Immendorff-Prozess Immendorffs Witwe klagt in Düsseldorf

Düsseldorf · Vier Prozesse um Leben, Werk und Nachlass von Jörg Immendorff werden derzeit vor dem Landgericht geführt. Im Mittelpunkt aller Verfahren steht die junge Witwe des 2007 gestorbenen Künstlers und Professors, die 31-jährige Oda Jaune.

 Die Skulptur "Imme" des Kuenstlers Joerg Immendorff.

Die Skulptur "Imme" des Kuenstlers Joerg Immendorff.

Foto: dapd

Der Düsseldorfer Kunstprofessor Jörg Immendorff und sein Schaffen sind vier Jahre nach dem Tod des Malers nicht in erster Linie ein Fall fürs Museum, sondern für die Justiz. Diesen Eindruck vermittelt zumindest die Liste der Zivilprozesse beim Landgericht Düsseldorf. Vier Verfahren (bei diversen Zivilkammern) beschäftigen sich dort mit Leben, Werk und Nachlass des 2007 an der unheilbaren Nervenkrankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) gestorbenen Künstlers.

Im Mittelpunkt steht dabei stets seine 31-jährige Witwe Oda Jaune, bürgerlich Michaela Immendorff. In zwei Verfahren prozessiert sie derzeit gegen Eigentümer von möglicherweise falschen Immendorff-Gemälden. In einem Parallelverfahren sieht sie sich mit Erbansprüchen eines unehelichen Immendorff-Sohnes konfrontiert. Und im jüngsten Streit, über den dieser Tage verhandelt wurde, fordert die inwzischen in Paris lebende Frau von einem Künstlerfreund ihres Mannes ihren Anteil am Verkaufserlös der Skulptur mit dem Titel "Malerbiene" oder "Imme", der letzten Plastik, die Immendorff schuf.

Geordnete Verhältnisse hinterließ Immendorff seiner Familie und dem Kunstmarkt offenbar nicht. Als der Professor im Mai 2007 starb, konnte er nicht mehr eigenhändig malen und zeichnen, gab Assistenten in seinem Atelier aber täglich Anweisungen. Sie fertigten sodann Bilder nach seinen Vorgaben. Das Problem: Was heute als "echter Immendorff" gelten darf und was zumindest als "Werkstattkopie" durchgehen kann, lässt sich kaum mehr auseinanderhalten.

Das Durcheinander ist groß. Allein Immendorff-Galerist Michael Werner hat für sich einen Maßstab gefunden: Arbeiten, die in den Jahren, da er als Freund, Vertrauter und Geschäftspartner dem Künstler verbunden war, nicht auf Werners Tresen gehandelt und verkauft wurden, gehören auf keinen Fall ins Werkverzeichnis. Und was darin nicht erwähnt ist, gilt nicht als Werk von der Hand oder nach dem Wunsch des Meisters.

So wird um das Gemälde "Café de Flore" einer der Echtheits-Prozesse geführt, in denen das Landgericht Schiedsrichter spielen soll. Ein Kunstliebhaber will das 1989 entstandene Bild Ende 1999 direkt von einem Immendorff-Mitarbeiter für 30 000 D-Mark in bar erworben haben — samt Expertise von der Hand des Meisters und besiegelt mit einem Affenstempel. Doch als der Eigner es über ein Auktionshaus abgeben wollte, wurde das Bild beschlagnahmt, sollte auf Drängen der Witwe Oda Jaune sogar zerstört werden.

Die Witwe und der Kölner Galerist Werner vertreten die Ansicht, das Bild sei gefälscht und müsse deshalb vom Markt genommen werden. Das hält das Landgericht für knifflig, zumal kein Sachverständiger für die Echtheit von Immendorff-Bildern zu finden ist, der nicht in dem einen oder anderen Zivilverfahren bereits direkt oder indirekt beteiligt war oder ist.

Und obwohl Oda Jaune als Alleinerbin gilt, kann sie über die Vermögenswerte aus dem Nachlass ihres Mannes nicht ohne weiteres bestimmen. Abgesehen von der gemeinsamen Tochter Ida (10), die Nacherbin ist, kennt das Landgericht unter Aktenzeichen 14c O 11/10 auch einen zwölfjährigen Immendorff-Sohn aus einer früheren Beziehung des Malers. Diesem Nachkommen steht jetzt ein Pflichtteil am Erbe in Höhe von einem Achtel zu. Doch um welche Summe es wirklich geht, blieb auch im Prozess vor der 14. Zivilkammer bisher ungeklärt.

Experten schätzen das Erbe von Jörg Immendorff auf zehn bis 20 Millionen Euro. Die Witwe soll angegeben haben, es existierten 539 Gemälde, 1767 Zeichnungen, 147 Skulpturen und rund 4000 Grafiken. Aber welches Werk hatte zum Todeszeitpunkt welchen Wert? Und wie hoch kann man die Objekte heute taxieren?

Vorab hatte Oda Jaune dem Immendorff-Sohn bereits 1,1 Millionen Euro gezahlt. Dessen Anwälte fordern weitere rund 3,5 Millionen Euro. Oda Jaune hatte in der Verhandlung darüber im März 2011 indes abgewinkt: "Ich habe so viel bezahlt! Mehr als mein Kind hat." Also wird auch dieser Streit fortgeführt. Ein Urteil ist nicht in Sicht. Womöglich, weil auch für die Bewertung des künstlerischen Nachlasses kein Experte zu finden ist, der von allen Seiten als unparteiisch anerkannt wird.

"Der Lebenswandel von Jörg Immendorff ist für mich nicht zu durchschauen", seufzte einst Benedikt Bräutigam, der Berliner Anwalt der Künstler-Witwe. Wie Justiz und Kunstmarkt zu zuverlässigen Entscheidungen kommen sollen, bleibt ungewiss.

(RP)
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