Interview Industrie-Club: Treffpunkt der Eliten

Düsseldorf · Seit bald 100 Jahren treffen sich im Industrie-Club hinter verschlossenen Türen die Mächtigen der Stadt. Präsiden Jochen Scheele und Geschäftsführerin Heidi Schädlich im RP-Gespräch über Exklusivität, Engagement und die Auswirkungen der benachbarten Wehrhahn-Baustelle.

 Industrie-Club-Präsident Jochen Scheele und Geschäftsführerin Heidi Schädlich vor einem Kunstwerk von Rafael Neff.

Industrie-Club-Präsident Jochen Scheele und Geschäftsführerin Heidi Schädlich vor einem Kunstwerk von Rafael Neff.

Foto: Bu�kamp, Thomas

Frau Schädlich, Herr Scheele, erstmals in der fast hundertjährigen Geschichte des Düsseldorfer Industrie-Clubs leitet eine Frau die Geschäfte. Hat sich auch bei Ihrer altehrwürdigen Einrichtung etwas geändert?

Scheele Wir hatten gute Bewerber, und Frau Schädlich war die beste. Bei uns zählt nicht, ob jemand ein Mann oder eine Frau ist. Es zählen für die Leitung der Geschäftsführung des Industrie-Clubs Persönlichkeit und fachliche Qualifikation. Beides bringt Frau Schädlich in hervorragender Weise mit.

Frau Schädlich, ist es für Sie etwas Außergewöhnliches, die Geschäfte eines Clubs zu leiten, der fast ein Jahrhundert lang von Männern dominiert wurde — und vielleicht auch heute noch wird?

Schädlich Ich sehe es nicht als etwas Exotisches an, als Frau geschäftsführend beim Industrie-Club zu arbeiten. Ich möchte auch die Rolle der Frau in dieser Position nicht als etwas Besonderes verstanden wissen. Ich erledige meine Arbeit, das hat nichts mit dem Geschlecht zu tun.

Für viele Menschen in der Stadt ist der Industrie-Club auch etwas Geheimnisvolles. Die breite Bevölkerung ist bei Ihrem Verein ausgeschlossen. Geben Sie uns einen Einblick in Ihr Vereinsleben?

Scheele Der Industrie-Club feiert im kommenden Jahr seinen 100. Geburtstag. Im Jahr 1912 schlossen sich hier Geschäftsleute der aufstrebenden Wirtschaftsstadt Düsseldorf zusammen. Damals und in den Folgejahren noch viel mehr als heute galt die junge Metropole am Rhein als der Schreibtisch des Ruhrgebiets. Und ein gemeinsamer Club war ein exzellenter Ort, um sich auszutauschen.

Und um Geschäfte anzubahnen...

Scheele Indirekt sicher auch das. Aber direkt über das Geschäft zu sprechen, das steht in unserem Club nicht im Vordergrund. Beim Essen oder in der Lobby gibt es aber selbstverständlich Gespräche zwischen Mitgliedern über wirtschaftliche und geschäftliche Themen.

Der Name Industrie-Club lässt vermuten, dass er auch eine Art Handelsplattform darstellt?

Scheele Der Industrie-Club ist kein Marktplatz. Der Club ist ein Ort, an dem sich Geschäftsleute aus Düsseldorf und der Region unter Ausschluss der Öffentlichkeit treffen können. Ein Forum des Dialogs. Wir sind ein Club, in den unsere Mitglieder jederzeit gehen können, um hier in Lounge-Bar und Restaurant zum Beispiel die Zeitung zu studieren, etwas zu trinken, zu essen und dabei mit anderen Führungskräften ins vertraute Gespräch zu kommen. Das war 1912 genauso wichtig wie in der Gegenwart.

Woher stammt die Idee eines Industrie-Clubs?

Scheele Vorbild der Gründer vor 99 Jahren waren englische Business Clubs. Und schon kurz nach der Gründerphase des Industrie-Clubs zeigte sich, dass er imstande ist, einflussreiche Persönlichkeiten in seine Reihen zu holen. Ich nenne nur die Brüder August und Fritz Thyssen, Robert Lehr, Ernst Schneider, Konrad Henkel, Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, aber auch Walther Rathenau, der nicht nur Industrieller, sondern auch ein sehr bedeutender liberaler Politiker seiner Zeit war. Unser erster Vorsitzender und Oberbürgermeister der aufstrebenden Metropole Düsseldorf, Wilhelm Marx, nannte den Industrie-Club in seiner Eröffnungsrede eine "Erholungsstätte für die Kämpfer am sausenden Webstuhl der Zeit".

Wie sehen die Aktivitäten des Industrie-Clubs aus?

Schädlich Neben der Möglichkeit, sich hier jederzeit mit seinen Geschäftspartnern oder privaten Freunden in seriösem Umfeld zu treffen, hat der Industrie-Club ein festes Jahresprogramm. Sehr beliebt sind Veranstaltungen zur Mittagszeit oder abends. Die Mitglieder treffen sich zum Essen und zu Vorträgen. Der eingeladene Redner spricht über aktuelle Ereignisse, über sein Unternehmen, seine Politik, sein Geschäft — oder zu gesellschaftlichen Dingen. Die Themenfelder sind weit gefächert. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Fragen an den Referenten zu stellen und zu diskutieren.

Was muss man tun, um Mitglied im Industrie-Club zu werden?

Schädlich Der Club hat zurzeit 1200 Mitglieder. Das soll in etwa auch so bleiben. Mitglied im Industrie-Club wird man, indem man von mehreren Mitgliedern vorgeschlagen wird, die selber schon viele Jahre im Club sind und die eine Art Patenschaft übernehmen. Wir haben deutlich mehr Anfragen als Möglichkeiten, neue Mitglieder aufzunehmen.

Wirkt diese Exklusivität verstörend auf potenzielle neue Mitglieder?

Scheele Wir legen Wert darauf, hier vor allem Menschen aus der Ebene der Führungskräfte zusammenzubringen. Unsere im Jahr 2006 erschienene Chronik trägt den Titel "Treffpunkt der Eliten". Es gehört zum Selbstverständnis des Industrie-Clubs, für seine Mitglieder Orientierungsbeiträge zu liefern, und außerdem ist uns ein tolerantes Denken im Sinne der Völkerverständigung eine Herzensangelegenheit. Wir laden immer häufiger internationale Gäste in unseren Club ein — kürzlich etwa den Botschafter der Vereinigten Staaten, Philipp D. Murphy. Er war zuvor hochrangiger Manager bei der Investmentbank Goldman Sachs und ist daher nicht nur Politiker, sondern auch ein Mann der Wirtschaft.

Hat der Industrie-Club vor allem eine lokale Bedeutung?

Scheele Der Wirkungskreis des Industrie-Clubs beschränkt sich nicht auf die Landeshauptstadt. Seine Strahlkraft wirkt auf die ganze Rhein-Ruhr-Region. Im Übrigen haben wir Mitglieder aus allen Teilen Deutschlands.

Die Beschränkung der Mitgliederzahl und der Ausschluss der direkten Öffentlichkeit aus Ihren Veranstaltungen könnte den Eindruck der Isolation erwecken. Engagieren Sie sich außerhalb der originären Tätigkeit des Clubs?

Schädlich Seit vielen Jahren engagiert sich der Industrie-Club zunehmend auf dem Gebiet der Wissenschaft. So vergibt der Industrie-Club pro Jahr zwei Wissenschaftspreise, die mit je 20 000 Euro Förderung dotiert sind. Außerdem werden jährlich Stipendien an der Heinrich-Heine-Universität und an der Fachhochschule Düsseldorf vergeben, ein Nachfolger des früheren NRW-Stipendienprogrammms. Weiterhin ermöglicht der Industrie-Club zwei Elite-Studenten des Studiengangs "International Management" an der Fachhochschule Düsseldorf ein Auslandssemester.

Wie finanziert der Industrie-Club seine Aktivitäten? Erhalten die Dozenten ein Honorar?

Schädlich Die Dozenten aus Politik, Kultur und Wirtschaft sind bei uns grundsätzlich unentgeltlich tätig. Der Club finanziert sich durch die Beiträge der Mitglieder und auch dadurch, dass wir Verpächter des Steigenberger Parkhotels an der Königsallee sind. Die Erträge aus der Verpachtung dienen den Aktivitäten des Clubs.

Der Eingang zu Ihren eigenen Veranstaltungsräumen und -lounges ist durch die Baustelle der Wehrhahnlinie stark beeinträchtigt. Wie groß ist dieses Problem?

Scheele Es ist nicht unerheblich. Und trotzdem sind unsere Veranstaltungen weiterhin zu unserer Freude gut besucht.

Thorsten Breitkopf führte das Gespräch

(RP)
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