Düsseldorf Bauern und Haie — Im Veedel ist immer was los

Düsseldorf · Zum 127. Mal war gestern das Tonnenrennen. Seit vier Jahren beteiligen sich Familien aus Hamm am Zug der Nachwuchs-Narren.

 Als gefährliche Raubfische verkleideten sich die Familien aus Hamm, die am Samstag über die Kö zogen.

Als gefährliche Raubfische verkleideten sich die Familien aus Hamm, die am Samstag über die Kö zogen.

Foto: Andreas Bretz

Niederkassels Bauer Hilmar schiebt die Tonnen kurzerhand beiseite und platziert auf den beiden Karren jeweils zwei dicke Kissen. "Was hat er vor?", fragen sich die Zaungäste. "Wir haben uns eine Überraschung ausgedacht." Kaum hat er seinen Satz beendet, macht es sich Bäuerin Thea auf einer gut gepolsterten Karre bequem und wartet geduldig darauf von Prinz Michael über die Rennstrecke geschoben zu werden. Der Start hat sich verzögert, weil Ex-Venetia Anke Conti-Mica den Prinzen vor dem Wettlauf noch mit den bäuerlichen Accessoires — karierter Schal und Kartoffel — ausstaffiert hatte. Venetia Pia musste zuvor ihre Dessous um eine deftige Unterhose ergänzen.

Auf diese Weise gut gerüstet, starteten die Tollitäten — Bauer Hilmar mit Venetia Pia und Prinz Michael mit Bäuerin Thea auf ihren Karren — zum nunmehr 127. Niederkasseler Tonnenrennen. Wer Sieger war? Keiner, denn einträchtig trudelten die beiden närrischen Oberhäupter mit ihrer lebendigen Fracht ins Ziel, so dass Präsident Karl Hans Danzeglocke entschied: "Sieger ist der Spaß."

 Gefährlich sahen die großen und kleinen Haie aber nicht aus. Und manche durften es sich sogar im Kinderwagen gemütlich machen.

Gefährlich sahen die großen und kleinen Haie aber nicht aus. Und manche durften es sich sogar im Kinderwagen gemütlich machen.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Wie alle Jahre zuvor war der Wettlauf von Prinz und Bauer Höhepunkt des Straßenkarnevals in Niederkassel. Begonnen hatten Jux und Dollerei schon um 12 Uhr mittags, als sich 834 Teilnehmer, verteilt auf 32 Gruppen zum großen Veedelzoch formierten. Angeführt von einer beachtlichen Polizei-Eskorte und dem närrischen Dorfpolizisten Karl-Heinz Falenski bildeten die Kinder der Japanischen Internationalen Schule wie gewohnt die Spitze des Zuges, diesmal als kleine Samurais. Dahinter Zwerge, Schlümpfe, Hoppeditze, Hippies, Roboter, ja sogar eine stilechte Rokoko-Truppe mit einem kleinen Schönheitsfehler: Ein Teilnehmer hatte statt der passenden eleganten Schuhe "Klompe" an den Füßen — wie es sich bei diesem urigen Karneval gehört.

 Bauer und Prinz beim traditionellen Tonnenrennen in Niederkassel

Bauer und Prinz beim traditionellen Tonnenrennen in Niederkassel

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Gekrönt wurde der lange Narrenzug von dem Wagen des Kinderbauernpaares Ben und Lynn und dem "Burewagen" des Oberbauernpaares Hilmar und Thea. Nicht nur die ungewöhnliche Länge sorgte dafür, dass es in den engen Straßen klemmte. Vielmehr waren es die überwiegend maskierten Zaungäste, die mangels Platz immer wieder auf die Straße ausweichen mussten und so dem Zug in die Quere kamen. Mit Kind und Kegel waren sie angereist, was dann auch nicht wunderte an diesem wunderschönen Frühlingstag.

 Die Schlümpfe sind los — jedenfalls beim Umzug gestern Nachmittag in Niederkassel.

Die Schlümpfe sind los — jedenfalls beim Umzug gestern Nachmittag in Niederkassel.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Mit Helau und noch mehr Trän drop wurde der Zug dann auf der Niederkasseler Straße empfangen. Wer da nicht heiser vom vielen Rufen war, musste jetzt noch einmal tief Luft holen. Denn nun galt es, mit dem Schlachtruf der Prominenz zuzujubeln, die sich auf dem zur Tribüne umfunktionierten Rübenwagen drängelte. Und dann begann der Wettlauf mit Karre und Tonne, dessen Regeln vor 127 Jahren Altbauern festgelegt hatten, um die Dorfjugend mal richtig auf Trab zu bringen.

Gestern waren die Bauern aus Niederkassel aktiv, am Samstag eine Gruppe von Haien. Zum Haifischbecken hat sich eine Gruppe von mehr als hundert Kindern nebst ihren Eltern zum Kinderkarnevalszug auf der Kö aufgemacht. Doch es gab keinen Grund zur Sorge: Der Schwarm von großen und kleinen Hammerhaien hatte Friedliches im Sinn: Karneval feiern. Die "Meeresbewohner" stammen in Wahrheit aus Hamm und sind eine Gruppe von jungen Familien, die seit vier Jahren zur Narrenzeit stets ein neues Motto ersinnen, ihre Kostüme allesamt selber nähen und einen eigenen Wagen bauen, um dann mit großem Tross im Zug mit durch die Stadt zu ziehen. Die Hammer dürfen sich mit Recht zu den Knallern des Umzugs zählen.

Alles hatte damit angefangen, dass sich Silvia Vossen mit ihren beiden Kindern vor einigen Jahren den Umzug auf der Kö ansah und beschloss: "Da will ich auch mitziehen." Im heimischen Hamm scharte sie gleichgesinnte Familien um sich, die sofort von ihrer Idee angetan waren. Was in Hamm kein Problem zu sein scheint, denn dort gibt es eine ganze Reihe an jungen Familien, von denen sich viele in einer Spielplatz-Initiative engagieren und zuletzt einen kompletten Weihnachtsmarkt auf die Beine gestellt haben.

"2011 waren wir ,der Hammer', 2012 die ,Hamm-Marsianer', 2013 ,Hammburger' und jetzt sind wir eben als ,Hammerhaie' gegangen", berichtet Vossen. Harter Kern bei der Ausarbeitung dieser Ideen ist eine Frauengruppe, die sich einmal im Monat in der Dorfgaststätte zum Stammtisch trifft. Nachdem das Motto gefunden ist, werden Schnittmuster entworfen und an interessierte Familien mit Kindern weitergegeben. Und immer mehr Familien machten zuletzt mit. "Ein einzelnes Kostüm darf dabei nicht mehr als ein paar Euro kosten", sagt Vossen. Denn es soll für die Familien nicht zu teuer werden." Die Kinder werden übrigens in die Kostümherstellung aktiv mit eingebunden.

Eine feste Männertruppe übernimmt derweil den Wagenbau. Rund 150 Stunden und mehrere Wochenenden wurden diesmal in den Hai-Wagen investiert. "Das geht schon ziemlich professionell dort zu", sagt Vossen, die selbst gelernte Bildhauerin ist. Generalstabsmäßig werden in der Gruppe übrigens auch alle anderen Aufgaben verteilt: von der Geldbeschaffung über das Plakatedrucken bis zur Anmeldung beim CC, die erforderlich ist, will man beim Kinderkarnevalszug teilnehmen. Am Samstag stand dann noch das Kamelle-Verladen an. Punkt 14 Uhr hieß es dann auf dem Schulhof des Görres-Gymnasiums: Die Haie sind los!

Die haben übrigens nach dem Umzug in der Altstadt weiter gefeiert. In dieser Woche gibt es wieder einen Stammtisch — mit der ersten Besprechung für 2015. Vossen: "Nach dem Zug ist vor dem Zug."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort