Michaela Schaffrath spielt in Düsseldorf In der Rolle ihres Lebens

Düsseldorf · Michaela Schaffrath mimt im "Theater an der Kö" eine aufbrausende Nachbarin. Ohne das Stück "Zärtliche Machos" wäre sie keine Schauspielerin mehr. René Heinersdorff hat sie für die Rolle gewonnen.

 Wo eine Bühne steht, da ist sie zu Hause: Michaela Schaffrath zwischen den Zuschauerrängen im "Theater an der Kö".

Wo eine Bühne steht, da ist sie zu Hause: Michaela Schaffrath zwischen den Zuschauerrängen im "Theater an der Kö".

Foto: Andreas Endermann

Das Leben hält sich an kein Navigationsgerät. Manchmal dauert es einfach etwas länger. Als sich Michaela Schaffrath am Montagmorgen ins Auto setzt, sagt der Bordcomputer: acht Minuten bis zum "Theater an der Kö". Aber das Navigationsgerät kennt nicht jede Baustelle. Also dauert es deutlich länger, bis die Schauspielerin ihren Karton mit Requisiten in die Schadow Arkaden schleppt.

Sie trägt T-Shirt, Jeans, hochhackige Schuhe. Die blonden Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Um kurz vor elf betritt die 42-Jährige das Theater, steigt die Treppen hinunter, betritt den Theatersaal und sagt "Ich freue mich so auf die Bühne. Es geht nach Hause."

Nach und nach treffen die anderen drei Darsteller des Stücks "Zärtliche Machos" ein, Werner Michael Dammann, der frühere Eiskunstläufer Hans-Jürgen Bäumler und Mogens von Gadow. Als sie mit den Proben beginnen wollen, sagt Gadow: "Frau Schaffrath, wir wollten anfangen." Sie sagt: "Ich bin da." Er: "Wir wollten nur nicht, dass gequatscht wird."

Die drei Männer beginnen zu proben, Schaffrath ist erst später dran, sie setzt sich in die erste Reihe und sieht ins Textbuch. Wenn es hakt, greift sie ein. Einmal sagt Bäumler zu ihr: "Wenn du noch einmal Recht hast, kriege ich sooo einen Hals." Sie lachen.

Michaela Schaffrath ist eine Frau von 42 Jahren, die so viel erlebt hat, dass sie darüber schon ein Buch geschrieben hat. Sie ist eine dieser Frauen, die gerne "superschön", "supergut", "superlustig" und "Ich fühle mich wahnsinnig wohl auf der Bühne" sagen. Ab heute können ihr die Besucher des Stücks "Zärtliche Machos" dabei zusehen, wie sie in der Rolle der temperamentvollen Nachbarin Cecilia eine Männer-WG durcheinanderbringt, Sohn, Vater, Opa, die sich geschworen haben, nie mehr Frauen in ihre Wohnung zu lassen, weil diese nur Ärger machen. 330 Mal hat das Ensemble das Stück in den vergangenen drei Jahren in ganz Deutschland gespielt, zuvor lief es in anderer Besetzung und in einer anderen Version unter dem Titel "Drei Hanseln im Glück" bereits in Düsseldorf.

"Zärtliche Machos" ist für Schaffrath nicht bloß irgendeine Komödie. Ohne das Stück wäre sie heute wahrscheinlich keine Schauspielerin mehr. Es ist das Jahr 2000, als sie verkündet, dass sie nach drei Jahren ihre kurze, aber erfolgreiche Karriere als Pornodarstellerin Gina Wild beendet. Sie möchte Schauspielerin werden. Es wird viel schwerer, als sie sich das vorgestellt hat. Auch weil es Schauspielerinnen ohne ihre Vergangenheit nicht so schwer gemacht wird. Am Anfang kokettiert sie noch ein wenig mit ihrem Image. Das erste, was man in ihrer Debütrolle im Film "Der tote Taucher im Wald" von ihr sieht, ist das Gesäß in einem engen Rock.

Später zieht sie einen klaren Schnitt. Mit der Kinokarriere klappt es nicht so, im Fernsehen aber bekommt sie eine Zeit lang genug Angebote, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, sagt sie. Ohne allerdings eine Rolle zu spielen, mit der sie dem deutschen Zuschauer in Erinnerung bleibt. Dann kommen die Jahre, die sie als absolute Durststrecke bezeichnet, auch weil 2008 die Fernsehbranche in die Krise gerät. Es ist die Zeit, in der Schaffrath ins Dschungelcamp geht, in der sie an ihr Erspartes muss, in der sie überlegt, in ihren alten Beruf als Kinderkrankenschwester zurückzukehren. Sie weiß: Wenn sie das macht, war es das mit der Schauspielerei.

Doch dann kommt Cecilia. Schon einige Jahre hat sie Kontakt mit René Heinersdorff, dem Gründer vom "Theater an der Kö", ohne dass sich daraus eine Zusammenarbeit ergibt. Dann macht er sie 2010 auf eine Rolle in seinem Stück "Zärtliche Machos" aufmerksam. Sie liest das Drehbuch und weiß: Das ist es. Sie kommt zum Vorsprechen, danach weiß Heinersdorff: Die ist es. Sie fährt zur ersten Probe nach Hamburg, unsicher, was sie dort erwartet. Dann steht sie plötzlich vor Hans-Jürgen Bäumler. Der sagt "Ich bin der Hans-Jürgen". Das Eis ist gebrochen. Nach der Premiere geht sie in die Garderobe und weint vor Glück. Seitdem finanziert dieses Stück zu großen Teilen ihren Lebensunterhalt.

Schaffrath weint nicht mehr nach den Auftritten, aber selbst bei den Proben spielt sie, als ginge es um ihr Leben, als müsse sie es allen noch immer beweisen: Seht her, ich kann es doch. Auch in Düsseldorf. Die drei Männer haben sich gerade gegenseitig ihr Herz ausgeschüttet und den Schwur erneuert, keine Frau mehr in ihr Leben zu lassen, als es an der Tür klingelt. Rrrrring. Rrrrring. Schaffrath selbst macht das Geräusch. Dann stürmt sie als Cecilia in das Wohnzimmer der Junggesellen, weil sie sich vom Vermieter verfolgt fühlt. Sie rennt erst eine Weile von der einen Ecke in die nächste, schreit, dann setzt sie sich auf einen Stuhl, nimmt sich ein Bier und bringt Stück für das Stück das Leben der Männer in Unordnung. Michaela Schaffrath und Cecilia, die Frauen von Nebenan.

Schaffrath mag das Boulevardtheater, weil es ihrem Temperament als lebensfroher Rheinländerin entgegen kommt, sie ist in der Nähe von Aachen aufgewachsen. Dass das Feuilleton das Genre nicht schätzt, stört sie nicht. Ein Kollege hat ihr mal gesagt: "Es ist schwerer, die Leute zum Lachen zu bringen als zum Weinen."

Wie es danach weitergehen soll, weiß sie noch gar nicht so genau. Im nächsten Jahr spielt sie in einem Stück in Braunschweig, drei Angebote vom Fernsehen hat sie ablehnen müssen. Wer sie fragt, was sie noch gerne spielen möchte, dem sagt sie nicht "Tatortkommissarin", sondern "Pilcher" und "Traumschiff". Sie hält vieles für machbar, "ich bin aber niemand, der durch die Gegend träumt."

Aber erst mal wird sie die Rolle der Cecilia ein 331. Mal spielen, ein 332. Mal und 340. Mal. Und wenn es sein muss, auch ein 3400. Mal. Sie wird die Rolle jedes Mal so spielen, dass der Zuschauer denkt, es gehe um ihr Leben. Geht es ja auch.

(RP)
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