Ehemals besetzte Häuser Kiefernstraße — 30 Jahre anders

Düsseldorf · Aus den einst besetzten Häusern ist eine besondere Form des Zusammenwohnens geworden. Immer noch leben dort einige der früheren Hausbesetzer. Werden Wohnungen frei, entscheidet man gemeinsam über neue Mitbewohner. Am Samstag wird auf der Straße gefeiert.

 Clive Stewart war von Anfang an dabei - und lebt noch heute gern an der Kiefernstraße.

Clive Stewart war von Anfang an dabei - und lebt noch heute gern an der Kiefernstraße.

Foto: meyer

Die Häuserfassaden sind bunt, irgendeiner sitzt immer irgendwo herum, und abends wird es auch mal lauter: Die Kiefernstraße ist in vielerlei Hinsicht anders als das restliche Düsseldorf. Zwar sind die Häuser schon lange nicht mehr besetzt, aber das autonome Flair von früher ist trotzdem noch zu spüren. Heute vor 30 Jahren, am 23. September 1981, bezogen die ersten Besetzer ihre Wohnungen — gegen den Willen des Hausbesitzers, der Stadt Düsseldorf.

 Kiefernstraße unter Terrorverdacht: Polizeieinsatz Mitte der 80er Jahre

Kiefernstraße unter Terrorverdacht: Polizeieinsatz Mitte der 80er Jahre

Foto: Werner Gabriel

Einer von ihnen war Clive Stewart. "Ich wohne seit dem ersten Tag der Besetzung hier", sagt der heute 54-Jährige. Damals war er Anfang 24 und gerade aus seiner Wohnung in Benrath geflogen. Der gebürtige Engländer erinnert sich noch genau an den Tag seines "Einzugs". "Ich hatte an dem Tag ein Vorstellungsgespräch. Auf dem Weg dorthin bin ich schnell hier vorbeigefahren und habe die Tür aufgebrochen", berichtet er ohne Reue. "Hier wimmelte es damals von Leuten, die auf der Suche nach günstigem Wohnraum waren", erklärt Stewart.

Angespannter Wohnungsmarkt

Die Düsseldorfer Initiative "Aktion Wohnungsnot" (AWN) hatte den ungenutzten Wohnraum an der Kiefernstraße in der Hausbesetzer-Szene bekanntgemacht und zum Besetzen aufgerufen. Die Häuser wurden ursprünglich, Anfang des 20. Jahrhunderts, für Arbeiter eines Industriebetriebes in der Nähe gebaut. Nach der Werkstilllegung 1975 gingen sie in den Besitz der Stadt über. Die wollte sie eigentlich abreißen, um das Gelände als Gewerbegebiet zu nutzen. Planerisch war das auch schon alles klar — aber dann kam es doch ganz anders.

Anfang der 80er Jahre hatte Düsseldorf einen sehr angespannten Wohnungsmarkt: Vor allem Wohnraum für junge Familien oder nicht so gut Betuchte war damals äußerst knapp.

Daher entwickelte sich in der Stadt eine sehr rege Hausbesetzerszene: In Bilk, Oberbilk, Rath und anderen Stadtteilen wurde eine ganze Reihe von Häusern besetzt, und es kam zu heftigen Diskussionen, wie man mit diesem Rechtsbruch umzugehen gedachte. Der damalige Polizeipräsident, Hans Lisken, versuchte, mit einer eher zurückhaltenden Vorgehensweise möglichst gewaltfrei die Lage in den Griff zu bekommen und ließ nur in ein paar Ausnahmefällen besetzte Häuser räumen.

Die Besetzung der Häuser an der Kiefernstraße war der Stadt vor allem deshalb ein großer Dorn im Auge, weil schon damals das gesamte Areal mit großem Zukunftspotenzial gesehen wurde. Bundesweit geriet die Straße dann in die Schlagzeilen, weil man Verbindungen einiger Besetzer zum Terrorismus vermutete. Hinweis darauf gab die Festnahme von RAF-Mitglied Eva Haule: Sie soll damals in Begleitung zweier Bewohner der Kiefernstraße gewesen sein.

Es folgten zahlreiche Razzien und Demonstrationen — die Kiefernstraße war im Ausnahmezustand. Einer Unterschriften-Aktion der Bewohner gemeinsam mit dem benachbarten Kulturzentrum Zakk ist es zu verdanken, dass die Stadt schließlich einlenkte. So blieben die Häuser stehen, und die Besetzer erhielten Mietverträge. Clive Stewart wohnt seit 1989 zur Miete in seiner einst besetzten Wohnung. "Seitdem kann ich endlich wieder verreisen, ohne Angst haben zu müssen, dass die Polizei meine Wohnung stürmt", sagt er. Noch sechs oder sieben weitere "Ureinwohner" gibt es neben ihm auf der Kiefernstraße.

Nachdem die Bewohner dann Ende der 80er Jahre reguläre Mietverträge bekommen hatten, entwickelte sich dort eine ganz besondere Form des Zusammenlebens — ein in Teilen autonomes Wohnen, mit enger nachbarschaftlicher Beziehung, Kinderbetreuung und Kulturprogramm.

Die enorm günstigen Mieten — 100 bis 200 Euro pro Wohnung — konnten gehalten werden, weil die Häuser zwar inzwischen renoviert und saniert, aber immer noch eher einfach gehalten sind. So wird teilweise noch Kohle geheizt, viele der Arbeiten haben die Bewohner seinerzeit selbst gemacht und machen es heute noch. Dass die Bewohner selbst entscheiden, wer einziehen darf, ist ebenfalls eines der Merkmale für ein ungewöhnliches Wohnprojekt. Darüber wird demokratisch abgestimmt. "Wir wollen nämlich verhindern, dass hier Leute nur wegen der günstigen Miete einziehen. Sie sollen auch hierher passen", sagt Stewart.

Misstrauisch blickt man auf die Entwicklung im direkten Umfeld: Längst sind gleich um die Ecke neue Büro- und Handelsflächen entstanden, das gesamte Areal hat sein früheres Schmuddel-Image überwunden. www.kiefern.de

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