Serie Düsseldorfer Stadtteilkinos Der Kino-Skandal von Eller

Eller war mit seinen drei parallel betriebenen Lichtspielhäusern über viele Jahre der Düsseldorfer Vorort mit der höchsten Kinodichte.

 Das Burgtheater an der Gumbertstraße war innen ziemlich pompös eingerichtet, die Außenansicht war dagegen eher schmucklos. Der erste Film, der hier lief: „Die Försterchristel“.

Das Burgtheater an der Gumbertstraße war innen ziemlich pompös eingerichtet, die Außenansicht war dagegen eher schmucklos. Der erste Film, der hier lief: „Die Försterchristel“.

Foto: privat

Mitte der 1970er Jahre flimmerte in Eller zum letzten Mal ein Film über eine Kinoleinwand. Wann genau, ist nicht festgehalten, irgendwann um 1975. Vermutlich war das Kino bei der Abschiedsvorstellung schlecht besucht. So wie schon seit Jahren. Bei der letzten Vorführung surrte kein Blockbuster durch den Projektor. Kassenknüller standen im Burgtheater an der Gumbertstraße schon lange nicht mehr auf dem Programm. Nur schmale Filmkost: Nachmittags seichte Unterhaltung mit Ufa-Stars wie Hans Albers, Heinz Rühmann, Zarah Leander und Co., abends zweitklassige Horrorfilme, Kung-Fu-Streifen und Italo-Western. Zur Spätvorstellung ein Schulmädchenreport.

Das ruhmlose Ende des Burgtheaters verdunkelt, dass Eller eine spannende Kinogeschichte besitzt und über viele Jahre der Düsseldorfer Vorort mit der höchsten Kinodichte war. Zur Hochzeit spielten hier drei Häuser gleichzeitig.

 Vor dem Schloß-Theater lieferten sich Gegner von „Schundfilmen“ und die Polizei 1951 ein Handgemenge.

Vor dem Schloß-Theater lieferten sich Gegner von „Schundfilmen“ und die Polizei 1951 ein Handgemenge.

Foto: Archiv Brzosa

Die ersten Filmvorführungen in Eller gab es in der Löwenburg am Gertrudisplatz. Im Frühjahr 1910 beantragte der Wirt Wilhelm Haasevelt die Konzession „zur Aufstellung eines Kinematographen“ in seinem Tanzsaal. Die Genehmigung wurde sofort erteilt, aber unter strengen Sicherheitsauflagen. Die Filmvorführgeräte der ersten Generation gerieten oft in Brand. Das Zelluloidfilmband war durch den offenen Lichtstrahl des Projektors leicht entflammbar. Haasevelt durfte seinen Kinematographen daher nur in einem vor dem Saal aufgebauten Gehäuse aufstellen, musste in der Nähe „geeignete Feuerlöschmittel“ bereitstellen und genügend Ausgänge vorhalten.

 Die Löwenburg an der Gumbertstraße 120 um 1950 – hier gab es die ersten Filme in Eller zu sehen.

Die Löwenburg an der Gumbertstraße 120 um 1950 – hier gab es die ersten Filme in Eller zu sehen.

Foto: Archiv Brzosa

Laut Gesuch bot der Tanzsaal, der nur von der Anhalter Straße aus zu betreten war, bei kinematographischen Vorstellungen Platz für 120 Zuschauer. Wann die ersten bewegten Bilder in Eller zu sehen waren, ist nicht überliefert. Filmvorführungen fanden bei Haasevelt nur vereinzelt statt, weil der Saal „sonst noch zur Restauration benutzt wird“. Zu Beginn der 1930er Jahre wurde der Vorführbetrieb in der Löwenburg aus Brandschutzgründen dann eingestellt. Die Keimzelle des Eller Kinos ist noch heute erhalten. Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten verschiedene Betriebe den Tanzsaal als Werkstatt, zuletzt das Unternehmen Piepenbring GmbH. Einen Nachmieter scheint es nicht zu geben. Der Abriss droht.

 Im Burgtheater liefen nicht unbedingt immer nur oscarverdächtige Streifen – wie „Turm der lebenden Leichen“.

Im Burgtheater liefen nicht unbedingt immer nur oscarverdächtige Streifen – wie „Turm der lebenden Leichen“.

Foto: Archiv Brzosa

Eller hatte noch kein professionelles Lichtspieltheater, da war hier bereits die Bewegung gegen Schund- und Schmutzfilme aktiv. Seit Beginn der 1920er Jahre versuchten die Eller Kirchen und Schulen, insbesondere Jugendliche vom Besuch kommerzieller Kinos abzuhalten. Im Gertrudiskloster wurden regelmäßig „gute, moralisch einwandfreie Filme zu billigen Preisen“ gezeigt. Hinter den Vorführungen stand die Stella Maris, eine 1921 in Düsseldorf gegründete Lichtspielgesellschaft, die an katholische Gemeinden und Gruppen preiswert Vorführtechnik und Filme verlieh. In der Schule an der Richardstraße richtete Lehrer Hermann Boss 1921 das erste Schulkino in Düsseldorf ein, „um den Film dem Unterrichte dienstbar zu machen“.

 Das alte Burgtheater steht seit langem leer, dem Gebäude droht der Abriss.

Das alte Burgtheater steht seit langem leer, dem Gebäude droht der Abriss.

Foto: nika

Zur Förderung des Schulkinos organisierte Boss „kinematographische Eltern- und Volksbildungsabende“. Wie am 27. Februar 1921 im Esserschen Saal (später Burgtheater). Zuerst sprach Lehrer Wilhelm Schmitz in einem Vortrag über „Die schädlichen Wirkungen des Schundfilms“. Anschließend wurden Bilder von „technischen Neuheiten“ und aus fernen Ländern gezeigt, dann zwei Unterhaltungsfilme für Kinder. Aus dem Kino der Richardschule erwuchs später die Landesbildstelle Niederrhein, das heutige Medienzentrum Rheinland.

1925 bekam Eller sein erstes Kino. Am 3. Oktober nahmen die „Eller-Lichtspiele“ den Spielbetrieb auf. Heinrich Spemes hatte den alten Tanzsaal des Traditionslokals Richarz (zuletzt Haus Gumbert, heute Netto) angemietet und in kurzer Zeit zu einem Saal für tägliche „Kinematographen-Vorführungen“ umgebaut. 383 Besucher fanden Platz. Später 450. Zu den Stammgästen gehörte die Polizei. Sie überwachte die Einhaltung der zugelassenen Besucherzahlen und vor allem die Ausweise der jugendlichen Zuschauer.

Anfang der 1950er Jahre erlebte Eller seinen größten Kinoskandal. Am 5. März 1951 kam es vor dem Lichtspieltheater Eller, in dem seit drei Tagen „Die Sünderin“ mit Hildegard Knef aufgeführt wurde, zu einer Protestkundgebung. Als Pfarrer Carl Klinkhammer vor dem Kino eine Rede halten wollte, forderte ihn die Polizei zur Beendigung der nicht angemeldeten Versammlung auf und bildete eine Kette um die Menschenmenge. Laut Polizeibericht wehrten sich die Demonstranten hiergegen „durch Gegenstemmen und wüstes Umsichschlagen“ und leisteten „durch Stoßen mit Schultern und Ellenbogen den Polizeibeamten Widerstand“. Pfarrer Klinkhammer selbst habe einem Polizisten „zweimal gegen das Schienbein getreten“. Weiter heißt es im Bericht: „Die Menge schrie und tobte: ‚Die Polizei will unseren Ruhrkaplan festnehmen, wir protestieren!‘ Pfarrer Klinkhammer wurde von einigen Demonstranten auf die Schultern gehoben und warf dann eine Handvoll Flugblätter in die Menschenmenge.“ Ob in Eller, wie in anderen Kinos geschehen, die Aufführung der Sünderin mit Stinkbomben zum Abbruch gebracht wurde, ist unbekannt.

Mitte der 1950er Jahre wurden die Lichtspiele in „Schloß-Theater-Eller“ umbenannt. Zu dieser Zeit, der Blütezeit des Kinos, gab es im Schlosstheater wöchentlich mehr als 20 Vorstellungen. Dem stetigen Wachstum folgte der rasante Niedergang. Schon Anfang der 1960er Jahre machten sich die ersten Anzeichen von Kinokrise und sinkenden Zuschauerzahlen bemerkbar. Die Kinos verloren drei Viertel ihrer Besucher. Das Fernsehen war zu einem übermächtigen Konkurrenten geworden, das Freizeitverhalten hatte sich geändert, es gab mehr Angebote und mehr Mobilität durch das Auto. Hinzu kam die mangelnde Qualität der Filme. Für das Schloß-Theater-Eller kam 1965 das Aus. Der Kinosaal wurde zu einem Supermarkt umgebaut, später durch einen Neubau ersetzt.

Fast zeitgleich stellte das Deli-Kino den Betrieb ein. Seine Ursprünge liegen im Esserschen Saal (später Burgtheater), den Gerhard Kaspar zu Kriegsbeginn in ein Lichtspieltheater für 430 Zuschauer umwandelte. Am 24. Januar 1941 wurde der Vorführbetrieb aufgenommen. Trotz schwerer Beschädigungen bei einem Luftangriff 1943 hielt das Deli den Betrieb über die gesamte Kriegszeit aufrecht. Anfang der 1950er Jahre verlegte der neue Betreiber Otto Heinemann das Kino zum Ellerbittweg in den Tanzsaal der Gaststätte Mörs. Das umgebaute Etablissement bot Platz für 350 Besucher und startete am 20. Juni 1952 mit dem Film „Heidelberger Romanze“. Besucher erinnern sich noch heute an die grüne Plüschbespannung der Wände, die kassettierte Flachdecke und originelle Messingleuchten. Mitte der 1960er Jahre fielen die Gaststätte und das Kino der Abrissbirne zum Opfer. Heute steht hier ein Wohnkomplex mit Blumenladen und Supermarkt.

Nach dem Auszug des Deli wurde der Kinosaal an der Gumbertstraße an den Betreiber des Burgtheaters an der Grabenstraße verpachtet, der die Kapazität der Spielstätte auf 600 Plätze erhöhte und den Zuschauerraum neu gestaltete. Wandverkleidungen aus weinrotem Velours, die von goldfarbenen Mauervorsprüngen unterbrochen wurden, ein silbergrauer Hauptvorhang und ein Sockel aus Limbaholz schufen eine gediegene Atmosphäre. Unter dem Namen „Burgtheater Eller“ nahm das Kino am 18. Oktober 1952 mit dem Filmlustspiel „Die Försterchristel“ als drittes Eller Lichtspielhaus den Spielbetrieb auf. Mitte der 1970er Jahre stellte das Burgtheater den Betrieb ein. 1977 wurde der Saal vom Tapetengeschäft Daniels bezogen, danach von Modegeschäften. Heute steht der letzte erhaltene Eller Kinosaal leer. Auch hier droht der Abbruch.

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