Rosenmontagszug 2023 in Düsseldorf Über Cancel-Culture, Putin und einen „Mullarsch“ - die Mottowagen
Update | Düsseldorf · Wladimir Putin wird im Düsseldorfer Rosenmontagszug gleich auf zwei Mottowagen karikiert. Marie-Agnes Strack-Zimmermann springt dem Kanzler in den Rücken. Das sind Jacques Tillys zwölf Motive 2023.
Die Mottowagen beim Rosenmontagszug 2024 in Düsseldorf
Viele Staatsverbrecher hat Jacques Tilly kommen und gehen sehen und sie gebührend für ihre Taten gebrandmarkt. Wladimir Putin aber hat sich für den Wagenbauleiter des Düsseldorfer Karnevals zum grausamen Dauergast entwickelt. Im Rosenmontagszug 2023 badet der Kriegsherr aus dem Kreml im ukrainischen Blut, die Badewanne ist blau-gelb. Es ist das so deutliche wie eingängige Motiv des diesjährigen Umzugs, das um die Welt gehen dürfte – und es ist der Mottowagen Nummer zehn für den russischen Präsidenten. Nummer elf zeigt ihn mit sechs Armen, auf denen das Wort Nazis steht. Die Arme zeigen in alle Welt, denn die Bösen sitzen ja immer woanders. In der Nato, in Europa und natürlich in der Ukraine.
Seit 2000 ist Putin Präsident, 2009 hatte er im Rosenmontagszug Premiere. Dies spiegelt, wie sich der Machthaber immer mehr radikalisiert hat. Das erste Mal auf zwei Mottowagen war er 2014 dabei. Da ging es um den Schwulenhass in Russland, den Staat und Kirche propagieren: Putin und der Metropolit der orthodoxen Kirche gaben sich damals einen innigen Zungenkuss. Berühmt geworden ist 2014 ein anderes Motiv: Putin mit dickem Bizeps, der zur explodierenden Bombe wird. Auf dem Muskel stand das Wort Krim.
Wie der seit einem Jahr andauernde Krieg heute die Politik dominiert, ist an dem Umstand ablesbar, dass es im Rosenmontagszug dieses Jahres drei weitere Wagen gibt, die ohne den Feldzug nicht denkbar wären. Der eine zeigt die Düsseldorfer FDP-Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann als gehörntes Tier, das dem Kanzler ins Kreuz springt, so dass dieser schmerzverzerrt das Gesicht verzieht. „Scholz der Zauderer“ steht auf der Figur und gemeint ist damit die Debatte um deutsche Panzer für die Ukraine.
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Die Bundeswehr selbst ist in einem erbärmlichen Zustand. Das legt der Wagen nahe, auf dem ein Soldat oben im Panzer sitzt und unten in die Pedale tritt, damit die olle Kiste vorwärts kommt. Und da gibt es noch den grünen Krötenminister Robert Habeck, der gleich drei der Tiere zu schlucken hat: Atomkraft, Aufrüstung und Gas aus Diktaturen ist auf den Tieren zu lesen.
Der Krieg rückt manches andere Unrecht in den Hintergrund. Die brutale Herrschaft der iranisches Mullahs aber ist ein Thema im Zug und wenn es käme, wie Tilly das Motiv entwirft, wäre der Tod Mahsa Aminis nicht umsonst gewesen. Einer der religiösen Führer des Iran verfängt sich im langen Haar einer Frau, auf dem „Free Iran“ zu lesen ist. Was Tilly von ihnen hält, steht auf dem Turban: Mullarsch. „Das muss so sein“, sagt der Wagenbauer, „das schreiben wir, selbst wenn wir eine Fatwa kriegen.“
Die katholische Führungsetage findet sich beim Kirchenkritiker Tilly immer wieder im Skizzenblock. Kardinal Woelki hätte schon vor zwei Jahren im Düsseldorfer Zug zu Ehren kommen sollen, aber aus der Premiere wurde nichts. Warum, zeigt ein anderer Mottowagen: 2021 und 2022 fiel der närrische Lindwurm der Corona-Krise zum Opfer. 2023 klappt es nun mit dem Woelki-Wagen. Der Kirchenfürst klammert sich darauf an einen Turm des Kölner Doms, der aber jeden Moment abzubrechen droht, so stark wirken die Kräfte des Missbrauchsskandals.
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Ebenfalls destruktiv ist die Langzeitwirkung des Brexit, den Tilly schon mit mehreren Motiven aufgespießt hat. Auch in diesem Jahr ist eine Fußgruppe aus Großbritannien im Zug dabei, diesmal begleitet sie die zum Skelett abgemagerte Miss Brexit 2023. Die strahlt immer noch, was beweist, dass man sich lange gutgelaunt in die Tasche lügen kann. Der Wagen soll wie so mancher Vorgänger zu diesem Thema auch auf der Insel durch die Straßen ziehen.
Ein anderes Kirchenthema wird in Düsseldorf diskutiert und ist der diesjährige Mottowagen mit lokalem Bezug. Die Unterstützung des Evangelischen Kirchentags 2027 in der Landeshauptstadt mit fast sechs Millionen Euro aus der Stadtkasse wird von einem Bündnis, in dem sich auch Tilly und seine Frau engagieren, bekämpft. Es soll gegen diese Finanzspritze ein Bürgerbegehren geben. Auf dem Mottowagen kippt der Bergische Löwe als Düsseldorfer Wappentier das Geld in die Flammen.
Der Wagen zu den Klimaklebern der letzten Generation wurde bereits am Freitag vorgestellt – in der Hoffnung, damit Proteste der Aktivisten gegen den Zug zu verhindern. Dieser Plan ist aufgegangen. Tilly hatte noch am Wochenende versucht, mit den Aktivisten in Kontakt zu kommen, hatte dabei aber kein Glück. Umso erleichteter war er, dass der Zug seinen Weg ohne große Unterbrechung schaffte.
Last, not least: Die Cancel-Culture, die mit dem Vorwurf der kulturellen Aneignung auf Verbotstour ist, bringt Tilly in folgendes Bild: Ein Narr, der sich mit Federschmuck kostümiert hat, wird von einem indigenen Einwohner Amerikas mit Federschmuck (vulgo nicht nur im Karneval: Indianer) angegangen, der wiederum von einem Vogel, der sehr ähnlich aussieht, wutentbrannt kritisiert wird.
In den nächsten Tagen werden Tilly und sein Team wieder die Internetauftritte von Medien in aller Welt auswerten. Die politischen Wagen aus Düsseldorf sind längst zum Exportschlager für die Landeshauptstadt geworden und prägen ihr Image mit. Über den Rosenmontagszug vor der Pandemie 2019 gab es in Medien aus mehr als 100 Ländern 1500 Veröffentlichungen.
