Düsseldorf In beiden Konfessionen zu Hause

Düsseldorf · Die Flucht vor den Bomben brachte die Katholikin Maria Zangerle 1943 ins evangelische Steinau. Seitdem ist sie überzeugte Verfechterin der Ökumene und kämpft gegen kirchenrechtliche Zwänge.

 Maria Zangerle feierte in Steinau ihre diamantene Kommunion und hat auch eine Urkunde als Diamantkonfirmandin bekommen. Über ihre Erlebnisse im Ringen um die Ökumene hat sie ein Buch geschrieben.

Maria Zangerle feierte in Steinau ihre diamantene Kommunion und hat auch eine Urkunde als Diamantkonfirmandin bekommen. Über ihre Erlebnisse im Ringen um die Ökumene hat sie ein Buch geschrieben.

Foto: Andreas Bretz

"Besonders in Erinnerung blieb mir die Wochenschlussandacht in der Aula. Alle Schüler und Lehrer versammelten sich am Samstag um 12 Uhr zu einem Gottesdienst. Die ,Mitwirkenden' wechselten von Klasse zu Klasse, und der Schulchor verstärkte unseren Lobgesang. Die Leitung des Gottesdienstes übernahmen jeweils der evangelische Pfarrer, der katholische Pfarrer, ein evangelischer sowie ein katholischer Religionslehrer. Das Kreuzzeichen wurde von allen gesprochen und katholisch zeichenhaft begleitet."

Dies ist nur einer der ungewöhnlichen Gottesdienste, über die Maria Zangerle, Jahrgang 1940, in ihrem Buch "Stiftung Ökumene. Ökumenische Zeugnisse aus 70 Jahren" berichtet. Zur damaligen Zeit war längst nicht selbstverständlich, dass Katholiken an einem evangelischen Gottesdienst mitwirken durften, oder gar andersherum. Als während des verschärften Bombenkrieges 1943 das Rheinland evakuiert wurde, musste ihre Familie aus dem katholischen Köln in das hessisch-evangelische Städtchen Steinau ziehen. Da sich dort wie allerorts in Deutschland Kriegsflüchtlinge aus dem katholischen Schlesien oder Sudetenland nun plötzlich in evangelisch dominierten Regionen wiederfanden, wurde in Steinau aus der Not eine Tugend gemacht. "Wenn bei so einem Gottesdienst das Abendmahl gefeiert wird, will ich da doch hingehen", sagt Zangerle. So sehr sie sich in beiden Konfessionen heimisch fühlt, so sehr steht sie im Dissens mit den jeweiligen Kirchengesetzen. Dass ihr katholisch-getaufter Onkel bei seinem Tod wegen seiner Ehe mit einer Evangelistin keine kirchliche Beerdigung erhielt, war für Zangerle ein erschütterndes und prägendes Ereignis. Der Kirche den Rücken kehrte sie trotzdem nicht: "Ich bin der Meinung, man sollte nicht austreten - sondern auftreten!", sagt Zangerle. Und so machte es sich die Religionslehrerin zur Aufgabe, gegen Missstände im veralteten Kirchenrecht beider Konfessionen zu kämpfen und sich - nach reinem Gewissen - diesen gegebenenfalls zu widersetzen. Als beim Katholikentag 1998 in Mainz die evangelischen Christen begrüßt und sie im selben Satz noch von der Abendmahlsgemeinschaft ausgeschlossen wurden, war Zangerle empört. Beim Empfang der Hostie hielt sie ein Schild hoch mit der Aufschrift: "Ich teile mein Brot mit einem ev. Christen!" Die Reaktionen darauf waren überwiegend positiv. Noch viele weitere dieser ökumenischen Zeugnisse, positive wie negative, hat die 77-Jährige anlässlich des Reformationstages in ihrem bewegenden Buch zusammengetragen. Dass manche an den Besonderheiten ihrer Konfession festhalten wollen, kann sie aber verstehen. "Die altverehrten Riten können ja gerne bleiben. Man muss es nur allen zugänglich machen."

Zwar lehnte das Landeskirchenamt ihr Gesuch auf Doppelmitgliedschaft wegen "kirchenrechtlicher Gründe" ab. Der evangelische Pfarrer in Steinau entsprach aber trotzdem ihrer Bitte und überreichte Zangerle anlässlich ihrer Diamantkommunion in Steinau auch eine Urkunde zur Diamantkonfirmation. Seitdem kann sie offiziell dokumentiert von sich sagen: Ihr Bekenntnis ist ökumenisch.

(RP)
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