Neues Sonderdezernat bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf „Keine Toleranz bei häuslicher Gewalt“

Düsseldorf (dto). In 90 Prozent der Fälle passiert nichts: Verfahren gegen gewalttätige Männer werden meist eingestellt, weil Frauen aus Angst einen Rückzieher machen oder Beweise nicht ausreichen. Das soll sich ändern. Mit einer neuen Sonderdezernentin will die Staatsanwaltschaft gezielt gegen die Negativ-Statistik vorgehen und die Arbeit von Beratungsstellen und Polizei im Düsseldorfer Netzwerk gegen häusliche Gewalt ergänzen. "Wir wollen der Öffentlichkeit zeigen, dass häusliche Gewalt nicht toleriert werden kann", erklärte Amtsanwältin Irmgard Woltmann (47) aus Hannover, die am 1. Januar den neuen Posten antreten wird.

Im Visier des Netzwerkes stehen Beziehungstaten wie Hausfriedensbruch, Nötigung, Bedrohung, Sachbeschädigungen und Körperverletzung. "Das sind ernstzunehmende Delikte und keinesfalls nur Privatangelegenheiten", betonte die künftige Sonderdezernentin. Zu einem Bewusstseinswandel hat mittlerweile das vor zwei Jahren in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz beigetragen. Seitdem kann ein gewalttätigen Partner für zehn Tage aus der gemeinsamen Wohnung verwiesen werden, eine weitere Verlängerung um zehn Tage ist auf Antrag möglich. 131 Frauen machten in diesem Jahr von dieser Möglichkeit Gebrauch. "Außerdem ist die Zahl der Anzeigen wegen häuslicher Gewalt seit Einführung des Gesetzes von 204 auf 600 in diesem Jahr gestiegen", ergänzt Polizeibeamtin Karin Kienast, Mitglied der Fachgruppe "Häusliche Gewalt" im Kriminalpräventiven Rat der Stadt Düsseldorf.

Gegen die Gewaltspirale setzt die neue Sonderdezernentin der Staatsanwaltschaft aber nicht nur auf Paragraphen, sondern auch auf Therapie. Es sei nicht sinnvoll, Beziehungen vorschnell "strafrechtlich kaputt zu treten, meint auch Johannes Mocken von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf. In einem sozialen Training sollen sich gewalttätige Männer sechs Monate lang mit den Ursachen und Folgen ihrer Tat auseinandersetzen. Ein solches Anti-Aggressions-Programm führte Woltmann bereits mit Erfolg in Hannover ein, wo sie mit zwei Kolleginnen ein ähnliches Sonderdezernat wie jetzt in Düsseldorf leitete. Die Therapie sei allerdings "kein Spaziergang", so Wortmann, "nicht jeder hält durch". Ein Täter-Opfer-Ausgleich soll zusätzlich in "harmloseren" Fällen helfen. "Als Ergebnis eines Gesprächs zwischen den Konfliktparteien ist beispielsweise eine anschließende Eheberatung oder ein Schmerzensgeld für das Opfer denkbar", erläuterte Woltmann ihre Pläne.

Von außen erscheint oft unbegreiflich, dass Frauen an ihrer Opferrolle festhalten und auf die juristische Verfolgung brutaler Partner verzichten. Aus Angst vor Konsequenzen ziehen sie häufig ihre Anzeigen wieder zurück, so eine gängige Polizeierfahrung. Zum anderen regiere das Prinzip Hoffnung, erklärt Lucia Kleene von der Frauenberatungsstelle Düsseldorf. "Ein Strauß Rosen und alles ist vergessen", beschreibt sie eine weibliche Standardreaktion, denn viele Frauen wünschten einfach ein Ende der Gewalt, statt ihren Ehemann im Gefängnis zu sehen.

Wie nötig aber ein konsequentes Vorgehen gegen häusliche Gewalt ist, weiß Wortmann aus eigener Erfahrung. Während ihrer Arbeit in Hannover erlebte sie, wie scheinbar harmlose Bedrohungen in einem Mordversuch endeten. "Es muss immer erst etwas passiert sein, bevor die Polizei einschreiten kann", bedauert sie und sieht weiterhin Handlungsbedarf beim Gesetzgeber. Stalking müsste als eigener Straftatbestand anerkannt werden, fordert sie. "Dann könnten Polizei und Gerichte auch schon bei scheinbar ungefährlichem Telefonterror oder ständigem Nachspionieren einschreiten." Und das kann offenbar lebensrettend sein.

(csi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort