Schau im museum kunst palast Immendorff - ganz nah

In keinem anderem Medium gab Jörg Immendorff, der kürzlich verstorbene Düsseldorfer Künstler, so viel von sich preis wie in der Zeichnung. Die Blätter, die jetzt im "museum kunst palast" zu sehen sind, erzählen indirekt sein Leben und seinen künstlerischen Werdegang nach.

 Einige Bilder von Jörg Immendorff werden in der Küppersmühle gezeigt.

Einige Bilder von Jörg Immendorff werden in der Küppersmühle gezeigt.

Foto: ddp, ddp

Düsseldorf Der Katalog zur Ausstellung erscheint erst später, und dafür gibt es einen triftigen Grund: Christoph Danelzik-Brüggemann, Kurator der Schau "Jörg Immendorff - Zeichnungen. 1960-2003" im Düsseldorfer "museum kunst palast", hat in Immendorffs Atelier zahlreiche Schubladen aufgezogen und im Nachlass noch manch Aufregendes entdeckt, so dass es ihm ratsam erschien, dies noch in die Ausstellung aufzunehmen. Zuvor war Immendorff selbst an den Vorbereitungen beteiligt, bis ihm der Tod ein Ende setzte.

So nimmt die Schau jetzt den Charakter eines Vermächtnisses an. Vom ersten Blatt, das Immendorff als Schüler komponierte, über die geradezu überbordende Fülle von Blättern, die er in den Jahren 1978/79 produzierte, bis zur letzten der ausgestellten Arbeiten zieht sich eine Botschaft, die der Maler, Zeichner, Bildhauer und Pädagoge immer wieder auch seinen Studenten eintrichterte: Als Künstler musst du etwas riskieren, sonst kannst du dir die Arbeit sparen.

Der Reigen der rund 300 mit Kuli und Tusche, Dispersionsfarbe und Bleistift komponierten Blätter, an denen sich bei gedämpftem Licht die Betrachter im Grafikraum des Museums vorbeischlängeln können, führt von den turbulenten sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bis zu jenem Zeitpunkt, an dem Immendorff krankheitshalber den Stift nicht mehr sicher führen konnte. Schon früh gab sich Immendorff als Inhalts-Künstler zu erkennen. "Wir erklären uns gegen den Krieg in Vietnam", so heißt es auf einer wilden Unterschriftenliste vom 15. Dezember 1965. Sie enthält immerhin die Namenszüge von Polke, Palermo, Tadeusz und seinem Lehrer Beuys.

In der Lidl-Zeit (1968-1970), den Jahren, in denen Immendorff innerhalb einer Künstlerinitiative die Kunst um Aktionen und Veröffentlichungen erweiterte, vermischen sich Ästhetik und Politik zu einer plakativen, zugleich stark expressiven Malerei, die an Kirchner und Corinth, Feininger und Dix anknüpft.

Der Besucher der Ausstellung durchlebt mit Immendorff dessen maoistische Phase (mit der, künstlerisch gesehen, seine politischen Gesinnungsgenossen nichts anfangen konnten) und stellt überrascht fest, wie abrupt sie vom Thema der deutsch-deutschen Teilung abgelöst wird. Im Gemälde-Zyklus "Café Deutschland", dessen Motive sich im zeichnerischen Werk vielfach widerspiegeln, begegnet man dem Künstler selbst und seinem damals noch in der DDR lebenden Freund A. R. Penck. Im Ambiente einer Düsseldorfer Diskothek verkörpern sie die Tragödie der deutschen Teilung.

Immendorff hatte eine unmittelbare Beziehung zu diesem seinerzeit zumal in linken Kreisen nicht sonderlich populären Thema. Er stammte aus Bleckede an der deutsch-deutschen Grenze und wusste somit, wovon er sprach, malte und zeichnete.

Einige Meter weiter erscheint auf einem schwarzweißen Blatt A. R. Penck nicht mehr als gleißende Lichtgestalt, sondern als Figur, der ein Absturz droht. Das Verhältnis zwischen den beiden hatte sich offenkundig abgekühlt, nachdem Penck in den Westen Deutschlands übergesiedelt war. Es folgen die "Café de Flore"-Bilder, mit denen Immendorff an Guttusos "Caffè Greco" anknüpfte, die Bühnenbilder unter anderem für "A Rake's Progress" von Strawinsky, einige Zeichnungen, in denen er sich mit der Stadt Düsseldorf auseinandersetzte, und abstrahierende Baby-Bilder, mit denen er an realistischere Ausführungen des Motiv aus den sechziger Jahren anknüpfte. Immendorff war jetzt gerade Vater einer Tochter geworden und entdeckte das Thema, an dem ihn einst die Wildheit und Freiheit eines Säuglings interessierte, aufs Neue.

Auch sonst zieht sich manches Motiv durch die Ausstellung. Immendorff malte und zeichnete sich gern, bis hin zur Selbstentblößung, und meinte damit die Institution des Künstlers, der seinen eigenen Weg geht. Gerade der "Maleraffe" verkörpert diese Eigenständigkeit: der von der bürgerlichen Gesellschaft als Affe verspottete Künstler, der sich von derlei Hohn nicht beirren lässt, sich eher noch in seiner Außenseiterrolle bestätigt fühlt. Verstörung, Irritation, Krise - das waren Immendorffs große Themen vor allem in den neunziger Jahren. Kurator Danelzik-Brüggemann erinnert auf unserem Rundgang daran, dass Immendorff damals äußerlich das Gegenteil verkörperte: In Lederklamotten trat er als Macho auf.

Die Ausstellung endet mit dem Jahr 2003, obwohl Immendorff auch danach noch eine Weile zeichnete, bis er am Ende seine Entwürfe nur noch mit Hilfe eines Computers umsetzen konnte. Die letzten Werke zeigen ihn krankheitsbedingt nicht mehr auf der Höhe seines Könnens. Das pompöse Porträt des vormaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder wirkt angesichts der Zeichnungen im "museum kunst palast" wie eine Maske nicht nur des Porträtierten, sondern auch des Porträtisten. Wer der Person Immendorff ganz nahe sein will, dem werden die Zeichnungen am eindringlichsten den Weg zu ihm weisen.

museum kunst palast, Ehrenhof 4-5
Öffnungszeiten: Di - So: 11-18 Uhr, Mo geschlossen
Eintrittspreis: 6 Euro, ermäßigt 4,50 Euro

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