Düsseldorfer Wagenengel berichtet vom Rosenmontagszug „Mir wären auf der Kö fast drei Kleinkinder unter die Räder gekommen“

Düsseldorf · Auf der Jagd nach Kamelle und Schokolade achtet so manches Kind nicht mehr auf Gefahren. Ein Düsseldorfer Wagenengel berichtet von brenzligen Situationen und hat eine ganz klare Bitte an Eltern.

 Marcel Schimpe (zweiter von rechts) mit den anderen Wagenengeln der „Hötter Jonges“ am Rosenmontag in Düsseldorf.

Marcel Schimpe (zweiter von rechts) mit den anderen Wagenengeln der „Hötter Jonges“ am Rosenmontag in Düsseldorf.

Foto: RPO/Privat

Marcel Schimpe hat schon einige Jahre Erfahrung als Wagenengel bei großen Karnevalsumzügen. Mit seinen Kollegen war der 47 Jahre alte Düsseldorfer am Rosenmontag bei der Karnevalsgesellschaft „Hötter Jonges“ im Einsatz, um die Räder der Wagen zur Seite abzuschirmen. Doch auf der Jagd nach Kamelle wurde es vor allem für Kinder immer wieder gefährlich, wie Schimpe erzählt. „Es war diesmal extrem schlimm vor allem mit den kleinen Kindern“, sagt er. Schimpe war an der hinteren Deichsel des Wagens und musste immer wieder Kinder zur Seite schieben oder regelrecht zupacken, damit kein Kind unter die Räder gerät. „Ich hab die nur noch geschnappt, hochgehoben und zur Seite gestellt“, sagt er. „Der Wagen rollte ja.“ Die Kinder seien drei oder höchstens vier Jahre alt gewesen.

Am Abend veröffentlichte Schimpe auf Facebook ein Statement im „Nett-Werk Düsseldorf“, das inzwischen mehr als 1000 Likes hat. „Mir wären heute auf der Kö fast drei Kleinkinder unter die Räder gekommen“, heißt es darin. Gerichtet an alle Eltern schrieb er: „Versucht euren Kindern ab einem gewissen Alter zu erklären, dass es gefährlich ist, Kamelle zu nah am Karnevalswagen zu sammeln.“ Als Wagenengel müsse er zwar den 360-Grad-Blick haben, aber „hätte ich nicht so eine gute Reaktion gehabt, müssten jetzt drei Familien eine Beerdigung planen“.

Die Reaktionen auf das Posting fielen ganz unterschiedlich aus. „Eine Frau meinte, es sei doch meine Aufgabe als Wagenengel, Unfälle zu verhindern“, sagt Schimpe. „Aber viele andere stimmen mir auch zu, dass es doch eigentlich die Aufgabe der Eltern ist, darauf zu achten, dass ihre Kinder nicht einfach auf die Straße rennen.“ Er habe sich am Rosenmontag immer wieder gefragt: „Wo sind die Eltern?“

Er will seinen Kommentar nicht als Vorwurf verstanden wissen, sondern als Appell. „Ich weiß, dass Kinder gerade in solchen Situationen schwer zu bändigen sind“, sagt er. „Aber die Eltern sind hier in der Pflicht, den Kindern zu erklären, dass sie auf dem Bürgersteig bleiben müssen, bis der Wagen durch ist.“

Hans-Peter Suchand vom Comitee Düsseldorfer Carneval sagt: „Es ist kein generelles Problem, sondern es sind immer Einzelfälle, in denen Eltern sehr unvernünftig sind.“ Das Comitee richte sich immer wieder an Eltern, sich als Zuschauer mit Kindern eher Stellen am Zugweg auszusuchen, die nicht so eng sind wie etwa der Bereich an der Königsallee. „Wenn mehr Platz ist, können die Kinder auch in Ruhe und gefahrlos Süßigkeiten aufsammeln“, sagt Suchand.

„In Köln haben wir damit eigentlich keine größeren Probleme“, sagt Tanja Holthaus vom Festkomitee Kölner Karneval. „Sicherlich sind die begleitenden Aufsichtspersonen hier in der Pflicht, denn Kinder können die Gesamtsituation oft nicht richtig einschätzen.“ Aber es gebe auch entlang der Zugstrecke Vorkehrungen für ein zusätzliches Maß an Sicherheit: „An jeder Wagenachse und bei jedem Pferd gibt es einen oder mehrere Begleiter, die Außenverkleidung der Wagen und Räder ist sehr tief über dem Boden, damit niemand darunter gelangen kann“, sagt Holthaus. Zudem gebe es an zu engen Stellen und in Kurven Absperrgitter. „Letztlich scheint ja aber auch in Düsseldorf das Konzept aufgegangen zu sein, denn im Notfall Schlimmes zu verhindern ist schließlich die Aufgabe der Wagenbegleiter.“

Es kommt immer wieder auch vor, dass Wagenengel selbst bei Zügen verletzt werden. In Halle ist am Montag eine 21-Jährige, die einen Motto-Wagen begleitete, überfahren und lebensgefährlich verletzt worden. Beim Kölner Rosenmontagszug 2002 verunglückte ein weiblicher Wagenengel tödlich: Die Frau war gestolpert und überrollt worden.

Die Sicherheitsbestimmungen bei karnevalistischen Großveranstaltungen in Nordrhein-Westfalen sind nach der Loveparade-Katastrophe im Jahr 2010 verschärft worden: So wurde die Zahl der benötigten Wagenengel erhöht, sie müssen zudem Warnwesten tragen, um gut erkennbar zu sein. Marcel Schimpe sagt: „Es ist letztlich am Montag nichts passiert, was ja gut ist. Aber das Ganze hat mich noch sehr beschäftigt, weil es in allen drei Fällen mit den Kindern wirklich knapp war.“

Die Polizei hat inzwischen für die Rosenmontagsumzüge im Rheinland eine positive Bilanz gezogen. Sie seien ganz überwiegend friedlich und ohne Zwischenfälle verlaufen, hieß es am Dienstag.

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