Kind angefahren Unfallzeugin in Düsseldorf brutal attackiert

Düsseldorf · In Düsseldorf-Flingern wurde am Samstag ein fünfjähriges Mädchen angefahren und dabei nur leicht verletzt. Nach dem vergleichsweise harmlosen Unfall eskalierte die Situation jedoch: Angehörige haben eine 49-Jährige angegriffen und schwer verletzt.

Zeugin nach Unfall mit Kind in Düsseldorf angegriffen
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Zeugin nach Unfall mit Kind in Düsseldorf angegriffen

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Foto: Gerhard Berger

Die Situation am Samstagmittag lief komplett aus dem Ruder. Ein fünfjähriges Mädchen wurde von einer 51-Jährigen in der Tempo-30-Zone angefahren. Es war zwischen parkenden Autos auf die Junkersstraße gelaufen, die Golf-Fahrerin konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen. Das Mädchen kam mit einem Schreck und leichten Blessuren davon.

Plötzlich rannten jedoch mehrere Familienangehörige der Fünfjährigen aus einer laut Polizei südosteuropäischen Großfamilie auf die Straße und beschimpften die ebenfalls unter Schock stehende Fahrerin wüst. Als eine Zeugin, die hinter dem Unfallauto gefahren war, dazwischen ging und schlichten wollte, wurde sie von zwei Männern (54 und 31 Jahre alt) beschimpft, beleidigt und mehrfach ins Gesicht geschlagen.

Wie sich im Krankenhaus herausstellte, waren die Schläge so stark, dass die Augenhöhle der 49-Jährigen gebrochen ist und sogar verschoben wurde. Wenn die Schwellungen abgeklungen sind, soll sie in eine Fachklinik verlegt und operiert werden. In welchem Krankenhaus sie sich aktuell aufhält, soll anonym bleiben, das Opfer hat Angst vor den Mitgliedern der Familie. Gegen die beiden Männer wurden Strafanzeigen wegen schwerer Körperverletzung gestellt.

"Wir sind beide genau 30 gefahren"

Die 49-Jährige konnte gestern immer noch nicht fassen, was ihr widerfahren ist. "Die vor mir fahrende Frau hat sich nichts zu Schulden kommen lassen, wir sind beide genau 30 gefahren. Das Mädchen tauchte völlig unerwartet auf der Straße auf. Das wollte ich den Angehörigen nur mitteilen", erzählt sie. Stattdessen seien die beiden Männer sofort auf sie zugelaufen, hätten sie aufs Übelste beschimpft und dann mit Fäusten traktiert.

"Ich weiß nicht mehr, ob es wirklich beide Männer waren oder ob nur einer zugeschlagen hat. Nach dem ersten Faustschlag habe ich versucht, meine Arme vor das Gesicht zu halten, um mich zu schützen, aber das hat auch nicht viel geholfen", sagt das Opfer. Die Tochter hat später mitbekommen, wie die Männer bei der Polizei aussagten, sie hätten die Frau nur leicht geschubst. Die 49-Jährige will nun gegen die Schläger gerichtlich vorgehen.

Wie unsere Redaktion in Erfahrung bringen konnte, hat die Polizei nach dem Vorfall eine so genannte WE-Meldung ("wichtiges Ereignis") an das Innenministerium geschickt. Das passiert nur, wenn bestimmte Ereignisse eine Tragweite haben, die über den normalen Polizeialltag hinausgehen und langfristige Konsequenzen nach sich ziehen könnten. Monatlich werden mehrere Hundert solcher Meldungen in NRW an das Ministerium verschickt.

Emotionale Ausnahmesituation

Nach Sichtung und Einordnung erhält der Innenminister einige davon weitergeleitet. Wie ein Düsseldorfer Polizeisprecher unserer Redaktion am Sonntag sagte, sei der Vorfall in Flingern bislang einmalig in der Stadt: "So etwas hat es in dieser Art bisher nicht gegeben."

Dass Angehörige von Opfern oder Tätern auf Unfallverursacher, Helfer, Zeugen oder Polizisten losgehen, kommt jedoch ab und zu vor. "Dennoch: Es sind immer Einzelfälle", sagt Jan Schabacker vom Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW. Statistisch würden diese Vorfälle jedoch nicht erfasst. "Oft befinden sich die Leute in einer emotionalen Ausnahmesituation", erklärt Schabacker. Allerdings könne er die Umstände des Falls in Düsseldorf nicht bewerten.

Für Arnold Plickert, NRW-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), liegt die Ursache solcher Eskalationen oft im Selbstverständnis von Großfamilien mit ausländischen Wurzeln. "Da findet schnell eine Solidarisierung statt, es wird sehr emotional reagiert", erklärt er. Polizisten würden solche Situationen erleben, wenn sie Personen aus dem Familienkreis mit zur Wache nehmen wollen. "Oft geht es dann von null auf hundert", sagt er. Meist werde das Vorgehen der Polizei nicht akzeptiert, eigene Regeln würden aufgestellt. Gerade Polizisten seien dann Ziel von Attacken.

Solche Situationen kämen zum Beispiel in Problemvierteln wie Duisburg-Marxloh vor, wo Großfamilien aus Südosteuropa leben, oder auch in manchen Vierteln in Essen, wo libanesische Clans wohnen. "So etwas passiert nicht jeden Tag, aber es sind Dinge, die vorkommen", sagt Plickert. Auch anderswo in NRW sind schon eher harmlose Fälle eskaliert. Ende 2016 wurden zum Beispiel zehn Polizisten in Düren verletzt, weil sie einen Streit zwischen einem Autobesitzer und einem Mitarbeiter des Ordnungsamtes schlichten wollten. Dem Mann, der gegen ein Knöllchen protestierte, kamen mehrere andere Männer mit türkischen Wurzeln zu Hilfe und schlugen die Polizisten.

(mre)
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