Kolumne Mein Düsseldorf Im Bioladen glutenfreie Brötchen holen

Düsseldorf · Die Zeit der Verkäuferinnen in Latzhosen sind vorbei: Die neuen Bio-Geschäfte in Düsseldorf setzen auf durchgestyltes Personal und moderne Theken.

Nun hat der Bioladen also auch entdeckt, wie schick es ist, schick zu sein. Vorbei die Zeiten, als dort bedeutungsschwer dreinschauende Damen in Latzhosen und lila gefärbten Moltontüchern um den Hals uns sogar non-verbal klarmachten, wie sozial unkompatibel unser Lebensstil war, der uns hienieden alsbald ins Verderben führen würde. Das Heil sollten wir finden in verschrumpelten Äpfeln, beige-blasser Wurst und hellbraunem Brot, das nicht nur wie geriebene und gebackene Pappe aussah, sondern auch so schmeckte.

In diesem Stil angeboten wäre Bio heute so tot wie die künstliche Pelle um den Billigbrutzler vom Discounter. Die neuen Läden - wie der jetzt in Oberkassel im Belsenpark eröffnete - unterscheiden sich äußerlich nicht mehr von den Supermärkten der großen Ketten. Essbares und vermeintlich Gesundes appetitlich präsentieren heißt das Motto. Also: helles Licht, moderne Theken, durchgestyltes und gut geschultes Personal. Nix mit dem unheilschwangeren Appell ans (schlechte) Gewissen, sondern Genuss wird verkauft. Dass der dort dem Wohlbefinden zuträglicher ist als bei den anderen, wird subtil über dezente Farben (gerne grün und aubergin) und mit Hilfe exotisch klingender Namen kommuniziert. Kammut-Brötchen klingt halt besser als Rosinen-Mürbchen, und weil das Backwerk glutenfrei ist, darf es sogar was mehr kosten - über einen Euro das Stück.

Gluten? Das Wort kannte vor wenigen Jahren - ähnlich wie vegan - kaum einer. Aber heute ist das Zeug, das (vegan übrigens auch) mit der Betonung auf der zweiten Silbe ausgesprochen wird, in aller Munde - weil: Es ist des Teufels und schuld an allen möglichen fiesen Sachen wie Ausschlag, fahler Haut, Verstopfung und Durchfall.

Ein Widerspruch? Nee - nicht bei den Menschen, die dran glauben. Einige von ihnen sind sicher allergisch dagegen. Aber wenn jeder, der heute auf glutenfrei schwört, tatsächlich damit Probleme hätte, dann muss man sich fragen, wieso es frühere, gänzlich gluten-ahnungslose Generationen, nicht - wie weiland die Pest - größtenteils dahingerafft hat.

Nun ja - vielen Menschen dieser Stadt geht es eben sehr gut, und das ist auf Dauer langweilig. Also müssen, wie damals im niedergehenden alten Rom, neue Reize her. Pasta und Ciabatta statt Panem et Circenses, sozusagen. Pure Polemik? Ja, klar - und hiermit sei daher bei allen wirklich Kranken um Verzeihung gebeten.

Die Häufung von allerlei Wohlstandsmarotten vor allem in einer Stadt wie Düsseldorf ist indes nicht zu übersehen. Erfreulicherweise hat sie hohen Unterhaltungswert. Wie das neulich publizierte Angebot von Tierschützern, Tipps für die vegetarische Ernährung von Hunden zu geben. Was wohl die eh neurotischen Emmas, Willis und Antons dazu sagen . . .

Ähnlich gaga auch der Hang des urbanen Hedonisten, am Steuer seines Autos masochistischen Gelüsten zu frönen. Oder wie ist es sonst zu erklären, dass die Defender-Dichte in keinem Stadtteil so hoch ist wie im feinen Oberkassel? Dort, wo es schick ist, mittags bei Saitta ("Ciao, Giuseppe!" oder "Ciao, Michelangelo!" - man duzt sich!) zwei Gläschen Lugana mit ein wenig Antipasti zu haben, schrille Retro-Fahrräder zumindest vor der Tür stehen und man Aceto Balsamico gern zum Entkalken nimmt, falls der Jura-Automat daheim den Ristretto verweigert. Wo ein Geschäft "nordic daughter" heißt und so cool ist, wie es klingt. Ausgerechnet dort muss es für viele der Defender sein. Jener Offroad-Dino, der einen schlechteren Geradeauslauf hat als ein Fiat Panda und dessen Federung Orthopäden jubeln lässt angesichts baldiger Rekordumsätze. Immer blitzblank sind diese - oft militärisch-grünen - Kisten im Quartier unterwegs, kein Dreck (woher auch?) hängt am Kotflügel, der bei diesem Wagen eigentlich seinem Namen Ehre machen sollte und dies auch kann.

Der Gipfel des Ausstattungs-must-have ist der knapp zwei Meter hohe Schnorchel vorn links. Das hoch gereckte Ding (Achtung, anzüglich!) signalisiert Härte unter allen Umständen und ist eigentlich dafür da, den Motor beim Durchqueren eines Flusslaufs zu beatmen. Dazu kommt es in Oberkassel eher nicht, aber es sieht halt kernig aus, so ein Rohr mit Filter. Neulich sahen wir gar einen blitzenden Defender, an dessen Heck ein Klappspaten geschnallt war.

Wozu der dient? Ist doch klar - jeden Mittwochabend wird im Muggel am Barbarossaplatz alles angegraben, was bei drei nicht auf dem Baum ist.

(RP)
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