Menschen in Düsseldorf Transplantation an der Uniklinik — ein neues Herz mit 21

Düsseldorf · Julia Henning hatte lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen, es gab für sie nur eine Lösung: eine Transplantation an der Uniklinik Düsseldorf.

Julia Henning mit Professor Udo Boeken, der an der Uniklinik das Transplantationsprogramm leitet

Julia Henning mit Professor Udo Boeken, der an der Uniklinik das Transplantationsprogramm leitet

Foto: Marc Ingel

Julia Henning hat von Geburt an einen Gendefekt. Die ersten zehn Jahre ihrer Kindheit wusste sie gar nichts davon, „dann wurde er per Zufall entdeckt“, erzählt die 21-Jährige. Der Gendefekt löst Herzrhythmusstörungen aus, die anfangs noch beherrschbar schienen, in den vergangenen zwei Jahren aber immer schlimmer und lebensbedrohlicher wurden. „Zweimal hat mein Defibrillator ausgelöst, medikamentös war da nicht mehr viel Spielraum“, sagt die Betroffene.

Tachykardien werden diese bösartigen Herzrhythmusstörungen in der Fachsprache genannt, das Herz schlägt zu schnell und ist nicht mehr in der Lage, sauerstoffreiches Blut effizient durch den Körper zu pumpen. Julia hat sich damit auseinandergesetzt – und sich auch nach außen über Instagram mitgeteilt. Hat von den Sorgen, Ängsten, Schmerzen berichtet, von der vielen Zeit im Krankenhaus, von einem Urlaub, den sie trotzdem noch genießen durfte. „Ich konnte wider Erwarten das Meer für zwei Tage sehen, die Sonne auf meiner Haut spüren. Und ich habe alle Hindernisse mit meinen Freunden und meiner Familie gemeistert.“ Das war Ende 2020.

 Julia Henning

Julia Henning

Foto: Marc Ingel

Die Krankheit hat sich nicht von allein gebessert, wie auch? Das Wunder blieb aus. Auch auf aktuelleren Fotos sieht Julia immer noch strahlend schön aus, aber die Gewissheit rückte näher: Es wird nicht ohne Transplantation gehen, attestierten ihr die Ärzte an der Uniklinik. „Ich hatte mit meinem Leben eigentlich schon abgeschlossen. Dennoch war ich irgendwie immer optimistisch, ich hatte keine Panik und trotz allem Hoffnung. Ich wollte es nehmen, wie es kommt“, berichtet Julia.

Die 21-Jährige wurde auf die Dringlichkeitsliste für Transplantationen gesetzt. Und dann geschah das Wunder doch noch: Julia musste nur 13 Tage warten. „Am 10. Mai kam nachts eine Ärztin in mein Zimmer und sagte mir, dass es vermutlich ein passendes Spenderherz geben würde. Ich weiß nicht mehr, was überwog: Die pure Freude oder die Aufregung. Ich war auf jeden Fall total positiv gestimmt, denn mein Vertrauen in die Medizin ist stark.“ Einen Tag später war es dann tatsächlich so weit: Julia erhielt ihr „perfektes neues Herz, das von Anfang an nicht besser hätte schlagen können“.

Die ersten Tage nach der Operation waren natürlich nicht einfach, sie bekam starke Schmerzmittel, halluzinierte ein bisschen, musste am Rollator gehen. Doch mit jeder Stunde kehrte die Vitalität in Julias Körper zurück. „Es war ein Wechselbad der Gefühle: Ich bin so dankbar, dass jetzt ein Herz in mir schlägt, das funktioniert, und gleichzeitig demütig und traurig. Denn ich weiß natürlich, dass für mein Leben ein anderes Mädchen das ihre lassen musste.“

Dass Julia wieder eine echte Perspektive hat, ist gerade in Deutschland alles andere als selbstverständlich. „Die Situation hier ist letztlich katastrophal, so schlecht wie vielleicht nirgendwo anders in Europa“, sagt ihr Herzchirurg Udo Boeken. Der Leiter des Transplantationsprogramms an der Uniklinik kritisiert scharf, dass der Bundestag die Widerspruchsregelung Anfang 2020 abgelehnt hat. Demnach hätte gegolten (vereinfacht ausgedrückt), dass grundsätzlich jede Person als Organ- und Gewebespender infrage kommt, es sei denn, es liegt ein zu Lebzeiten erklärter Widerspruch oder ein entgegenstehender Wille vor. „Fast überall auf der Welt wird das so gehandhabt, bei uns nicht. Wir müssen als Ärzte die Eltern eines hirntoten Kindes ansprechen, ob wir seine Organe verwenden dürfen“, nennt der Mediziner ein drastisches Beispiel.

Im Fall von Julia ist Boeken nun jedenfalls froh, dass alles so gut geklappt hat. „Sie erholt sich toll und hat jetzt hoffentlich 25 bis 30 Jahre Ruhe.“ Eine eventuell notwendige zweite Transplantation soll so weit wie möglich hinausgezögert werden. „Der Körper lernt in der Regel, damit zu leben, Einschränkungen werden immer weniger und können auch ganz verschwinden.“ Boeken erzählt in diesem Zusammenhang immer gerne von einem Freund, Elmar Sprink, der nach seiner Herztransplantation Triathlet wurde – und erfolgreich am Ironman in Hawaii teilnahm.

Julia hat sich gerade zum ersten Mal die Haare wieder selbst gewaschen, jeden Tag soll die Physiotherapie ihr dabei helfen, ein wenig mobiler zu werden. Sie wartet auf einen Reha-Platz, danach hofft die studierte Sozialpädagogin wieder ganz normal in ihrem alten Job in der Kinder- und Jugendhilfe arbeiten zu können. Mit dem Tod beschäftigt sie sich nun erst einmal nicht mehr. „Ich will und werde leben. Mein neues Herz bedeutet für mich das größte Glück überhaupt. Jetzt lohnt sich jeder Schritt und Rückschritt auf meinem sicher noch steinigen Weg.“

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