Damensitzung Wie es Euch gefällt

Düsseldorf · Einer unter vielen – Frauen. Unser Autor hat einen Abend auf einer Damensitzung in Düsseldorf verbracht.

 Unser Autor Sebastian Dalkowski allein unter Frauen.

Unser Autor Sebastian Dalkowski allein unter Frauen.

Foto: Anne Orthen

Einer unter vielen — Frauen. Unser Autor hat einen Abend auf einer Damensitzung in Düsseldorf verbracht.

Ich war bei Euch gewesen, Mädels. Wir haben zusammen einen Abend verbracht. Ihr habt mich nicht fortgeschickt von dem Ort, an dem Ihr ausnahmsweise unter Euch wart. Ihr habt mich zum Mitschunkeln gezwungen, obwohl nicht "Party" auf meiner Stirn geschrieben stand, Ihr habt mich an die Hand genommen wie einen Fünfjährigen, der sich im Disneyland verlaufen hat. Gesehen habe ich vieles, begriffen mehr, als ich vermutete. Weshalb ich nicht zuerst von dem schwarzen Cop erzählen möchte, der sich auszog. Das könnte Euch ins falsche Licht rücken.

Es war ein Donnerstagabend im Februar. Halb acht. Ein Saal am Rande der Düsseldorfer Altstadt. 330 Frauen saßen dort, verkleidet als Piratinnen, Zauberinnen, Teufelinnen, Matrosinnen, Hexen, Schneewittchen, Cowgirls. Sie freuten sich auf die Damensitzung der Karnevalsgesellschaft "Närrische Schmetterlinge". Auf einer Damensitzung haben Herren zwar auf der Bühne, aber nichts im Publikum zu suchen. Trotzdem saß an Tisch 12 ein Kerl Anfang 30. Er trug ein weißes Hemd unter einem blauen Pullover, und darunter schlug sehr unregelmäßig sein Herz. Das war ich. Auf den Tischen lagen kleine pinkfarbene Papierpenisse. Jeder habt Ihr einen eingesteckt. Dann ging es los.

Ihr ließt Euch nicht lange bitten

Kaum spielte die vielköpfige Band das erste Lied, da fingt Ihr an zu schunkeln, und beim nächsten Lied fingt Ihr an zu klatschen, und als ich noch dachte, gleich steht Ihr auf den Stühlen, da standet Ihr schon auf den Tischen. Ihr ließt Euch nicht lange bitten.

Ramona saß mir gegenüber, und es dauerte nur Minuten, bis sie mich ansprach. Ramona war alt genug, um meine Mutter zu sein. Sie war als Burgfräulein verkleidet oder als Hexe ohne Hakennase. Ich traute mich nicht, sie zu fragen. Sie sagte "Du siehst ein bisschen müde aus" und "Wir vernaschen dich schon nicht". Dann behängte sie mich mit Luftschlangen, band mir eine um die Stirn, malte mir mit dem Lippenstift Herzen auf die Wangen und klebte mir einen Papierpenis ins Gesicht. Davon machte sie ein Foto mit dem Handy. Ihr Freundin Siggi sagte mir, dass sie die Siggi sei, dann fragte sie, wo das Alt bleibe.

Der Mann, der die Sitzung moderierte, hatte sich als alternde Diva verkleidet und sagte zum ersten Mal Calvin an. Calvin war der Nummernboy, er trug ein Sakko, aber kein Hemd. Er hatte gut trainiert. Es lief "You can leave your hat on". Ihr habt gekreischt. Auch bei seinen späteren Auftritten. Als Feuerwehrmann, als Sultan, als Feuerschlucker, als Bauarbeiter. Immer nur gekreischt habt Ihr. Und gejohlt. Ramona zeigte auf mich und sagte "Zieh mal deinen Pullover aus." Nein. Doch. Nein. Es kamen auch ein paar Büttenredner. Der erste war ein alter Mann, der sich als Clown verkleidet hatte. Er sagte was von "Man hat keinen Sex auf dem Küchentisch, weil man im Bett auch keine Kohlrouladen macht." Der zweite Redner nannte seine Freundin "Gehaltszerstäuberin". Der dritte sagte, dass er in der Umkleidekabine in der Herrenabteilung gestolpert sei und seine Frau sagte: "Kann man dich nicht mal fünf Minuten alleine lassen?" Ihr habt über so ziemlich jeden Witz gelacht, über die harmlosen und die fiesen und die dreckigen und die anzüglichen.

Es lag nicht nur am Alkohol

Aber viel lieber noch wolltet Ihr feiern. Während Männer sich anfangen zu langweilen, wenn eine Band auf der Bühne steht, habt Ihr aufgedreht. Standet sofort wieder auf den Stühlen und Tischen. Habt die Hände in die Höhe gerissen. Habt mitgesungen. Und habt gekreischt, wenn Männer auf der Bühne tanzten. Selbst wenn sie als Stewardessen verkleidet waren. Da war so ein Kerl aus Puerto Rico, der hatte einen Eight-Pack. Ramona fragte gleich, ob ich mir das mit dem Pullover nicht noch mal überlegen wollte.

Die Uhrzeit spielte für euch keine Rolle. Um halb zwölf waren noch genauso viele auf den Beinen wie um halb zehn, erst um eins, als die Party endete, da wart Ihr auch erledigt. Ganz sicher hatte auch der Alkohol Eure Laune gehoben. Selten sah ich Euch Wasser bestellen. Ihr wolltet Bier. Manchmal brachte man Euch und Euren Freundinnen gleich ein ganzes Fass Alt. Aber Ihr brauchtet keinen Alkohol, um zu Spaß haben, während er Männern ihren Spaß erst ermöglicht. Niemals würdet Ihr auf die Idee kommen, ein Wetttrinken zu veranstalten. Ihr habt "Nossa" mitgesungen und "Über den Wolken" und "It‘s raining men", bis ich begriff, dass eine Damensitzung keine Karnevalsveranstaltung, sondern eine Mallorca-Party ohne Männer ist. Ihr feiert zwar nicht auf einem höheren Niveau, aber auf eine Art, die mir keine Angst macht, sondern bei der ich gerne zusehe. Und selbst um Mitternacht roch es nicht nach Schweiß in der Halle, was nicht nur mit der Klimaanlage zu tun hatte.

Doch es kam der Punkt, an dem ich mich zu fragen begann: Findet Ihr das wirklich gut? Ist Eure Vorstellung von Spaß tatsächlich so nah dran an unserer Vorstellung von Spaß, also Alkohol und das andere Geschlecht? Oder macht Ihr das einfach nur mit, weil Ihr immerhin 26 Euro für die Karte gezahlt habt, und dann wollt Ihr Euch auch amüsieren?

Der Stripper trug einen Knüppel

Es muss ungefähr zu dem Zeitpunkt gewesen sein, als der schwarze Cop auf die Bühne kam, um sich auszuziehen. Er trug einen Knüppel, er war muskulös und schon hatte er eine Frau auf die Bühne geholt, der er sich immer weiter entblößte. Während mir etwas unangenehm wurde, konntet Ihr es gar nicht erwarten, die Hüllen fallen zu sehen. Die Frau musste ihn überall anfassen, ich glaube wirklich überall, am Ende rieb sie seine Brust mit Öl ein, als nur noch eine US-Fahne sein Geschlechtsteil bedeckte.

Dann begann ich zu begreifen: Wer war ich, Euch zu verurteilen, dafür, dass Ihr auch nicht mehr Niveau habt als wir? Das ist der Sinn einer solchen Damensitzung. Dass sich endlich die Dinge tun lassen, die sich nicht gehören. Frauen mussten endlich einmal nicht Mutter sein, nicht Gattin, nicht Tochter, nicht Sekretärin. Sondern was sie im Alltag viel zu selten sein dürfen: einfach nur Frauen. Männer brauchen solche Schutzräume nicht, weil sie sich einfach immer das Recht herausnehmen, Männer zu sein.

Wer Spaß hat, hat Recht, dachte ich. Die letzte Band des Tages sang: "Mädchen, mach doch, watte willst".

(anch)
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