Karneval und Weiberfastnacht in NRW Prinzessin und Krokodil: Kostüme im Praxistest

Düsseldorf · Bützen, Schunkeln und der Gang zur Toilette - unsere Autorinnen waren mit Ballkleid und Fellüberzieher auf Kneipentour. Die Prinzessin musst erleben, wie ihr Rüschen-Kleid ein Eigenleben entwickelte, das Krokodil fühlte sich wie in der Mini-Sauna.

 Elfi Vomberg (li.) und Jessica Kuschnik werden im Düsseldorfer Uerige kritisch von den nicht kostümierten Gästen beobachtet.

Elfi Vomberg (li.) und Jessica Kuschnik werden im Düsseldorfer Uerige kritisch von den nicht kostümierten Gästen beobachtet.

Foto: Endermann, Andreas

Prinzessin mit Platzproblemen

So fühlt es sich also an, wenn 3000 Gramm Polyester Karneval feiern. Die rosa Wölkchen schwingen im närrischen Dreivierteltakt um die Wette, der XXL-Kragen schleudert um den Hals herum, und die überdimensionierten Schleifen geißeln andere Stellen meines Körpers - das Prinzessinnen-Kleid hat in den vergangenen zwei Stunden ein Eigenleben entwickelt. Mit dieser Schunkel-Einheit ist meine royale Anmut endgültig dahin.

Erschöpft lasse ich mich auf einen Holzstuhl fallen - und rutsche durch den seidigen Stoff wie von selbst Richtung Boden. "Na, Aschenbrödel - zu viel gefeiert?", fragt ein fürsorglicher Herr, der am Nebentisch sitzt. Ich fühle mich eher wie Miss Piggy oder eine überdimensionierte Sahnetorte mit pinkem Zuckerguss überzogen. Nach zwei Runden Schunkeln hat mein Gesicht die Farbe des Kleides angenommen, und durch das Ensemble aus Schweiß, Rosa und Rüschen hat sich das Bützchen-Problem wohl auch von ganz allein erledigt. Frischhaltefolie ist wahrscheinlich atmungsaktiver als dieses rosafarbene Kleid, das sich anfangs als "traumhaftes Modell Märchen-Prinzessin" tarnte.

Dabei war die Euphorie am Anfang so groß. Endlich einmal eine richtige Prinzessin sein - ein Traum aus früher Kindheit sollte wahr werden. Damals musste ich immer die Kostüme tragen, aus denen mein älterer Bruder rausgewachsen war - ich war also an Karneval meist in der Baubranche oder im Actiongenre tätig.

Der pompöse Auftritt sollte 25 Jahre später also endlich gesichert sein. Das Kleid ist so lang, dass man grazil die eine Seite der Robe für den Treppenaufgang hochhalten muss - wie Sissi oder Cinderella. Theoretisch zumindest. In der Praxis sieht die Szene dann so aus: Ich hieve behäbig den rosa Satin-Haufen und mich die Treppe hoch - trete ein paar Mal auf den Stoff, verhake mich, drohe die Treppe runter zu fallen - und wirke so grazil, wie man mit hunderten von aufgebauschten Rüschen um die Hüften herum eben sein kann. Außerdem rieche ich nach Plastik, transpiriere wie nach einem Marathon - und nehme auf der Tanzfläche den Platz für drei Jecken ein. Wir, mein Kleid und ich, sind einfach überall im Weg. Das Prinzessinnen-Kostüm verlangt höchste Konzentration und Koordination. Und trotzdem fange ich die Blicke meiner Umgebung auf: Mit leicht hochgezogenen Augenbrauen mustern mich die anderen Kneipenbesucher. Ich kann ihre Gedanken schon erahnen: "Die hat irgendwas zu verarbeiten. Muss in dem Alter noch Prinzessin spielen." Dabei geht für mich endlich ein Kindheitstraum in Erfüllung - und es fühlt sich plötzlich eher wie ein Alptraum an. Aber optisch ist der Prinzessinnen-Dress auf jeden Fall ein Hingucker. Von Elfi Vomberg

 Alt und Krokodilschnauze - das passt offensichtlich nicht zusammen.

Alt und Krokodilschnauze - das passt offensichtlich nicht zusammen.

Foto: Endermann, Andreas

Krokodil hatt's beim Trinken schwer

 Die Prinzessin kämpft sich mühsam die Stufen hoch.

Die Prinzessin kämpft sich mühsam die Stufen hoch.

Foto: Endermann, Andreas

Tabaluga, Schnappi und "Puff, the magic dragon" - diese Spitznamen haften mir an diesem Abend an. Kein Wunder, denn mit dem Krokodil-Ganzkörper-Kostüm sehe ich tatsächlich aus wie eine Mischung aus Monster von Loch Ness und dem kleinen Krokodil aus dem Kinderlied. Auf dem Kleiderbügel sah die Faschingsrobe noch ganz schneidig aus, doch ob sie einen Abend in der Karnevals-Hochburg Düsseldorf überlebt, das muss sich erst noch zeigen.

Das Anziehen ist in Rekordzeit erledigt: Keine zwei Minuten, und ich sehe aus wie ein Jeck. Den Reißverschluss am Bauch zugezogen und fertig. Meine Schuhe schauen unten aus dem Kostüm heraus und werden von angenähten Kroko-Füßen überdeckt. Eine Sekunde lang überlege ich, was ich nach dem dritten Altbier machen werde, wenn die Blase um Erleichterung bittet. Doch darum muss ich mich später kümmern.

Die praktische Seite eines solchen Ganzkörperkostüms ist mir jedenfalls bald klar: Meine Alltagsklamotten kann ich anbehalten - denn in dem Kroko ist genug Platz. Und so geht es auf ins Getümmel, ohne zu frieren. Keine Jacke stört die Wildtierimitation, denn die wird drunter statt drüber getragen. Bis, ja, bis es in die Kneipe geht.

Keine zwei Sekunden bin ich in einem geschlossenen Raum, und schon stehen mir Schweißperlen auf der Stirn. Der Polyesteranzug schließt die Hitze perfekt ein - wie eine tragbare Mini-Sauna. Gegen die Hitze hilft nur ein kühles Altbier. Doch mit der Kroko-Schnauze, die mir ständig im Gesicht hängt, ist es gar nicht so leicht, den Kellner zu sehen. Eigentlich sehe ich nur Zähne. Gut, dass der Kellner mein Leid auch erkennt, ohne mein trauriges Gesicht zu sehen, und mir ein Glas in die Hand drückt. Doch bevor meine Lippen das Glas berühren, hängt die Kroko-Schnauze fast darin. Schnauze anheben ist die Lösung. Oder ich streife den Kopf einfach komplett ab und lasse ihn wie eine Kapuze hinten auf meinem Rücken baumeln. Doch was ist das? Kaum will ich mich hinsetzen, zerrt der herunterhängende Kopf an mir.

Immer wieder ermahne ich mich auf dem Weg zur Damentoilette, an den Kroko-Schwanz zu denken. Der soll nämlich nicht in der Kloschüssel landen. In der Kabine wird es ganz schön eng. Erst muss der Reißverschluss am Bauch geöffnet werden, dann die Arme raus aus dem Kostüm - und dann ist es nicht der Krokodilschwanz, der fast in der Toilette hängt, sondern der gesamte Oberkörper des Reptils. Bevor das passiert, ziehe ich das unpraktische Kostüm doch besser kurz aus und wieder an - geht ja in Rekordzeit. Praktisch hingegen ist, dass das Kostüm die Herrenwelt davon abhält, um ein Bützchen zu bitten: Erstens kann man sein Gesicht wunderbar unter der Schnauze verstecken, und zweitens besteht die Gefahr, dass genau diese dem Gegenüber beim Bützen ein Auge auspiksen könnte. Das Fellkostüm ist zumindest für den kühlen Straßenkarneval das perfekte Outfit. Von Jessica Kuschnik

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