Jazz Rally Düsseldorf Maya Fadeeva - ein musikalisches Chamäleon

Düsseldorf · Die Sängerin Maya Fadeeva präsentiert bei der Jazz Rally in Düsseldorf Songs ihres ersten Albums „Chamëleon“. Den Weg auf die Bühne fand sie über Umwege.

Maya Fadeeva vor einem Aquarium im Düsseldorfer Aquazoo. Die Sängerin ist fasziniert von Reptilien. Ihr erstes Album heißt „Chamëleon“.

Maya Fadeeva vor einem Aquarium im Düsseldorfer Aquazoo. Die Sängerin ist fasziniert von Reptilien. Ihr erstes Album heißt „Chamëleon“.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Als Maya Fadeeva ein Teenager war, hatte sie einen Skorpion. Eines Tages wusste sie nicht, wohin mit dem Skorpion-Futter – 50 lebende Heuschrecken. Also steckte sie die Schachtel mit den Insekten kurzerhand zu ihrem Haustier ins Terrarium. Als sie am nächsten Morgen nachschaute, waren vom Skorpion nur noch die Kneifer und der Schwanz übrig.

Diese Geschichte erzählt die 32-Jährige mit dem üppigen Lockenkopf, während wir durch den Aquazoo spazieren. „Ist das schön hier“, ruft Fadeeva. Sie liebt Tiere, neben dem unglücklichen Skorpion besaß sie als Kind Hamster und Mäuse. „Und Pferde sind sowieso die Coolsten“, sagt sie.

Aber vor allem Reptilien findet sie faszinierend. Lange bestaunt sie das Krokodil, das reglos am Rand des Wasserbeckens liegt. „Das sind so andere Wesen als wir Menschen“, sagt sie schließlich. „Fast wie Roboter wirken sie auf mich.“ Zu ihrem Schutztier hat sie aktuell allerdings ein anderes Reptil erkoren, ein wandelbares Tier, das sich seiner Umgebung perfekt anpasst – das Chamäleon.

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„Chamëleon“ heißt Fadeevas erstes Album, das im April 2018 erschien. Es ist das Ergebnis einer langen Reise zu sich selbst – denn Maya Fadeeva war nicht immer die strahlende, offene junge Frau, die an diesem Tag durch den Aquazoo spaziert. Geboren wurde sie 1987 in St. Petersburg. Die Mutter arbeitete als unterbezahlte Chemikerin, der Vater, ein Radioingenieur, wäre lieber Musiker geworden. Als Maya drei Jahre alt war, zeigte er ihr, wie sie sich mit einem Kassettenrekorder selbst aufnehmen konnte. „Ich habe mich tagelang damit beschäftigt“, erinnert sie sich. „Die Aufnahmen gibt es noch. Ich singe immer wieder die gleichen Songs.“

Ihre Kindheit hat sie als nicht besonders glücklich in Erinnerung. Sie wird auf eine Hochbegabtenschule geschickt, leidet unter strengen Klavierlehrern, die sie ständig bestrafen – auch körperlich. Mit acht Jahren ziehen ihre Eltern mit ihr zu Verwandten nach New York. Der Neuanfang endet unglücklich. Die Eltern trennen sich. „Ich habe mich geschämt, weil ich kein Englisch konnte“, sagt Fadeeva. „Ich war immer der Außenseiter.“

Die Mutter kehrt mit ihr nach Europa zurück. Ein Jahr leben sie in Holland, dann ziehen sie nach Bonn. Die vielen Umzüge bringen Maya Fadeeva dazu, sich immer mehr abzukapseln. „Ich habe die Schule gehasst“, sagt sie. „Ich habe mich nirgendwo wohl gefühlt. Es war, als ob ich in einer Blase lebte.“ Die Beziehung zur Mutter ist ebenfalls nicht einfach.

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Ein Trost ist die Musik. Sie besitzt ein Klavinova, das Instrumentalversionen von Songs abspielen kann – eine Hälfte Klassik, die andere Hälfte Jazz. Maya bringt sich die Gesangsparts bei. Jazz kennt sie schon aus ihrer Kindheit – aus dem Fernsehen. Stundenlang hat sie Wiederholungen von Tom&Jerry geschaut, weil ihr die Swing-Musik von Scott Brad­lee im Hintergrund so gut gefällt.

Daran, Musikerin zu werden, denkt sie damals noch nicht. „Ich hatte solche Angst vor Menschen“, sagt sie. „Ich wäre gar nicht in der Lage gewesen, auf einer Bühne zu stehen.“ Stattdessen macht sie eine Ausbildung zur Grafikdesignerin an der Glasfachschule Rheinbach. „Die Schule ist wunderbar“, meint Fadeeva heute, „aber das Fach war überhaupt nicht mein Ding.“

Sie sei so unglücklich gewesen, dass sie manchmal Schmerzen in der Brust empfunden habe. Fragt man sie heute, was sie aus diesem Loch geholt hat, sagt sie: Spiritualität und Beratung. „Ich glaube daran, dass jeder Mensch einen wunderschönen Kern hat. Er ist verschüttet von schlimmen Erfahrungen und falschen Glaubenssätzen. Wir können nur glücklich werden, wenn wir uns von diesem Ballast befreien.“

Während ihrer Ausbildung lernt sie eine Gruppe Musiker kennen. „Die haben mich gehört und fanden meine Stimme toll“, erinnert sie sich. „Also haben sie mich eingeladen, mit ihnen auf ein paar Hochzeiten zu spielen.“ Schnell verdient Fadeeva mit Musik das Doppelte von ihrem Bafög. Ihr wird klar: Sie hat eine Zukunft als Sängerin.

Seitdem ist viel passiert. Maya Fadeeva hat alle Songs aus der Schublade geholt, die sie geschrieben hat, seit sie sieben war. Sie hat die Kompositionen überarbeitet, erweitert und sie mit Musikerfreunden aufgenommen – bis schließlich das erste Album fertig war.

In Maxim Illion vom Musikerduo Club des Belugas hat sie den Produzenten gefunden, der ihren Traumsound herstellen kann: minimalistisch, transparent, mit fetten Beats, Elektro-Elementen und einer großen Portion Oldschool-Swing. Einige Songs des Albums wie „Fire“ oder „Fingersnap“ sind übrigens in Düsseldorf entstanden, wo Fadeeva in den zwei Jahren lebte, bevor ihr Album erschien. „Ich habe in Oberkassel gewohnt und war mit dem Fahrrad in zehn Minuten am Rhein. Dort am Strand habe ich gerne gesessen und Ideen für neue Stücke gesammelt“, sagt sie.

So ist das Konzert am 9. Juni bei der Jazz Rally eine Rückkehr in die alte Heimat. Mit ihrer Band spielt sie Songs vom Album und einige Cover in besonderen Versionen. „Vielleicht gibt es auch ein paar neue Songs von mir“, sagt sie. Als Sängerin will sie sich nicht in eine Schublade sortieren lassen, mit allen Genres spielen, die sie so liebt. Eben wie ein Chamäleon.

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