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Krefeld Über Humor im Karneval

Krefeld · Wie humorvoll sind Karnevalisten wirklich, und wie zotig müssen Karnevalswitze sein? Wir sprachen mit Ex-Karnevalsprinz Johannes Kockers über den Karneval, seine Rituale, wahren Humor und die Ewigkeit.

Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass Karnevalisten nicht unbedingt natürliche Verbündete des Humors sind und manche Karnevalisten zum Lachen in den Keller gehen. Stimmt's?

Kockers Ich unterscheide gerne zwischen Karnevalisten und Karnevalsfunktionären. Der frühere Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, Hans Horst Engels, hatte absolut keinen Humor, und trotzdem hat er dieses Amt jahrelang zur vollsten Zufriedenheit der Kölner Bevölkerung ausgefüllt. Sie müssen, um einen Verein zu führen, nicht vom Humor eines Karnevalisten durchdrungen sein.

Die Vereine neigen dazu, sich Humor zu importieren, sprich ihr Programm samt Büttenrednern zusammenzukaufen.

Kockers Ich halte den handgemachten Karneval immer für schöner, auch wenn es manchmal nicht so perfekt ist. Wir haben in Krefeld genug gute Leute für Spitzenkarneval.

Bei den Motto-Wagen im Karnevalszug fällt auf, dass das große Thema 2010 fehlt: die Fehlbuchung über 800 000 Euro. Ist der Karneval zu zahm?

Kockers Nein, das glaube ich nicht. Warum das so ist, kann ich nicht sagen. Das ist schade. Vielleicht gehen Fußgruppen darauf ein. Aber grundsätzlich ist der Karneval nicht zahm; die Düsseldorfer zum Beispiel sind oft knallhart bei ihren Mottowagen. Die tun manchmal weh.

Nehmen Karnevalisten ihre Rituale manchmal zu wichtig?

Kockers Man sollte sich grundsätzlich nicht so wichtig nehmen. Den Fehler machen ja viele: Sich selbst zu wichtig nehmen. Wenn man die Ewigkeit vor Augen hat und die paar Jährchen, die wir auf der Welt sind, dann sollten wir manchmal etwas weniger Bohei um uns machen. Ich versuch mein Leben so zu leben, dass ich aus jedem Tag das Optimale raushole. Man muss auch in einer Gardistenuniform über sich selber lachen können.

Aber gerade die Garden sind doch per definitionem eine Parodie auf alles Militärische.

Kockers Ja, das stimmt, aber es gibt schon Leute, die nehmen ihre Uniform ein bisschen zu ernst. Und vielleicht sollte der Auftritt einer Garde bei Sitzungen auch straffer sein.

Sollte man die Präsidenten einer Sitzung fesseln und knebeln, damit sie den Ablauf nicht stören?

Kockers Nein, das geht nicht, eine Sitzung braucht einen Präsidenten. Die Leute beobachten den Präsidenten sehr genau. Für mich gibt es keinen besseren Präsidenten als Rainer Küsters für den Karneval. Grundsätzlich gilt: Ein Präsident sollte straff und souverän durch das Programm führen und sich nicht künstlich in den Vordergrund spielen. Ein Präsident, der sich selbst feiert, ist eine Katastrophe.

Wäre es nicht besser, die Sitzungen zu straffen? Ehrungen zum Beispiel sind für die Stimmung im Saal immer ein Problem. Oft erlebt: Die Leute gehen bei einer Nummer mit, dann ehrt der Präsident zehn Mann, und die Stimmung sackt auf unter null Grad.

Kockers Ja, das ist grausam. Kein Saal tobt, weil jemand eine Nadel angesteckt oder eine Urkunde bekommt. Man muss aber sagen, dass viele Vereine das abgeschafft haben und verdiente Mitglieder in eigenen Feierstunden ehren. Ehrungen sollen ja nicht wegfallen; die Geehrten engagieren sich das ganze Jahr über für ihren Verein und den Karneval. Man sollte Ehrungen wirklich nur in Ausnahmen in Sitzungen vornehmen — etwa beim Grandseigneur des Krefelder Karnevals, Rudi Neuhausen.

Also müsste man den Vereinen empfehlen: Macht lieber weniger Programm und lasst schon ab halb elf eine Fete mit Musik steigen?

Kockers Das wäre ein Weg, zumal die Familiarität in vielen Vereinen groß ist. Ich habe als Prinz gerade in den kleinen Vereinen so viele nette Menschen kennengelernt, die mit großem Engagement ihre Sitzungen vorbereiten. Das sind Karnevalisten mit einem großen Herz für den Karneval. Feiern geht da immer.

Was lieben Sie am meisten am Karneval: den Humor oder das Gemeinschaftsgefühl?

Kockers Gute Frage und schwer zu beantworten. Für mich sind die Rosa Jecken ein gutes Beispiel für beides: Der Laden ist voll, die Stimmung ist locker; die machen Karneval für jedermann. Für mich liegt das Besondere am Karneval darin, dass man sich trifft, dass alle irgendwie auf einem Nenner sind, unabhängig von Schichten und Gehaltsklassen; man trifft lauter Brüder und Schwestern im Geiste, die alle sagen: Komm, heute machen wir uns einen schönen Tag. Allesamt unter einer Kappe — das ist das Schöne.

Stichwort Zoten. Die kommen eigentlich gar nicht so gut an bei den Leuten. Der Mann mit dem Hötche hat bei der Steckenpferd-Verleihung seine Pointen fast ausschließlich unter der Gürtellinie angesiedelt — die Reaktionen im Saal waren verhalten. Muss karnevalistischer Witz zotig sein?

Kockers Na ja, wenn ich schmutzige Witze hören will, gehe ich in eine Kneipe. Im Smoking bei einer hochkarätigen Veranstaltung wie der Steckenpferdverleihung muss ich das nicht haben.

Wie viele Pointen bleiben übrig, wenn man alle Zoten weglässt?

Kockers Ach wissen Sie, nichts gegen schlüpfrige Geschichten, aber man muss eben sehr genau hinsehen, wo man sie in welchem Maße an-bringt. Und bei einer Veranstaltung wie der von der KG Verberg — da brauchen Sie gar keine; die Stimmung ist dennoch prächtig. Die Leute wollen ihr Bier trinken und Spaß haben, die brauchen keine Witze unter der Gürtellinie. Ich liebe ohnehin mehr schräge Witze — Motto: Warum gehen Ameisen nicht in die Kirche? Weil sie In-sekten sind.

Jens Voss fasste das Gespräch zusammen

(RP)
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