Düsseldorf "Ich will meine Krankheit besiegen"

Düsseldorf · Lässt sich Diabetes durch einen veränderten Lebensstil heilen? Ein Jahr begleitet die RP die Düsseldorferin Marion Hauchler, die als Studien-Teilnehmerin gegen die Krankheit kämpft.

Jetzt oder nie! Marion Hauchler wirkt entschlossen. Und voller Zuversicht. Seit 15 Jahren leidet sie an Diabetes Typ 2, dem so genannten Alterszucker, dabei war sie zum Zeitpunkt der Diagnose erst 39 Jahre alt. Da hatte sie bereits einen Herzinfarkt hinter sich, ausgelöst vermutlich durch ihre Diabetes-Erkrankung. Auch trotz täglicher Insulinspritzen sind ihre Blutzuckerwerte in den letzten Jahren nicht gesunken, im Gegenteil. Nun will Marion Hauchler ihr Leben ändern — und die Rheinische Post wird sie auf diesem Weg ein Jahr lang begleiten.

In einer Zeitschrift stieß sie auf die Zeile "Diabetes einfach davon laufen" und auf das spektakuläre Projekt der Telemedizin des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums in Düsseldorf. Dessen Leiter Stephan Martin verkündet unermüdlich seine Botschaft: "Diabetes lässt sich durch einen gesünderen Lebensstil bekämpfen, wenn nicht gar besiegen." Er schätzt, dass von den rund 50 000 Diabetikern in Düsseldorf rund 80 Prozent durch Gewichtsreduzierung und mehr Bewegung ihre Situation entscheidend verbessern könnten. Und weniger Medikamente nehmen müssten.

Aber ganz auf Insulin verzichten, ist das möglich? Für Marion Hauchler wäre das ein Traum, zumal neulich ihr Hausarzt meinte: "Sie können Marathon laufen, vom Insulin kommen Sie nicht mehr weg!" Eine fragwürdige Aussage? Stephan Martin: "Unser Zentrum hat in den letzten Jahren durch verschiedene wissenschaftliche Studien belegt, wie wirksam eine Veränderung des Lebensstils ist." Vor allem in Kombination mit der Telemedizin. Was er darunter versteht, wird Marion Hauchler, als Teilnehmerin der Studie, ab heute ausprobieren.

Dazu wurde sie mit einer Waage, einem Schrittzähler und einem Blutzuckermessgerät ausgestattet — die Daten werden täglich an das Gesundheitszentrum gesendet. Die 54-Jährige, die zurzeit 75 Kilo wiegt (bei einer Größe von 1,63 Meter) spritzt seit vier Jahren Insulin und hat in dieser Zeit acht Kilo zugenommen. "Ich habe immer Appetit". Sie berichtet von einem fatalen Kreislauf: "Von Insulin bekommt man Hunger. Man isst, manchmal eben auch Schokolade oder andere Süßigkeiten. Wenn die Blutzuckerwerte steigen, müsste man eigentlich noch mehr Insulin spritzen."

Oder man durchbricht diesen Mechanismus. Marion Hauchler beginnt heute mit einer verordneten eiweißreichen Diät, einem Pulver aus der Apotheke, von dem sie sich eine Woche ausschließlich ernähren wird, gleichzeitig wird sie ihre Insulin-Ration halbieren — ihre Blutzuckerwerte werden dabei ständig kontrolliert. Nach einer Woche wird das Pulver mittags durch eine Mahlzeit (Fisch und Salat oder Fleisch und Gemüse) ersetzt. Stephan Martin: "Die Pfunde werden ziemlich schnell purzeln, sie wird sich allein dadurch schon besser fühlen." Und vermutlich genug Energie haben, um ihre anderen Vorsätze in die Tat umzusetzen: "Ich gehe zwei Mal in der Woche zur Gymnastik, außerdem will ich mehr laufen, zu Fuß zum Supermarkt gehen, Treppen steigen statt Lift fahren." Bisher habe sie eher das Gegenteil praktiziert, sie sitzt bei ihrem Job in der Verwaltung der Universität viele Stunden. "Und abends bin ich früh müde." Denn Diabetes, diese Erfahrung teilen viele Patienten, macht träge.

Diese Erkenntnisse sind nicht neu. Stephan Martin berichtet, dass es vielen Diabetikern einfacher erscheint, Medikamente zu nehmen oder Insulin zu spritzen, als selbst aktiv zu werden. In anderen Ländern wie Finnland oder England sei die Erkenntnis längst gereift, dass sich auch eine schwere Erkrankung wie Diabetes deutlich verbessern ließe durch eigenes Handeln. "Deutschland ist in dieser Hinsicht ein Entwicklungsland."

Marion Hauchler wird nun ein Mal in der Woche, am Anfang auch öfter, mit Ursula Brix vom Projekt Telemedizin telefonieren. Die Diabetesberaterin des Gesundheitszentrums überprüft die täglich gesendeten Blutzuckerwerte, das Gewicht und die Schritte, die die Studienteilnehmerin jeden Tag schafft. Sie ist Kontrollinstanz und Motivationstrainerin in einer Person: "Wenn man nur kurze Wege zu Fuß zurücklegt, nur zum Bus geht oder mal eben zum Einkaufen, schafft man vielleicht 4000 Schritte." Aber 10 000 Schritte seien schon wünschenswert.

Was die Kombination aus Gewichtsverlust, Bewegung, Kontrolle und Beratung bewirkt, wird sich zeigen. Marion Hauchler ist optimistisch: "Ich will in einem Jahr zehn Kilo abnehmen. Aber vor allem will ich meine Krankheit besiegen." Wir werden sehen, wie standhaft sie bleibt. In vier Wochen treffen wir sie wieder. Fortsetzung folgt.

(RP)
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