Jubiläum in Düsseldorf Wie die Awo seit 40 Jahren Jugendlichen hilft

Düsseldorf · In den Gründungsjahren kümmerte sich das Team der Awo vor allem um die Altstadt-Punks. Die Jugend von heute sieht zwar anders aus. Ihre Themen aber sind dieselben geblieben, sagen die Sozialarbeiter.

 Im Garten des Awo-Hauses an der Oberbilker Allee spricht Leon mit Yvonne Preißler.

Im Garten des Awo-Hauses an der Oberbilker Allee spricht Leon mit Yvonne Preißler.

Foto: Anne Orthen (ort)

Vor zwei Jahren kamen sie zum ersten Mal. Die schwarzen Gedanken in Leons Kopf. Er saß in seinem Zimmer und dachte, wenn ich jetzt ein Messer hätte, würde ich mich töten. Zum Glück, sagt er heute, hat er damals nicht einmal mehr die Kraft aufgebracht, in die Küche zu gehen. „Sonst wäre ich bestimmt heute nicht mehr hier.“ Seine Schwester hat ihm damals aus dem Tief geholfen. Doch vor einigen Monaten kam die Traurigkeit zurück. Ein Schulsozialarbeiter gab dem Auszubildenden eine Adresse an der Oberbilker Allee. Einmal pro Woche geht Leon nun dorthin, zur Jugendberatung der Awo, und kommt im Gespräch mit seiner Therapeutin so langsam den Gründen seiner Depressionen auf die Spur.

Suizidgedanken, sagt Yvonne Preißler, Leiterin der Jugendberatung, sind so selten nicht in ihrer Praxis. „Depressionen, Einsamkeit - das sind große Probleme, zumal vor allem junge Männer oft nicht wagen, darüber zu reden. Was das Problem meist noch vergrößert.“

Die Jugendhilfe der Awo versucht, mit einem professionellen Team zu helfen. Sozialpädagogen, Psychologen und Therapeuten sind dabei nicht nur für die Jugendlichen da, sondern auch Ansprechpartner für Eltern, Lehrer oder Ausbilder von jungen Menschen, die Hilfe brauchen. Wobei natürlich Verschwiegenheit absolute Priorität hat. Ohne Einverständnis der Klienten (die übrigens auch anonym das Beratungsangebot nutzen können) wird mit Dritten nie gesprochen.

In den Anfangsjahren gab es dieses Einverständnis so gut wie nie. 1978 richtete die Awo das Beratungszentrum in der Altstadt ein. Von der Wallstraße aus suchten die Sozialarbeiter den Kontakt zur Zielgruppe. Das waren die jungen Punks, die vorm Carschhaus lagerten, und Jugendliche auch aus anderen Stadtteilen, die vor ihrem Leben daheim in die Altstadt flüchteten. Mit den Eltern wollten sie möglichst wenig zu tun haben. „Abgrenzung war damals das ganz große Thema“, sagt Preißler. Und relativ bald schon gab es Ärger: Das städtische Ordnungsamt verhängte Strafen gegen die jungen „Stadtstreicher“, wie es damals hieß. Und die Awo organisierte ein Konzert, um die Bußgelder davon zu bezahlen. Der Ordnungsdezernent war sauer, der Sozialdezernent begeistert.

Überhaupt war Musik damals mehr als heute das Mittel, die jungen Leute zu erreichen. Die kamen gern in den Awo-Treffpunkt, auch als der 1992 nach Flingern zog. Zum einen, weil das Haus an der Wallstraße verkauft wurde. Zum anderen, weil sich am Hermannplatz damals eine Szene entwickelt hatte, die das Awo-Team gut brauchen konnte. Drogen spielten da eine Rolle, und wo sie nicht Ausdruck jugendlicher Rebellion, sondern ernstes Problem waren, schalteten die Sozialarbeiter die Kollegen von der Drogenhilfe ein. Das Netz der Hilfsangebote wurde in dieser Zeit immer enger geknüpft und ist es bis heute.

Mit den Jahren änderte sich die Arbeitsweise. Aufsuchende Sozialarbeit begann auch in den Schulen. Und immer mehr rückte das Präventionsthema in den Vordergrund. Essstörungen, Selbstverletzung, sexualisierte Gewalt. Die Themen sind geblieben, auch im neuen Domizil in Oberbilk, wo die Beratungsstelle nun auch schon seit 15 Jahren residiert. Die Jugendlichen aber hätten sich verändert, sagt Preißler. Die Punks der 70er seien politischer gewesen, hatten „eine Botschaft“. Den jungen Leuten heute sei Abgrenzung nicht mehr so wichtig, legten Wert auf ein freundschaftliches Verhältnis zu den Eltern. Mobbing ist zu den Themen hinzugekommen, und Probleme, die auch durch Scheidung und Trennung entstehen. „Viele werden dadurch gezwungen, sich viel zu früh zu verselbstständigen“, sagt Preißler.

Leon ist froh, den Weg zur Beratungsstelle gefunden zu haben. Er  entwickelt Strategien, um sein Leben zu ändern, der Depression zu entgehen. Man sollte viel mehr darüber reden, sagt er. „Depression darf kein Tabuthema sein, nichts, wofür man sich schämen muss.“  Noch ist das leider so. Deshalb haben wir  auch seinen Namen geändert.

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