Eine Tradition im Umbruch Sternsinger auf Bestellung

Düsseldorf · Zu oft stoßen die Kinder auf verwaiste Häuser oder abweisende Bewohner. Deswegen gibt es den Haussegen immer öfter auf Bestellung.

 Anfangs kam Jule, Anna, Romy und Luise (v.l.) nur zögerlich der „Stern über Bethlehem“ über die Lippen. Mit der Zeit klappte es aber immer besser.

Anfangs kam Jule, Anna, Romy und Luise (v.l.) nur zögerlich der „Stern über Bethlehem“ über die Lippen. Mit der Zeit klappte es aber immer besser.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Anna, Romy, Luisa und Jule drücken alle Klingelschilder gleichzeitig. „Die Sternsinger sind da“, rufen sie noch aufgeregt in die Sprechanlage, ehe sie schon im Inneren verschwinden. Doch an der Türschwelle von Sonja Hackenberg verlässt die vier Mädchen zunächst der Mut. Eher zögerlich kommt ihnen „Stern über Bethlehem“ über die Lippen, ganz textsicher klappt der anschließende Segensspruch auch noch nicht. Die Hausherrin – anhand der zahlreichen „C-M-B“-Aufkleber aus vergangenen Jahren eine erkennbar willkommene Adresse für Sternsinger – zeigt sich trotzdem begeistert. Da sie die Sternsinger bestellt hatte, ist sie vorbereitet und überreicht eine große Tüte mit Süßigkeiten.

Ein paar Hausbesuche später sieht die Sache schon anders aus. Routiniert singen die Mädels inzwischen ihre Lieder, halten die Spendendose hin und überreichen den Haussegen. Darja Stamcar ist entzückt. „Das ist eine schöne Tradition, die hoffentlich beibehalten wird. Der Haussegen zu Neujahr gehört einfach dazu“, sagt Stamcar, die als Kind in die Rollen von Caspar, Melchior und Balthasar schlüpfte: „Ich bin sehr froh, dass wir dieses Jahr zufällig zuhause waren. Das war in den vergangenen Jahren nämlich nicht der Fall.“

Auch wenn der Neujahrssegen nach wie vor vielen Menschen am Herzen liegt – das flächendeckende Klingeln an der Wohnungstür gehört inzwischen eher weniger zur Tradition der Sternsinger. Zu oft würden sie heutzutage auf verwaiste oder gar abweisende Türen stoßen, erklärt Pastoralreferent Georg Wiesemann. „So etwas wirkt natürlich demotivierend auf die Kinder. Heutzutage sind es vermehrt offizielle Termine wie im Landtag oder in der Staatskanzlei und weniger Hausbesuche.“ Die Gemeinden gehen deshalb über, sich anzukündigen. Bei wem Sternsinger willkommen sind, der kann diesen kleinen Zettel an seine Tür hängen. Dabei spielt die Konfessions- oder Religionszugehörigkeit erzkatholischen Tradition keine Rolle mehr. Zudem treten die Sternsinger vemehrt direkt an die Leute heran, wie jüngst bei der Aktion „Sternsingen-to-go“, die Wiesemann mit seinen Gemeindemitgliedern am Samstag vor den Bilker Arkaden zelebrierte. Statt Türklingeln zu putzen sind die Kinder in Kleingruppen durch die Läden gezogen und überbrachten Verkäufern und Kunden den Segen direkt. „Auch wenn viele Menschen im ersten Moment überrascht wurden, waren die Reaktionen durchweg freundlich“, sagt Wiesemann. Manche Kirchen würden die Aufkleber „Christus Mansionem Benedictat“ auch einfach im Anschluss an die Neujahrsgottesdienste auslegen. Das käme bei den Gläubigen allerdings nicht so gut an. „Vielen Leuten ist wichtig, dass der Segen direkt in die Wohnung kommt“, sagt Wiesemann. Diese Bürger würden die Sternsinger auch rechtzeitig bei der Gemeinde „bestellen.“

Und es sind nicht wenige, obwohl die Tradition der Sternsinger in seinem Pfarrbereich lange nicht mehr gepflegt wurde. Erst seit vier Jahren zögen sie wieder durch Oberbilk und Friedrichstadt. Für die Eltern, welche die drei verteilten Gruppen á vier Kindern begleiten, eine logistische Herausforderung. „Falls wir einen übersehen, beschweren die sich natürlich bei uns“, sagt Mutter Miriam. Besonders für viele ältere Menschen, die nach den lebhaften und familienreichen Feiertagen häufig in ein emotionales Loch fallen, seien die singenden Kinder ein kleiner Lichtblick. Beim Gang zum nächsten Haus bleibt eine Passantin mit ihrem Hund verzückt vor den kostümierten Mädchen stehen. „Kommen sie auch zu uns?“, fragt sie direkt und reicht ihre notierte Adresse weiter.

 An manchen Türen klingelten die Sternsinger zufällig, an einigen aber eben vor allem auf Bestellung.

An manchen Türen klingelten die Sternsinger zufällig, an einigen aber eben vor allem auf Bestellung.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Je mehr Besuche die vier Kinder hinter sich bringen, desto mehr wachsen sie in ihre Rolle. Die Reaktionen der Menschen lassen die anfängliche Überwindung vergessen. „Die Menschen freuen sich sso sehr“, sagt Luisa (6), die zum zweiten Mal dabei ist. Für ihre Freundin Jule (5) rührt die Motivation zum Singen noch aus einem anderen Grund: „Dafür gibt es viele Süßigkeiten.“

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