Kinderbetreuung Ohne (Leih-)Opa geht's nicht mehr

Düsseldorf · Job, Kinder, Haushalt: Wer das alles schaffen will, braucht auch jenseits von Kita und Ganztagsschule Unterstützung. Dabei wird neben der Oma auch der Opa immer wichtiger. Wo er fehlt, springen Leih-Großväter ein.

 Eberhard Gebauer (70) begleitet Enkel Paul (5) in die musikalische Früherziehung. "Die Enkel sind seine Lebensaufgabe", sagt Tochter Katja.

Eberhard Gebauer (70) begleitet Enkel Paul (5) in die musikalische Früherziehung. "Die Enkel sind seine Lebensaufgabe", sagt Tochter Katja.

Foto: A. Orthen

Der Mittwoch ist ein besonderer Tag für Paul. "Opa kommt", sagt der Fünfjährige, der an diesem Wochentag zur musikalischen Früherziehung geht. "Mir ist wichtig, dass er sich für Musik begeistert", sagt Eberhard Gebauer. Eine Momentaufnahme, die ahnen lässt, dass der 70-Jährige mehr ist als ein Mann, mit dem man ab und an mal im Garten ein bisschen Kicken kann.

"Er stellt sich nachts um fünf den Wecker, um unsere Älteste zum Frankfurter Flughafen zu bringen, holt Pauls Bruder Leo vom Fußball ab und hat unsere Kinder, als sie noch kleiner waren, gemeinsam mit meiner Mutter Kristine in den Mittagsschlaf begleitet", sagt Tochter Katja (41). Jeweils ein Jahr blieb die Erzieherin nach der Geburt ihrer fünf Kinder zuhause. Dann ging's zurück in den Job. "In diesen Zeiten war er gemeinsam mit meiner Mutter jeden Tag mit ganz viel Herzblut im Einsatz", sagt die Tochter und stellt fest: "Ich weiß nicht, ob wir den Alltag sonst hinbekommen hätten."

Waren es früher vor allem die Omas, die sich bei klassischen Betreuungs- und Erziehungsaufgaben nützlich machten, übernehmen diese Rolle zunehmend auch Männer. "Die Zahl der Opas, die ihre Enkel hier abholen, ist mit den Jahren gestiegen", sagt Susanne Loosen. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet die 57-Jährige als Erzieherin, leitet heute die städtische Kita an der Stürzelberger Straße im Düsseldorfer Stadtteil Lörick. "So wie die meisten Väter heute viel mehr ihren Kindern machen, wollen zunehmend auch Großväter eine aktive Rolle im Alltag der Enkel übernehmen", sagt Loosen.

Verstärkt wird diese Entwicklung noch von einer anderen gesellschaftlichen Entwicklung: der Berufstätigkeit von Mutter und Vater. "Ich kenne Frauen, aber auch Paare, die in ihre alte Heimat in Hessen oder ins gar nicht so weit entfernte Mönchengladbach zurückgezogen sind, weil sie ohne das Engagement der Großeltern nicht klarkommen", sagt Susann Sültemeyer vom Düsseldorfer Verein für alleinerziehende Mütter und Väter. Zudem spiele die Arbeit inzwischen eine überragende Rolle. "Wohnen ist in Düsseldorf so teuer geworden, dass das Leben mit einem Einkommen einfach nicht mehr funktioniert", sagt Sültemeyer. Entsprechend steige der Bedarf an Hilfen bei der Betreuung. Und weil Omas eben nicht alles schultern könnten, wachse auch die Bedeutung der Großväter.

Doch was machen jene, die nicht auf eigene Eltern zurückgreifen können? "Wir haben uns für einen Leih-Opa entschieden", sagen Tiana und Michael Sobel, die aus Bayern stammen und in Oberkassel leben. Der Banker und die Rechtsanwältin arbeiten beide, ihre Eltern leben in Kaufbeuren. "Die sehe ich zu Weihnachten, Ostern oder in den Sommerferien", sagt Leander. Dafür trifft der Achtjährige jede Woche Friedhelm Göres (64).

Der studierte Betriebswirt, der selbst keine Kinder und Enkel hat, ist inzwischen Rentner. "Auf einer Veranstaltung zum Thema Ehrenamt habe ich von dem möglichen Engagement als Leihopa erfahren und war sofort neugierig", sagt er. "Ungewöhnlich" fand das zunächst nicht nur Göres Ehefrau. Auch Sobels mussten den Gedanken, statt einer Leihoma einen Leihopa in die Familie zu lassen, erst einmal sacken lassen. "Wir haben uns kurz beschnuppert, aber es hat sofort gepasst", sagt Michael Sobel.

Jeden Mittwoch holt Göres Leander vom Gitarrenunterricht ab. Danach stehen Eis essen, Fußball oder Kicker-Spiele auf dem Programm. Und Naturbeobachtungen. "Ich erkläre ihm zum Beispiel, warum Vögel in Formationen fliegen", sagt Göres. Dass sein Ehrenamt einmal auslaufen könnte, beschäftigt ihn bisweilen. "Irgendwann kommen das Gymnasium und zeitintensive Hobbys. Ich hoffe sehr, dass wir trotzdem in Kontakt bleiben."

(jj)
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