Düsseldorfer Kirmes Ein goldenes Jahr für die Boxbude

Düsseldorf · Charly Schultz galt einst als großes Boxtalent – heute ist er mit seiner Boxbude "Fight Club" eine Kultfigur auf den Rummelplätzen. Die Herausforderer treten aus vielen Gründen an, meint er. Die Zuschauer kommen nur aus einem einzigen.

 Charly Schultz mit seinem Team vor dem „Fight Club“. Im Angebot hat er auch Sumo-Ringen - in gelben Spezial-Polsteranzügen.

Charly Schultz mit seinem Team vor dem „Fight Club“. Im Angebot hat er auch Sumo-Ringen - in gelben Spezial-Polsteranzügen.

Foto: Endermann, Andreas

Charly Schultz galt einst als großes Boxtalent — heute ist er mit seiner Boxbude "Fight Club" eine Kultfigur auf den Rummelplätzen. Die Herausforderer treten aus vielen Gründen an, meint er. Die Zuschauer kommen nur aus einem einzigen.

Die beste Show, die man in der Boxbude erleben kann, findet vor dem Eingang statt. Nämlich dann, wenn sich der heisere Mann mit dem roten Kopf und dem karierten Jackett das Mikrofon schnappt. "1000 Euro, wenn jemand meinen Orhan Aküz umhaut", lockt er und dehnt dabei die Silben wie eine kurzatmige Ausgabe des Klitschko-Ansagers Michael Buffer.

Er zeigt auf einen gut trainierten Boxer, der hinter ihm den Boxball bearbeitet. "Wer traut sich? Wo bekommt man so schnell so viel Geld?" In ein paar jungen Kerlen in der Menge arbeitet es. Schließlich ruft einer, der gar nicht wie ein Boxer aussieht: "Ich mach's!". Er geht die Treppe, seine Freunde jubeln, die Menge tuschelt, und der Ansager freut sich. Schon wieder hat Charly Schultz einen Kampf.

Seit zwölf Jahren steht Schultz, 54 Jahre, mit seiner Bude auf der Rheinkirmes. Weil Ex-Europameister René Weller heute auf Einladung der Schützengesellschaft Reserve 1858 dort einen Kampf absolviert, läuft sein Geschäft in diesem Jahr gut. Einen "unwahrscheinlichen Zuspruch" erlebe er, sagt Schultz. Zwölf Shows mit fünf Kämpfen hat er allein am Sonntag ausgerichtet, bei jedem Kampf rund hundert Zuschauer, Eintritt sieben Euro — das lässt sich sehen. Auch gestern war er trotz Regens wieder im Einsatz, heute macht er beim Weller-Kampf den Ringrichter.

Bevor Charly Schultz zur Kultfigur auf der Kirmes wurde, war er selbst ein aussichtsreiches Boxtalent. Er war in den 1970er Jahren internationaler Meister von Luxemburg im Mittelgewicht. 1979 hat er im Vorprogramm von Muhammad Ali in Berlin geboxt. Zwei Jahre später endete seine Karriere mit einer Handverletzung — seinen letzten Kampf verlor Schultz im Vorprogramm von René Weller, als der deutscher Meister wurde.

Charly Schultz besann sich auf seine Wurzeln. Schon als Kind war er mit den Eltern über die Rummelplätze gezogen. Die besaßen ein Abnormitätenkabinett und zeigten schwebende Jungfrauen und Enthauptungen. Schultz entschied sich für ein anderes Spektakel: den Kampf von normalen Menschen gegen Boxprofis — der sehr selten mit einer Überraschung endet.

An Herausforderern mangelt es nicht, meint Schultz. Sie meldeten sich aus 1000 Gründen. Um ihre Freunde zu beeindrucken oder weil sie eine Wette verloren haben, weil sie sich etwas beweisen wollen oder leichtes Geld verdienen. Das Interesse der Zuschauer habe hingegen nur einen Grund: "Sensationsgier."

Der Boxbuden-Besitzer befriedigt diese Gier. Auf acht bis zehn Plätzen steht er im Jahr und lebt mit Frau Angelika im Wohnwagen. Seine Boxer heuert er jeweils in der Umgebung an. Sie sind ehemalige Amateure oder Profis. Schultz sucht sie persönlich aus. Wenn einer einen Kampf verliert, bekommt er das Preisgeld von seinem Gehalt abgezogen, sagt Schultz.

Ob das wirklich stimmt? Man weiß es bei Schultz nicht, genau so wenig, wie man weiß, wie viele der Herausforderer wirklich aus dem Publikum stammen. Es ist aber eigentlich auch egal — Schultz ist kein Sportveranstalter, sondern ein Illusionenverkäufer.

Und er sieht für sich eine rosige Zukunft. Die Zeit, in der nur immer größere Achterbahnen gefragt waren, sei vorbei, meint er. Die Leute wollten die Klassiker wie das Steilwandfahren, die Wahrsagerin oder eben die Boxer. "Wir bringen die alte Romantik zurück."

Der junge Mann, der gegen Orhan Aküz angetreten ist, einen jungen Türken aus Wuppertal, der für Schultz boxt, hat für Romantik gerade nicht viel übrig. Einen Moment durfte er Boxer spielen, dann bekam er einen Leberhaken verpasst und ringt jetzt nach Luft. Zwei Leute helfen ihm aus dem Ring. Schultz bekommt davon nichts mit. Er steht wieder vor der Tür und wirbt für die nächste Show.

(RP/jco)
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