Hoffenheim wirft Ex-Nationalkeeper raus Der tiefe Fall des Tim Wiese

Düsseldorf · Tim Wiese ist endgültig aus dem Kader des abstiegsgefährdeten Bundesligisten 1899 Hoffenheim geflogen. Der tiefe Fall des ehemaligen Nationalspielers endet damit in der Isolation – Wiese darf nicht einmal mehr mit der Mannschaft trainieren. Dabei träumte er von einer großen Zukunft mit den Kraichgauern.

DFB-Pokal 12/13: Debakel bei Wiese-Debüt für Hoffenheim
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Tim Wiese ist endgültig aus dem Kader des abstiegsgefährdeten Bundesligisten 1899 Hoffenheim geflogen. Der tiefe Fall des ehemaligen Nationalspielers endet damit in der Isolation — Wiese darf nicht einmal mehr mit der Mannschaft trainieren. Dabei träumte er von einer großen Zukunft mit den Kraichgauern.

Der Absturz von Tim Wiese begann bereits, bevor der Torhüter überhaupt das erste Spiel für seinen neuen Verein absolviert hatte. Nachdem Werder Bremen sich dazu entschloss, den Vertrag mit Wiese nicht zu verlängern, konnte sich der Keeper seinen neuen Arbeitgeber quasi aussuchen. Sogar Real Madrid soll Interesse an dem 31-Jährigen gehabt haben. Doch Wiese unterschrieb in Hoffenheim und entschied sich für die Provinz. Kraichgau statt spanische Metropole.

Traum von der Champions League

Und Tim Wiese wäre nicht Tim Wiese, wenn er nicht vor Beginn seines Engagements in Zuzenhausen große Töne gespuckt hätte. Er wolle mit Hoffenheim in der Champions League spielen, kündigte der ehemalige Nationaltorhüter nach Bekanntwerden seines Wechsels an. Große Pläne für einen Verein, der nach der starken Saison direkt nach dem Aufstieg im Jahr 2008 ins Mittelmaß der Bundesliga abrutschte. Damals, in der ersten Halbserie des Bundesliga-Neulings, sorgte Hoffenheim im Oberhaus für Furore und holte sogar die Herbstmeisterschaft, am Ende stand immerhin ein guter siebter Platz.

In den Folgejahren zeigte die Kurve nach unten: Dreimal in Serie belegte Hoffenheim trotz der Millionen von Mäzen Dietmar Hopp Platz elf. Zu wenig für die zugegebenermaßen übertriebenen Erwartungen des SAP-Chefs, der in Sinsheim eine neue deutsche Fußball-Macht heranzüchten wollte. Nach den Abgängen von Luiz Gustavo (2011 für 17 Millionen Euro zu Bayern München gewechselt) und Carlos Eduardo (2010 für 20 Millionen Euro zu Rubin Kazan gewechselt) wollte 1899 mit dem Transfer von Wiese eine neue Ära einleiten und die Bundesliga in der Art aufmischen, in der Hoffenheim es nach dem Aufstieg getan hatte.

Mit dem Pokal-Aus fing alles an

Doch gleich zu Beginn der Saison 2012/13 erhielten die Ambitionen der Hoffenheimer einen Dämpfer. 1899 schied nach einer desolaten Leistung beim Regionalligisten Berliner AK in Runde eins des DFB-Pokals aus. 0:4 lautete das Endergebnis aus Sicht der Kraichgauer. Es war der Beginn der Hoffenheimer Talfahrt und eines Trainer-Wechsel-Dich-Spielchens, das bis heute wenig fruchtbar war. Im Dezember 2012 wurde Markus Babbel entlassen, Interimstrainer Frank Kramer übernahm — allerdings nicht lange, denn am 18. Dezember wurde Marco Kurz als neuer Trainer installiert. Doch auch Kurz konnte den Niedergang der Hoffenheimer nicht stoppen: Die TSG steht auf einem direkten Abstiegsplatz und hat bereits fünf Punkte Rückstand auf den Relegationsrang 16.

Und Wiese spielte bei dem Absturz eine Hauptrolle. Der Torhüter leistete sich so viele Patzer wie noch nie in seiner Bundesliga-Karriere, mit 49 Gegentoren ist Hoffenheim die Schießbude der Liga. Schon zum Ende von Babbels Amtszeit war Wiese nicht mehr die Nummer eins. Der Druck auf die Verantwortlichen war so groß, dass sie Wiese nach einer 1:2-Niederlage bei Eintracht Frankfurt zur Nummer drei degradierten und am letzten Tag der Winter-Transferperiode in Heurelho Gomes einen neuen Torhüter verpflichteten. Zum Teil aus "Selbstschutz", wie es damals hieß, zum Teil aber auch, weil der neue Trainer Kurz nicht mehr mit Wiese arbeiten wollte.

Pöbeleien im Karneval und beim Handball

Der Frust über die bisherige Saison entlud sich bei Wiese dann in den vergangenen Wochen. Zuerst wurde er gemeinsam mit seinem Mannschaftkameraden Tobias Weis nach Pöbeleien auf der Toilette bei einer Karnevals-Party aus dem Saal geworfen, in der vergangenen Woche soll Wiese bei einem Spiel des Handball-Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen auffällig geworden sein. Bei beiden Zwischenfällen war angeblich Alkohol im Spiel.

Grund genug für Kurz und Manager Andreas Müller, Wiese endgültig aus dem Kader der Hoffenheimer zu verbannen. "Irgendwann ist es zu viel. Ich habe an Tim appelliert, sich professionell in der Öffentlichkeit zu verhalten. Das ist auch Bestandteil der Verträge der Spieler", sagte Müller am Donnerstag. Trainer Kurz ergänzte: "Dass Tim jetzt nicht mehr mit dem Team trainiert, ist die logische Konsequenz aus der Addition der Vorfälle."

Wiese darf ab sofort nicht mehr am Mannschaftstraining teilnehmen. Sein Abschied aus Hoffenheim im Sommer ist programmiert. Verhalten und Leistungen in der bisherigen Saison sind kein gutes Bewerbungsschreiben für einen neuen Verein. In Hoffenheim verdient Wiese geschätzte 3,5 Millionen Euro pro Jahr, sein Vertrag gilt aber nur für die Bundesliga. Bei einem neuen Arbeitgeber müsste Wiese finanzielle Abstriche machen, denn nach den Vorfällen ist sicher kein Klub mehr bereit dazu, ein solch fürstliches Gehalt zu bezahlen. Wo Wiese im Sommer landen wird, ist derzeit völlig offen. Ein Verein mit Champions-League-Ambitionen wird es aber sicher nicht mehr werden.

(seeg/areh/sgo/seeg/csi)
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