig. Ein Gespräch über die Sorgen, Nöte und den Alltag seiner eingeschworenen Gemeinde.

 Sascha Ellinghaus im vergangenen jahr bei seiner Einführung als Seelsorger für Schausteller, Zirkusleute und Mitarbeiter von Freizeitparks.

Sascha Ellinghaus im vergangenen jahr bei seiner Einführung als Seelsorger für Schausteller, Zirkusleute und Mitarbeiter von Freizeitparks.

Foto: Schaller,Bernd

Es ist die Zeit der Volksfeste. Im Moment müssten bei Ihnen einige Überstunden zusammenkommen, oder?

Ellinghaus Man kann es eigentlich gar nicht sagen. Es gibt eben Zeiten im Jahr, da ist unser Dienst nicht so häufig gefragt, und es gibt andere Zeiten, wenn wir jeden Tag auf einem anderen Volksfest oder bei einer anderen Zirkusfamilie sind. Zirkuspfarrer bin ich ja auch noch.

Wie sind Sie dazu gekommen?

Ellinghaus Ich bin schon als Kind gerne in den Zirkus gegangen. Die Palm-Kirmes war außerdem direkt neben der Wohnung meiner Großeltern in Recklinghausen. Ich bin aber zunächst normal in den Dienst der Diözese Paderborn gegangen und war lange Zeit Gemeindepfarrer.

Sascha Ellinghaus: "Feiern kann man nur in Gemeinschaft"
Foto: Andreas Bretz

Und auf einmal brannte die Leidenschaft für Zirkus und Schausteller wieder auf?

Ellinghaus Nein, ganz so war es nicht. Wir hatten in der Jugendarbeit der Diözese immer eine Aktion, zu der wir mit mehreren hundert Messdienern und Sternsingern nach Köln fuhren. Die Gruppe passte in kein Museum, deshalb rief ich beim Zirkus an. So kam der Kontakt zustande. Das andere ergab sich dann.

Sie sind für alle Reisenden zuständig.

Ellinghaus Das sind bald 80 000 Menschen. Schausteller, Zirkusleute, Markhandelsleute und nicht zuletzt die Angestellten in den Freizeitparks.

Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit von der eines Gemeindepfarrers?

Ellinghaus Die Besonderheit ist sicher, dass ich keine Kirche habe. Normalerweise macht man ein Angebot und sagt, kommt alle. Bei uns allerdings kommen wir zu den Gläubigen.

Vermissen Sie das Leben als Gemeindepfarrer manchmal?

Ellinghaus Ich bin ja noch neu. Was ich aber feststelle:_Es ist wichtig, seinen eigenen Freundeskreis zu pflegen, damit man auf persönlicher Ebene nicht so vagabundierend ist.

Wie unterscheidet sich Ihre Gemeinde von einer konventionellen?

Ellinghaus Die Unterschiede sind nicht so groß. Die Familien haben die gleichen Nöte und Sorgen wie andere auch. Es werden Kinder geboren, es finden Menschen in Liebe zusammen, es gibt Schwierigkeiten in Beziehungen, Menschen sterben. Natürlich erschwert dieses Leben unterwegs manches.

Inwiefern?

Ellinghaus Schausteller sind immer an einem anderen Ort. Sie müssen flexibel sein. Es gibt viele Probleme, die mit der Arbeit verbunden sind, mit äußeren Umständen. Darüber redet man dann. Die Konfession der Menschen spielt übrigens nur eine Rolle, wenn ich Sakramente spende. Ansonsten bin ich erst mal für alle da.

Braucht man als Kirmes-Seelsorger eine besondere Eigenschaft?

Ellinghaus Man sollte ja immer eine gewisse Liebe für die Menschen empfinden für die man gesandt ist. Doch bei Zirkusleuten und Schaustellern gehört dazu, dass man diese Liebe auch für das empfindet, was ihr Lebenswerk, ihre Arbeit ist. Ohne Begeisterung dafür geht es nicht. Die Leute spüren, ob man Freude an ihrer Kultur hat.

Was ist das für eine Kultur?

Ellinghaus Die Menschen arbeiten und leben in einer Gemeinschaft am gleichen Ort. Sie haben den gleichen Beruf, die gleichen Sorgen. Das festigt diese Gemeinschaft natürlich.

Sind Sie ein Teil davon?

Ellinghaus Ich stehe ein bisschen außen vor. Das wird aber auch geschätzt.

Warum?

Ellinghaus Privates bleibt hier nicht privat. Die Mauern eines Hauses sind dicker als die eines Wohnwagens. Ich bin im Konflikt neutral. Die andere Seite ist aber Anteilnahme. Wenn in der Stadt jemand nicht aus seinem Haus kommt, weil er krank ist, bekommt das niemand mit. Hier wird nachgefragt, Arbeit abgenommen. Man nimmt intensiver am Leben der anderen teil.

Das hat ja etwas Archaisches, Romantisches..

Ellinghaus Die Schausteller würden es anders sehen. Vor allem gibt es auf einem Kirmesplatz viel harte Arbeit.

TORSTEN THISSEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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