Düsseldorf Ideenlabor hilft beim beruflichen Neustart

Düsseldorf · Irgendwann kommt wohl bei jedem der Moment: Waren die Entscheidungen, die ich bisher getroffen habe, wirklich richtig für mich? Möchte ich in Zukunft vielleicht etwas ganz anderes machen? Und wenn ja, was könnte das sein? Die meisten erleben diese irritierende Situation in der Lebensmitte. "Spätestens dann sollte man das tun, was man selber möchte und nicht das, was andere von einem erwarten", sagen Barbara Rörtgen und Tim Prell. Sie nennen sich "Entwicklungshelfer", in ihrem Ideenlabor im Zooviertel helfen sie Menschen dabei, sich neu zu entdecken.

 Die "Entwicklungshelfer" Barbara Rörtgen und Tim Prell im Ideenlabor, Humboldtstrasse

Die "Entwicklungshelfer" Barbara Rörtgen und Tim Prell im Ideenlabor, Humboldtstrasse

Der Raum ist ganz weiß, nichts lenkt das Auge ab, außer einem knallroten Stuhlobjekt, das aus der Wand ragt – und einem Hirschgeweih. Eine Prise Ironie ist hier willkommen. In diesem Raum saß vor einigen Wochen eine Bankerin, Mitte 40, die erzählte, dass sie nicht unglücklich in ihrem Beruf sei, aber an einem Punkt angekommen, an dem es nicht weiter geht. Und dass sie sich eigentlich sehr für besonders gute Lebensmittel interessiere und von einem Laden träume: "Brot, Wurst, Käse." Aber dann gleich einschränkte, das sei natürlich alles Quatsch, nur ein Traum, der sich nicht realisieren ließe.

Wieso eigentlich nicht?" hakten Barbara Rörtgen und Tim Prell nach. Aus ihrer Praxis kennen sie viele solcher Geschichten von Menschen, "die bisher so durchs Leben dümpelten", die Jura studierten, weil ihnen die Eltern dazu geraten hatten, die sich für Medizin entschieden, weil schon der Vater Arzt war. Und die sich nun fragen: Wer bin ich überhaupt? Und welche Bedürfnisse habe ich? "Da kommen oft erschütternde Bilanzen zutage", sagen die beiden Berater, "mancher stellt fest, dass er in der ersten Lebenshälfte überwiegend fremdbestimmt funktioniert hat. Und dass er immer versucht hat, Erwartungen anderer gerecht zu werden."

Die Botschaft, die sie transportieren, soll Mut machen, dass es für kleine, aber auch große Veränderungen nicht zu spät ist: "In dieser Phase der Lebensmitte besteht die Chance, die Weichen neu zu stellen." Wohin die führen könnten, sei allein oft schwierig herauszufinden. Die beiden Profis schaffen das meist in zwei intensiven Gesprächen, die jeweils etwa drei Stunden dauern, bis die neue Zukunft eines Menschen vor ihnen liegt.

Wie bei einer Ratsuchenden, die bisher in einer Botschaft gearbeitet hatte und die im "Ideenlabor" vom Sterben ihrer Eltern erzählte. Daraus entwickelte sich eine Strategie: Schließlich wagte sie einen Neustart als Sterbe- und Trauerbegleiterin, ließ sich zur psychischen Beraterin ausbilden und machte sich selbstständig. "Mit großem Erfolg", berichtet Barbara Rörtgen.

Die beiden "Entwicklungshelfer" halten zu ihren Klienten oft Kontakt. Der Bankerin mit dem Hang zu feinen Lebensmitteln haben sie geraten, ihren "Brot-Wurst-Käse-Laden" tatsächlich zu eröffnen. Aber mit ungewöhnlichen Öffnungszeiten, zusätzlichen Kochkursen und Seminaren über Ernährung. Allein wäre sie darauf wohl nie gekommen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort