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Düsseldorf Inklusion: Ärger um Therapien in Kitas

Düsseldorf · An die Stelle besonderer Gruppen für Kinder mit Handicap tritt die Einzelintegration - mit teils gravierenden Folgen.

 Vanessa Janzen (l.) und Ulrike Krämer von der Kita Niederrheinstraße (hier mit Kindern ohne Handicap) befürworten die Einzelintegration.

Vanessa Janzen (l.) und Ulrike Krämer von der Kita Niederrheinstraße (hier mit Kindern ohne Handicap) befürworten die Einzelintegration.

Foto: H.- J. Bauer

Die Betreuung behinderter Jungen und Mädchen in Kindertagesstätten wird neu ausgerichtet. "Kinder mit Handicap besuchen künftig die Kita um die Ecke, sind Teil einer ganz normalen Regelgruppe. Die Einzelintegration tritt an die Stelle der besonderen integrativen Gruppen mit jeweils zehn behinderten und fünf nicht behinderten Kindern", sagt Jugendamtsleiter Johannes Horn. "Inklusive Kita-Landschaft" lautet das Stichwort, das Einrichtungen, Mitarbeiter, Eltern und Kinder vor neue Herausforderungen stellt.

Zwölf Plätze für die wohnortnahe Einzelintegration gab es im Kita-Jahr 2009/10, inzwischen sind es schon 89 in städtischen Einrichtungen und mindestens 60 bei den freien Trägern wie beispielsweise dem DRK oder der Diakonie. Dabei gilt: Pro Kind mit Handicap wird die Größe der Regelgruppe um jeweils einen Platz reduziert. Gleichzeitig wird die Zahl der Erzieher-Stunden um 3,9 pro behindertem Kind und Woche erhöht. Im Ergebnis werden pauschal 5000 Euro pro Jahr gezahlt.

Trotzdem versetzt der Systemwechsel Träger und Eltern in Aufregung. Zumindest dort, wo es bislang eigene integrative Gruppen gab. "Wir haben in solchen Einrichtungen zwei Therapeuten auf jeweils einer halben Stelle beschäftigt. Das können wir künftig nicht mehr anbieten", sagt Stefan Paschmanns, der bei der Diakonie den Bereich Tageseinrichtungen mitverantwortet. Aus Sicht des Vize-Abteilungsleiters ist der Umstieg "ein Reizthema". Denn weil sich der Landschaftsverband Rheinland (LVR) - nach langen, teils ergebnislosen Verhandlungen mit den Krankenkassen - aus der direkten Finanzierung von Therapeutenstellen in Kitas zurückzieht, steigt nun die Diakonie ihrerseits aus dem bisherigen Verfahren aus. "Wir könnten uns als Anbieter solcher Leistungen anerkennen lassen, bekämen künftig aber weniger Geld für die bei uns angebotenen Stunden", begründet er den Ausstieg. Für die Eltern bedeutet das: Von der Krankenkasse übernommene Termine beim Logopäden, Motopäden oder Physiotherapeuten müssen sie künftig bei niedergelassenen Therapeuten außerhalb der eigenen Kita wahrnehmen.

In jedem Fall, so Paschmanns Lesart, stünden einem behinderten Kind in Zukunft bis zu 6000 Euro weniger im Jahr zur Verfügung. Dabei geht seine Rechnung so: Bislang hat der LVR zwei halbe Therapeutenstellen für die fünf Jungen und Mädchen einer integrativen Gruppe finanziert. Das entsprach etwa 50 000 bis 55 000 Euro im Jahr. Künftig gibt es für diese Kinder aber nur noch fünf Mal 5000 Euro Pauschale, also 25 000 Euro.

Zwar kämen die auswärts wahrgenommenen Therapiestunden noch hinzu. "Aber ein Therapeut, der jeden Tag in der Kita ist, und eine dreiviertel Stunde einmal pro Woche bei einem niedergelassenen Fachmann, das kann man beim besten Willen nicht vergleichen", sagt der Diakonie-Mitarbeiter. Sein kritisches Resümee: "Das Ganze wird als Errungenschaft, als großes buntes Inklusionspaket verkauft. Aber kaum einer sagt, dass sich Rahmenbedingungen verschlechtern."

Gedanken über die neue Pauschale macht sich auch Ulrike Krämer. Die Leiterin der evangelischen Kita an der Niederrheinstraße hat bereits Erfahrung mit der Einzelintegration. "Wir würden gerne einen autistischen Jungen bei uns betreuen. Ob das mit der neuen Pauschale von 5000 Euro zu leisten ist, wird aktuell geprüft." Grundsätzlich findet Krämer den eingeschlagenen Inklusionsweg in Ordnung. Allerdings nur in den Fällen, wo es Sinn macht. "Dass ein mehrfach schwerbehindertes Kind in einer Regelgruppe wirklich optimal betreut werden kann, bezweifele ich."

(RP)
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