Düsseldorf Jugendliche auf den Spuren der NS-Zeit

Düsseldorf · Die Mahn- und Gedenkstätte bietet in Gerresheim ein Geo-Caching-Projekt zu Widerstand und Verfolgung an.

 Auf den Spuren der NS-Zeit in Gerresheim: (v.l.) Felix, Lion, die Betreuer Tobias Theuerkorn und Uwe Augustin sowie Nils, Benedikt, Paul, Gustav und Julius.

Auf den Spuren der NS-Zeit in Gerresheim: (v.l.) Felix, Lion, die Betreuer Tobias Theuerkorn und Uwe Augustin sowie Nils, Benedikt, Paul, Gustav und Julius.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Die gute alte Schnitzjagd hat ausgedient, heute muss es mindestens ein GPS-Gerät sein, um Jugendliche für eine Idee zu begeistern, die Rätselspaß mit Wissensvermittlung verbindet. Eine solche hat die Mahn- und Gedenkstätte jetzt für Neun- bis 16-Jährige in Gerresheim umgesetzt. Geo-Caching nennt man das auf Neudeutsch.

"Es geht bei dem Projekt darum, bestimmte Fragen zu beantworten und dann die Antworten mit Hilfe verschiedener Codes in Koordinaten umzuwandeln, die - eingegeben in das GPS-Gerät - dann zu Stationen führen, wo die so genannten Cages von den Teilnehmern, die in Gruppen aufgeteilt sind, gefunden werden müssen", sagt Tobias Theuerkorn, Historiker bei der Mahn- und Gedenkstätte. "Die Cages wiederum sind in unserem Fall Dosen, die einen historischen, stadtteilbezogenen Inhalt wie Dokumente, Fotos oder Texte haben, die mit dem Zweiten Weltkrieg in Gerresheim in direktem Zusammenhang stehen", fügt Kollege Uwe Augustin hinzu.

So erfuhren die Jugendlichen im Verlauf der vier Stunden rund um die Basilika St. Margareta einiges über den Widerstand von Jugendlichen und Arbeitern gegen die Nationalsozialisten, insbesondere rund um die Glashütte, über die Verfolgung und Deportation jüdischer Gerresheimer, die Lebenssituation von Zwangsarbeitern, die Auswirkungen des Krieges auf die Menschen und ihren Stadtteil sowie die Befreiung von Düsseldorf.

Für die meisten der neun jungen Teilnehmer war der Umgang mit dem GPS-Gerät gestern kein Neuland. Lion besucht in der Schule eine Geo-Caching-AG, Gustav hat schon in den vergangenen Ferien an einem ähnlichen Projekt teilgenommen, Julius ist der Sohn von Uwe Augustin. Auch über die Geschehnisse während der NS-Zeit wussten die Jugendlichen erstaunlich gut Bescheid. Die Schrecken des Nationalsozialismus aber noch einmal mit konkreten Beispielen vor der eigenen Haustür in Verbindung zu bringen und etwas über die Schicksale von in Gerresheim lebenden Personen zu erfahren, bedeutete dann doch noch einmal eine deutliche Erweiterung des eigenen Horizontes. "Ihr müsst die Augen offenhalten für die Stadtgeschichte, irgendwo lauern die Antworten. Und das Wissen ist für euch bestimmt auch in der Schule von Nutzen", schickte Theuerkorn die Gruppen auf ihre kleine Reise.

Als Stationen, die mit Aufgaben verknüpft waren, wurden außer der Kirche St. Margareta auch der Heimatbrunnen und die Blutkapelle, die Alte Synagoge und die Stolpersteine im Stadtbild, ein Stollen im Wald sowie der Aloys-Odenthal-Platz ausgesucht. Fragen, die zu beantworten waren, drehten sich zum Beispiel um das jüngste Opfer des Bombenangriffs auf den Luftschutzbunker in Gerresheim oder lauteten schlicht: Wie nennt man den Priester der jüdischen Gemeinde, der in der Synagoge Gottesdienste abhält?

So lernten die Jugendlichen im Verlauf des Vormittags, dass Kaplan Bernhard Finke unter anderem wegen "des Unterlassens des deutschen Grußes" von der Gestapo verwarnt wurde. Der Pfarrer, Krankenhaus-Rektor und Religionslehrer Hubert Mennicken wurde wegen seines aufrührerischen Verhaltens auf Druck der NSDAP 1939 vom Generalvikariat sogar strafversetzt.

Tobias Theuerkorn hatte darüber hinaus ein altes Foto mitgebracht, das die 600-Jahr-Feier von Gerresheim auf dem Kirchplatz zeigte: Hakenkreuz-Beflaggung zeugt von der Propaganda-Maschinerie der Nazis, in die auch Kinder und Jugendliche eingespannt waren. "Außer der Hitlerjugend und dem Bund Deutscher Mädel waren alle Jugendorganisationen verboten", so der Historiker.

(RP)
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