Rosenmontag in Düsseldorf Unterwegs an der Spitze des Zugs

Düsseldorf · Gabriele Billerbeck hat im Rosenmontagszug auf den vordersten Wagen aufgepasst - von der Oberkasseler Brücke bis in den Heimatstadtteil Bilk. Wir waren mit ihr unterwegs.

Jupp Ilbertz kommentiert den Zoch
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Ab Viertel nach Zwölf geht es auf einmal schnell. Der Koch schraubt die Gulaschkanone zu, die Polizeieskorte mit dem Prinzenpaar fährt vor, Jacques Tilly verschwindet mit Fahrrad und Leiter in die Altstadt. Der Straßenrand hat sich plötzlich mit Besuchern gefüllt. "Auf geht?s", ruft Bürgerwehr-Kommandant Peter Schäfer. Gabriele Billerbeck geht auf ihre Position, die linke Seite des Bagage-Wagens. Dann fährt die Polizei an der Spitze los, die Leute jubeln - der Zug kommt.

Gabriele Billerbeck, 48, zieht ganz vorne mit. Sie läuft neben dem Vorratswagen der Bürgerwehr, der direkt hinter der Polizei und der historischen Kanone an der Spitze fährt. Sie passt auf, dass niemand die Vorräte aus dem Planwagen klaut, die vielen Säcke mit Popcorn, die Red-Bull-Dosen, die Trinkpäckchen und den Schnaps. Sie achtet darauf, dass die Kinder von der Kindergarde sich amüsieren, in der auch ihre Tochter Faye, 14, und Patenkind Emilie, 3, mitziehen. Sie hält die Polizisten am Straßenrand bei Laune, quatscht mit Zuschauern und begrüßt Bekannte. Vor allem aber achtet sie darauf, dass niemand unter die großen Traktorräder kommt. Sie ermahnt unzählige Kinder, besser aufzupassen. Sie findet, das sollten sie am besten direkt am Anfang vom Zug verstehen. Wenn es nichts anderes zu tun gibt, wirft sie Kamelle.

Zwei Thermounterhosen und drei Pullis

Der Tag der Zugbegleiter hat später als für viele andere Helfer begonnen. Als Gabriele Billerbeck um 11 Uhr mit ihrer Tochter unter der Oberkasseler Brücke eintrifft - gegen die Kälte gewappnet mit zwei Thermo-Unterhosen, drei Pullis und Schuhe mit extradicker Sohle - läuft die Gulaschkanone schon auf Hochtouren. Manche sind seit 8 Uhr da. Es gibt Erbsensuppe von Plastiktellern, dazu Pinnchen mit Lakritzlikör. (Wer als Aufpasser eingeteilt ist, hält sich beim ganzen Zug mit dem Schnaps zurück.) Bahnen rattern über die Brücke, unten spielt sich eine Musik-Fußgruppe warm: "Da sprach der alte Häuptling der Indianer". Die Mädchen aus der Kindergarde sind aufgeregt.

Männer in bunten Uniformen laufen herum und begrüßen herzlich Männer in andersfarbigen Uniformen - man kennt sich im Karneval. Kommandant Peter Schäfer gibt letzte Anweisungen: "Nichts schmeißen, wenn der Zug steht!" Die Vorräte müssen eingeteilt werden: Der Verein kommt aus Bilk, kurz vor Schluss an der Friedrichstraße warten viele Freunde. Schäfer hofft, dass es an der Kö nicht wieder so stressig wird. Dort drängeln die Besucher. Die Regimenter stehen: Kanone, Fahnenträger, Kinder, Bagage-Wagen, noch ein Fahnenträger, Herren, Damen, Gulaschkanone, Kinderprinzenwagen. Die Standartengruppe, die ganz vorne reiten soll, lässt ihre Pferde noch im Hofgarten laufen. Für die Bürgerwehr ist es ein besonderer Zug. Das historische uniformierte Corps feiert sein 121-jähriges Bestehen -11 x 11 Jahre. Es gibt einen neuen Wagen für die Kinderprinzen.

Gabriele Billerbeck kennt bei der Bürgerwehr alle. Sie ist Karnevalsmutter: Die Restaurantfachfrau läuft beim Zug mit, seit ihre Tochter Faye als kleines Mädchen in der Garde einstieg. In den Vorjahren beaufsichtigte sie beim Zug die Mädchengruppe, das machen jetzt andere. Es ist für sie und die anderen Bilker Karnevalisten der Abschluss einer langen Session. Für Billerbeck begann sie nach den Osterferien, als sie ihre Tochter das erste Mal zu den Proben der Mariechen fuhr. Seit Ende Oktober war der Verein an fast jedem Freitag und Samstag unterwegs. Jetzt Endspurt im Zug.

Zuerst kommt der Zug langsam voran. Die Mädchen von der Kindergarde, die vor dem Proviantwagen laufen, werfen ein paar erste Popcorn-Tütchen. Alle warten auf die Altstadt. Auf dem Stück von der Kunstakademie zur Heine-Allee wird es zum ersten Mal eng. Gabriele Billerbeck schiebt ein paar Kinder zur Seite, die nach dem Popcorn auf dem Boden gehechtet sind und nun auf der Straße stehen. "Nur kurz greifen, dann zurückspringen", erklärt ein Vater im Elefantenkostüm seiner kleinen Tochter. Billerbeck kickt Kamelle vom Boden an den Straßenrand, damit die Kinder dort bleiben. Kurz vor dem Grabbeplatz kreist noch einmal der Lakritzlikör. Dann biegt der Zug endlich in die Altstadt ein. Gabriele Billerbeck hat den Eindruck, dass er diesmal schneller vorankommt als sonst.

"Bagage-Wagen Helau!"

Großes Gejohle. Die Mädchen der Kindergarde stehen plötzlich in Reih und Glied und winken, auf dem Burgplatz warten die Kameras. "Bagage-Wagen Helau!", ruft jemand. Billerbeck ist jetzt ständig im Gespräch. "Der Wagen ist ja leer!", schreit ein Mann vom Straßenrand. "Wir sind ja auch eine Fußgruppe!", antwortet sie. Immer wieder ruft sie etwas zu Jens, damit der auch mal strahlt. Jens ist der Mann mit der undankbarsten Aufgabe: Er fährt den Traktor. Billerbeck kann sich auf dem Burgplatz ganz aufs Spaß haben und "Helau" rufen konzentrieren - es gibt Sperrgitter.

Jemand entdeckt Campino auf dem Balkon des Uerige: das Gesprächsthema auf der Berger Straße. Die kleine Emilie fällt hin. Sie steht auf und geht weiter. Billerbeck ist sich sicher, dass sie durchhält. Anna, 4, hingegen will nicht mehr laufen, sondern auf den Arm des Vaters. Da schreitet Billerbeck ein. Wenn ein Kind auf den Arm kommt, will gleich keins mehr laufen. Anna läuft wieder. Der Zug ist in Fahrt gekommen. Am Schwanenmarkt beginnt Billerbeck zu tanzen: "Heut ist so ein schöner Tag." Oliver, der Mundschenk, reicht der Bürgerwehr Pinnchen mit 43er und Milch.

Dann die Kö. Am Anfang muss Gabriele Billerbeck das erste Mal an diesem Tag so richtig schimpfen. Ein paar Kinder haben sich auf der Jagd nach Kamelle auf die Straße gestürzt, obwohl sich die riesigen Räder nähern. "Ihr bleibt mal schön dahinten stehen!", mahnt sie und schaut plötzlich sehr streng. Die Kinder schrecken zurück, flitzen sofort zum Straßenrand, der Anpfiff hat gesessen. Als Gabriele Billerbeck das sieht, strahlt sie die Kinder an und hebt die Arme - "Helau". War ja nicht bös gemeint. Die Kinder lächeln auch wieder, aber die Warnung ist angekommen. So schlimm wie in den vergangenen Jahren ist es nicht. Die Bürgerwehr ist froh, dass sie immer am Anfang fahren darf - da sind die Zuschauer noch nicht so betrunken. Gabriele Billerbeck sagt zu einem gelangweilt schauenden Polizisten: "Ist ja gleich vorbei." Der fühlt sich ertappt. "Quatsch, kann von mir aus noch ewig gehen!"

Auf der Friedrichstraße verfeuert die Bürgerwehr ihre Kamelle. Immer mehr Gespenster und Clowns stürzen vom Straßenrand auf die Karnevalisten und umarmen sie. "Du auch hier!" Der Heimatstadtteil. Die kritischen Stellen sind vorbei, alles gut gelaufen. Die Formationen brechen auseinander. "Gabi, auf welchem Trekker ist der Papa?", fragt ein Funkemariechen und verschwindet. Die kleine Anna kann doch nicht mehr laufen, sie fährt den letzten Kilometer auf dem Wagen. Emilie läuft. Die Wagen biegen ab, das war?s. Jetzt wird im Vereinslokal weitergefeiert. Gabriele Billerbeck wohnt gleich nebenan. Die Kinder werden irgendwann ins Bett gehen, für die Erwachsenen wird es ein langer Abend. "Ende offen", sagt der Kommandant.

(jco/top/rm)
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