Interview zu Frauen als Führungskräften „Eine Frau als Rheinbahnchefin? Das ist gar nicht so revolutionär!“

Düsseldorf · Sabine Hansen (48) ist Personalberaterin – und hat sich darauf spezialisiert, Frauen in Führungspositionen zu vermitteln. Im Interview beim Kö-Spaziergang spricht sie darüber, was Frauen brauchen, um aufzusteigen.

 Sabine Hansen sagt: „Ich finde, Düsseldorf ist eine faszinierende Stadt.“

Sabine Hansen sagt: „Ich finde, Düsseldorf ist eine faszinierende Stadt.“

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Wie oft hat eine Führungsfrau wie Sie eigentlich Zeit für einen Kö-Spaziergang?

Gefühlt extrem selten. Manche Termine führen in die Nähe der Kö – dann baut man sich vielleicht sogar einen Puffer ein und schafft es, in das ein oder andere Geschäft zu springen.

Sind Sie gerne hier?

Ja, sehr gerne. Ich finde, Düsseldorf ist eine faszinierende Stadt. Einerseits Kleinstadt, andererseits Weltstadt. Eine tolle Mischung, die hat man selten in einer Stadt.

Aber Sie wohnen nicht hier?

Ich wohne im Umland, in Mönchengladbach. Auf dem Bökelberg – ich wohne praktisch in einer Kultstätte. Aber ich arbeite seit über 20 Jahren in Düsseldorf.

Sollen wir einfach die Kö einmal rauf und wieder runter?

Sehr gerne.

Sie stammen aus der Region.

Aus Krefeld. Ich habe zwar viel für internationale Unternehmen gearbeitet, war auch mal eine Zeit lang in den USA, aber es hat mich immer wieder hierher gezogen.

Wie sind Sie aufgewachsen?

Meine Mutter war für mich die prägende Figur. Sie hatte mehrere Friseursalons, sie war selbstständig. Ich bin an der Ladenkasse aufgewachsen und musste mit anpacken. Das hat mich zur Selbstständigkeit erzogen. Ich wusste früh, was ich will.

Und was wollten Sie?

Das Handwerk – obwohl ich das immer geschätzt habe – war nichts für mich. Ich wollte immer etwas mit Zahlen und Betriebswirtschaft machen. Kurz habe ich auch überlegt, Vermarktungskonzepte für Friseursalons zu entwickeln. Aber mein großer Traum war eigentlich, Stewardess zu werden.

Und?

Ich hatte das heißersehnte Vorstellungsgespräch bei der Lufthansa. Das war 1989. Ich war 19. In dieser Zeit wurde man dazu von Düsseldorf nach Frankfurt geshuttlet. Mein erster Flug – und ich musste feststellen: Ich habe Flugangst.

Oh nein!

Es war ein wackliger Flug. Ich war dann trotzdem da, hatte eine Zusage – und habe mich dann am Ende anders entschieden. Später bin ich dann trotzdem viel geflogen. Aber ich bin froh, es nicht zum Beruf gemacht zu haben. Auch wenn es eine Zäsur war – ich hatte mich so drauf versteift.

Wenn Sie damals doch Stewardess geworden wären, hätten Sie vielleicht Ihre Flugangst überwunden – aber dann wären Sie jetzt nicht hier.

Das ist so.

Die Kleidung, an der wir hier auf der Kö vorbeilaufen, ist eher Kunstwerk als praktisch zum Anziehen, oder?

Fürs Auge immer sehr spannend, aber ist das alltagstauglich? Ich trage auch gerne Kleider oder Hosenanzüge, aber es muss praktisch sein. Gut, dass der liebe Gott oder clevere Modeschöpfer das Elastan erfunden haben!

Wie eine Frau sich im Business-Kontext anzieht, ist immer noch mehr ein Thema als bei Männern, oder?

Aber auch bei Männern wird die Welt kritischer. Was gar nicht geht: Männer lassen die Krawatte weg – war per se gar nicht schlimm ist. Aber dann hat man bei manchen den ungehinderten Blick auf die Feinripp-Unterwäsche, die sich unterm Hemd abzeichnet. Sieht nicht attraktiv aus!

Und bei Frauen?

Frauen haben das Problem immer. Ist der Rock lang genug? Fühle ich mich bei meiner Präsentation darin wohl? Muss ich bei der Podiumsdiskussion auf einem Hochstuhl sitzen? Ich glaube, als Frau ist man sich über die Signalwirkung von Kleidung noch mehr bewusst als die meisten Männer.

Sie als Personalexpertin sind mit allen Kniffen und Fauxpas bestens vertraut. Wenn jemand zum Bewerbungsgespräch reinkommt – wie schnell checken Sie dann ab, was derjenige trägt?

Das mache ich instinktiv. Ich schaue mir das Gesamtbild an. Und Kleinigkeiten, auf die man besonders guckt: das Schuhwerk, die Länge der Nägel. Wie grell ist jemand geschminkt? Wichtig ist doch, dass man gepflegt aussieht, aber trotzdem vor allem für das wahrgenommen wird, was man kann, und nicht, wie man aussieht.

Wie erklären Sie Ihren Kindern, was Sie tun?

Ich sage: Ich bin Personalberaterin. Ich helfe Menschen dabei, ihren nächsten Karriereschritt zu tun – und Unternehmen, Führungspersonen zu finden.

Warum braucht es jemanden, der das tut?

Weil es scheinbar immer noch zu schwer ist, jemanden zu finden, der zum Unternehmen und zur Firmenkultur passt. Klar kann ich heutzutage über die sozialen Netzwerke ein Posting machen – dann kriege ich viele Bewerbungen. Aber die sind eben völlig ungefiltert. Da kann sich die Personalabteilung selbst dransetzen. Aber schneller geht es mit einem professionellen Personalberater. Wir sprechen dann gezielt Menschen an.

Sie haben sich auf Frauen in Führungspositionen spezialisiert. Wie kam es dazu?

Nach 15 Jahren habe ich gesagt: Ich bin es leid, die einfache Lösung zu präsentieren – ich möchte Vielfalt zeigen. Ich habe so viele Briefings mit Kunden erlebt, die im Grunde eine Kopie von sich selbst gesucht haben. Mir war irgendwann wichtig, dass wir als Personalberater unseren Filter erweitern. Dass wir mit den Kunden darüber diskutieren, dass es Kandidaten gibt, die vielleicht andere Erfahrungen, andere Biografien haben – und gerade deshalb die Lösung für bestimmte strategische Fragen sein können. Am Ende haben wir gesehen: Teams mit einem guten Frauenanteil zeigen bessere Ergebnisse.

Das wird immer gern gesagt und es lässt sich sogar wissenschaftlich belegen – aber die Wahrheit ist natürlich auch: Heterogene Teams sind anstrengend.

Unterschiede erzeugen Reibung. Immer! Wenn einer mit Ecken und Kanten kommt oder eine, die scheinbar gar nicht ins Unternehmen passt, dann fallen Entscheidungen nicht mehr so leicht. Das kann anstrengend sein. Aber vielleicht sind gerade die Entscheidungsprozesse die besseren.

Düsseldorf sucht ja aktuell nach einer neuen Rheinbahn-Leitung. Ist es mal Zeit für eine Chefin in der Männerdomäne Nahverkehr?

Eine Frau als Rheinbahnchefin? So revolutionär, wie es sich auf den ersten Blick anhört, ist es gar nicht. Spätestens seitdem Sigrid Nikutta als Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe ihre Frau bei der dringend notwendigen Digitalisierung und damit auch der Automatisierung von Deutschlands größtem Nahverkehr steht, ist es in den Ratstuben angekommen, dass Spitzenjobs auch von Frauen gemacht werden können. Warum soll nicht auch in der Landeshauptstadt eine Frau den Verkehrsbetrieb leiten?

Sie selbst wollten Stewardess werden und sind heute Expertin für weibliche Führungskultur. Was ist dazwischen passiert?

Ganz viel. Ich habe verschiedene Abschlüsse gemacht: zur Diplomkauffrau, zum Master of Business Administration an der Kellogg School of Management in den USA. Eine prägende Zeit war auch, als ich mit Mitte 20 in einem Technologieunternehmen für die globalen Marketingprogramme verantwortlich war. Viele haben gesagt: Mein Gott, dass das in dem Alter schon geht. Aber ich hatte das Vertrauen von CEO Eric Schmidt, der später lange als Google-Chef gewirkt hat. Dadurch habe ich in relativ jungen Jahren schon große Verantwortung gehabt. Das hat mich unheimlich beflügelt – ich dachte, der Himmel steht mir offen.

Sie haben keine Angst gehabt?

Nein. Just do it – ask for forgiveness later, war mein Motto. Mach’s einfach, um Verzeihung bitten kannst du später. Ich habe auch Fehler gemacht…

Zum Beispiel?

Ich war verantwortlich für eine große Konferenz, musste Sponsorengelder einwerben. Mir ist da vieles geglückt, aber manchmal waren Gespräche auch nicht so gut und ich konnte die Geldgeber nicht überzeugen. Aber ich habe mich davon nie abhalten lassen, sondern immer neue Türen geöffnet. Das kommt besonders in den USA gut an: Lösungen präsentieren statt Probleme zu beschreiben.

So positiv und mit Machermentalität ausgestattet sind aber nicht alle. Gerade vielen Frauen ist das fremd.

Das ist so. Es gibt viele Frauen, die ihre Arbeit gut machen, aber nicht ins Rampenlicht wollen. Die offensive Art liegt ihnen nicht. Manchmal wird es auch im Firmenumfeld nicht goutiert. Aber auch diese Frauen wollen ihren Weg machen. Und auch sie brauchen entsprechende Programme.

Sie meinen, die Introvertierteren?

Ja, oder auch die inhaltlich Orientierten.

Sollen wir mal die Kö-Seite wechseln?

Ja, wir gehen mal auf die schicke Bankenseite. – Also die, die sachlich arbeiten wollen, statt für sich zu werben. Sie müssen auf Kulturen treffen, die systematisch Talente befördern. Es ist leicht, die zu bemerken, die ständig laut trommeln. Aber es muss ein Gleichgewicht geben zu denen, die ihren Job gut machen.

Sind wir auf einem guten Weg dahin?

Nicht flächendeckend. Ich glaube, es braucht Programme, die dabei helfen. So wie die „Initiative Women Into Leadership e.V.“ (IWiL), die ich gegründet habe. Wir müssen dahin kommen, die echten Perlen im Unternehmen ins Licht zu zerren. Ohne Schaufenster geht es nicht. Performance ist häufig nicht das Thema. Die Leistung von Frauen ist da, die wird auch anerkannt. Aber Frauen drängeln sich oft nicht nach vorne und präsentieren sich. Außerdem mangelt es an internem Netzwerk.

Dabei sind Frauen doch meist recht kontaktfreudig.

Ich rede nicht davon, mit der besten Freundin zum Lunch zu gehen oder sich mit dem Chef gut zu verstehen. Man muss die relevanten Stakeholder im Unternehmen kennen. Habe ich Bündnisse zu denen geknüpft, die darüber entscheiden, ob ich den nächsten Schritt machen kann? Eine gute Idee ist auch, mal inhaltlich den Bereich zu wechseln, raus aus der Komfortzone. Je mehr ich andere Bereiche kenne, desto leichter fällt der Weg nach oben.

Was Sie beschreiben, sind Tipps, die sowohl für Männer als auch für Frauen gelten. Aber aus irgendeinem Grund scheinen viele Männer sie schon verinnerlicht zu haben, während man sie Frauen wieder und wieder geben muss. Warum ist das so?

Ich glaube, wir wollen irgendwie immer noch ein bisschen entdeckt werden. Das ist etwas pauschalisierend beschrieben. Aber ich frage beispielsweise unsere IWIL-Mentees oft: Hast du mal über deine eigene Nachfolge nachgedacht? Wenn man dich befördert, wer kann dann dein Nachfolger sein? Dann gucken mich alle erst mal mit großen Augen an. Dabei ist es oft so: Man macht erst den nächsten Schritt, wenn man seinen Nachfolger benennen kann. Proaktiv.

Haben Sie das auch so gemacht?

Ja. Wenn ich den Platz freigemacht habe für jemanden, war das nie zu meinem Nachteil. Weil das auch zeigte: Ich habe ein tolles Team. Zur Führung gehört auch, dass ich andere nachziehe. Das erwarte ich auch von den – viel zu wenigen – Frauen, die jetzt schon in den Führungsetagen sitzen.

Sie haben zwei Kinder, einen Sohn (9) und eine Tochter (11). Wie klappt das?

Ich habe einen wunderbaren Ehemann, der keinen Schmerz damit hat, auch mal den Kochlöffel zu schwingen oder den Alltag der Kinder zu organisieren. Das kann ich nur jedem raten: Diskutiert in eurer Partnerschaft, wer zu was bereit ist – bevor die Kinder kommen.

Bei Ihnen klingt das Leben so einfach! Was machen Sie, wenn Ihnen etwas nicht glückt?

Klar, Rückschläge gab’s auch bei mir. Dass ich nicht den Karriereschritt gemacht habe, den ich mir vorgestellt habe, zum Beispiel. Ich bin dann meistens in mich gegangen und habe mich gefragt: Woran lag das? Bist du falsch vorgegangen? Hattest du nicht die richtigen Unterstützer? Wolltest du das eigentlich wirklich? Ich habe mich ausgetauscht mit anderen und mir Meinungen geholt. Das hat mir oft geholfen, mich neu zu justieren. Wenn etwas nicht funktioniert hat, habe ich mir neue Ziele gesucht. Nase putzen, aufstehen und wieder los.

Was machen Sie vor dem Naseputzen, um sich zu trösten?

Ich gönne mir was Leckeres. Oder ich kaufe mir was. Etwas, was ich mir verdient habe nach dem ganzen Stress.

Schlemmen Sie lieber süß oder salzig?

Ich kann beides. Deswegen gehe ich auch jeden Morgen joggen. Im Park oder im Wald – da komme ich runter. Und dann sage ich mir: Egal, was der Tag bringt – du hast schon ein Highlight gehabt.

Und dann kommt der lange Arbeitstag?

Ich zähle die Stunden nicht. Manchmal sind es zehn, manchmal zwölf, manchmal auch weniger. Ich richte mir das ein, so dass es passt. So wie jetzt: Ich habe noch Telefontermine, aber die erledige ich im Auto, während ich im Stau stehe. Und dann geht’s zu Hause noch eine Runde vor den Rechner.

Frau Hansen, vielen Dank fürs Gespräch – und für den Spaziergang!

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort