"Verbrechen neuer Qualität" — Täter weiter flüchtig Keine heiße Spur nach Millionen-Raub auf der Kö

Düsseldorf (dto). Auch zwei Tage nach dem schweren Raubüberfall auf einen Kö-Juwelier fehlt von den fünf Tätern jede Spur. Die Ermittlungen liefen weiter auf Hochtouren, sagte ein Polizeisprecher am Montag. Verwertbare Hinweise zu gebe es aber noch nicht. Polizei und Staatsanwaltschaft sprachen am Sonntag von dem brutalsten Raubüberfall in der Geschichte des Landes, bei dem wie durch ein Wunder lediglich eine Angestellte leicht verletzt wurde. Die Täter hatten Schmuck und Uhren im Wert von 2,5 Millionen Euro erbeutet und waren dann, begleitet von zahlreichen Schüssen auf die Polizei, offensichtlich in Richtung Niederlande geflüchtet. Zu Ihrer Ergreifung ist eine Belohnung von 75.000 Euro ausgesetzt worden.

Die Versicherung des Juweliers lobte zusätzlich einen Finderlohn in Höhe von zehn Prozent des Beutewertes (2,5 Millionen Euro) aus, falls die geraubten Schmuckstücke wieder auftauchten. Polizei und Staatsanwaltschaft urteilten am Sonntagmittag übereinstimmend, dass der Raubüberfall an dem sonnigen Samstagvormittag während der Geschäftszeit auf der Kö eine "Qualität gehabt hat, die wir bisher nicht gekannt haben". Dadurch, dass alle Geschäfte auf Düsseldorfs Nobel-Einkaufsmeile bereits geöffnet hatten und die Kö voller Menschen war, hätte während die Flucht der fünf maskierten und aus Maschinen-Pistolen wild um sich schießenden Täter auch mehr passieren können. Deswegen ermittelt die Staatsanwaltschaft nicht nur wegen schweren Raubes, sondern auch wegen versuchten Mordes. Sie hätten bei der Tat und auf der Flucht "den Tod von Passanten und Polizisten in Kauf genommen", so Staatsanwalt Johannes Mocken.

Passanten glaubten an Filmdreh

Der filmreife Überfall begann nach derzeitigem Erkenntnisstand um 10.40 Uhr am Samstag, als ein blauer Volvo XC70 an der Kö direkt vor dem Juwelier Kern hielt. Drei mit Sturmhauben maskierte und mit Maschinen-Pistolen bewaffnete Täter stiegen aus. Während das Trio zielgerichtet auf das Juweliergeschäft René Kern zulief, glaubte mancher Passant noch an einen für Düsseldorf nicht ungewöhnlichen Filmdreh. Die offenbar auch mit Schusswesten bekleideten Täter bedrohten den an der Tür stehenden Wachmann und drängten ihn in den Laden. Der warnte die sechs Angestellten und vier Kunden mit den Worten "da kommt ein Überfall".

Während einer der Täter zielgerichtet auf die Glastür des so genannten "Uhrenganges" zuging und die Scheibe zerstörte, sicherte ein weiterer Täter die Eingangstür. Er legte einen Hammer zwischen Tür und Rahmen, damit diese nicht zugehen konnte, ging dann aber auf die Straße zurück und setzte sich wieder in das Auto. Der dritte Täter hielt in dem Verkaufsraum Angestellte und Kunden in Schach, indem er mehrfach schoss. Während der andere Täter im Uhrengang mehrere Vitrinen mit einem vorschlaghammer zerschlug und Schmuck sowie Uhren wahllos in einen großen Sack steckte, betrat plötzlich ein Kunde das Geschäft. Mit dem Hammer in der Hand fragte der: "Was ist denn hier los!". Darauf hin kam der Täter aus dem Uhrengang und schoss zwei Mal gezielt. Der 66-jährige Mann konnte in Deckung gehen, eine 38-jährige Angestellte erlitt einen Streifschuss am Knöchel ihres linken Fußes.

Zu diesem Zeitpunkt muss es etwa 10.42 Uhr gewesen sein. Der von den Tätern unbeobachtete Wachmann, konnte per Handy die Polizei informieren. In der Leitstelle glaubte man dem Mann sofort, "denn mindestens ein Schuss war über das Telefon zu hören", so Ulrich Mies, Leiter der Ermittlungskommission "Kern". Deswegen war der erste Streifenwagen etwa eineinhalb Minuten später, gegen 10.44 Uhr, an dem Juweliergeschäft. Zu diesem Zeitpunkt hatten die zwei Täter den Laden bereits verlassen. Sie eröffneten das Feuer auf die in Deckung gehenden Beamten und trafen einen Scheinwerfer sowie die Motorhaube. Die beiden Räuber stiegen in das Fluchtfahrzeug mit den drei anderen Männern und fuhren davon. Während ihrer Flucht in Richtung Graf-Adolf-Platz nahmen sie mehrfach einen zweiten Streifenwagen unter Beschuss. "Wegen der vielen Passanten war es aber nicht möglich, die Schüsse zu erwidern", so Mies.

Wilde Flucht und MP-Salven

Als das Fluchtfahrzeug dann den Graf-Adolf-Platz in Höhe des Hochhauses GAP 15 erreichte, fuhren die Täter auf den Straßenbahngleisen, um andere Autos leichter überholen zu können. Im selben Moment kam ihnen eine Straßenbahn entgegen. Einer der Täter schoss aus seiner Maschinenpistole mehrere Salven in die Luft. Drei Projektile landeten in der Glasfassade des Hochhauses. In windeseile flüchteten die Räuber in Richtung Horionplatz. Gegenüber dem Innenministerium stiegen sie in ein anderes Auto, einen schwarzen Audi A8 mit Aachener Kennzeichen. Den Volvo setzten sie mit einem offenbar vorbereiteten Benzinbrandsatz in Flammen. Später fand die Polizei in diesem Auto zwei der Maschinen-Pistolen.

Während des Umsteigens sahen die Täter einen dritten Streifenwagen, der am Innenministerium Stellung bezogen hatte, und feuerten mehrere Schüsse auf ihn ab. Dann flüchteten die Täter mit hoher Geschwindigkeit in den Rheinufertunnel. An dieser Stelle gab die Polizei die Verfolgung auf, "auch um Unbeteiligte nicht erneut zu gefährden", so Mies. Ein zur Unterstützung herbeigerufener Polizeihubschrauber konnte das Fluchtfahrzeug auch nicht mehr entdecken. Zuletzt wurden die Täter auf der A 61 etwa fünf Kilometer vor der niederländischen Grenze gesehen, als sie mit rund 200 Stundenkilometer auf dem Standstreifen der Autobahn dahinrasten. Die Ermittler vermuten daher, dass sie sich über die grüne Grenze in das Nachbarland absetzten.

Nach Auffassung der Polizei gibt es Parallelen zu einem unaufgeklärten versuchten Blitzeinbruch auf den Juwelier Kern am 6. Juli vergangenen Jahres. Auch damals wurden die Fluchtfahrzeuge angezündet, und auch damals führten die Spuren in die Niederlande. Entsprechende Fahndungsersuchen seien bereits eingeleitet. Stephan Wey, Leiter des Raubdezernats bei der Kripo Düssedorf betonte, die quasi militärische Durchführung der Tat lasse auf organisierte Kriminalität schließen. einzelne Zeugen hätten gesagt, dass sie bei den Männern einen osteuropäischen Akzent gehört hatten. Das sei jedoch nicht gesichert.

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