Düsseldorf "Ich glaube daran, gesund zu werden"

Düsseldorf · Maureen Kunze lebte und arbeitete früher auf der Überholspur. Dann kam der Krebs und zwang sie, alles zu ändern.

 Maureen Kunze gab ihre Firma auf. Dass sie selbst auf dem richtigen Weg ist, daran hat sie keinen Zweifel. "Heute habe ich endlich das Gefühl, das richtige Leben zu leben", sagt sie.

Maureen Kunze gab ihre Firma auf. Dass sie selbst auf dem richtigen Weg ist, daran hat sie keinen Zweifel. "Heute habe ich endlich das Gefühl, das richtige Leben zu leben", sagt sie.

Foto: Andreas Bretz

Das Leben von Maureen Kunze lässt sich in zwei Hälften aufteilen: Im ersten Teil war ihr Alltag geprägt von viel Arbeit, wenig Pausen. "Ich war immer auf der Überholspur." Im zweiten Teil hat sie ein paar Gänge runtergeschaltet, da spricht sie von "Innehalten, den Blick nach innen richten." Dabei hat sie ein lange verschüttetes Talent entdeckt, aus dem nun ein Buch mit Gedichten und eigenen Illustrationen entstanden ist. Zwischen diesen beiden Lebenshälften klafft eine Zäsur: Krebs. Doch ihre Gedichte handeln nicht etwa von Krankheit und Angst, sie besingen das Leben, Mut, Stärke und Vertrauen.

Eine Altbauwohnung in Oberkassel mit Kuschelecke und himbeerfarbenen Kissen, davor eine Terrasse mit Grünblick. September-Sonne illuminiert Bilder, die bereit sind für den Abtransport. Denn ab morgen wird Maureen Kunze ihre Werke zum ersten Mal ausstellen und ihren Gedichtband vorstellen, "ein großer Schritt für mich", sagt sie. Vor allem aber war es ein großer Schritt, bis sie diesen Punkt ihres Lebens erreicht hat.

Im Jahr 2001 gründete Maureen Kunze eine Event-Agentur, die ziemlich schnell erfolgreich war. Firmenjubiläen waren eine ihrer Spezialitäten, aber sie richtete auch die Mediennacht des damaligen Ministerpräsidenten Wolfgang Clemens aus. "Ich war viel unterwegs, 12-Stunden-Tage waren keine Seltenheit." Ein Jahr später, sie war gerade 42 Jahre alt, bekam sie die Diagnose Brustkrebs. Ihr erster Gedanke: "Du kannst keinen Krebs haben, du hast dich doch gerade erst selbstständig gemacht."

Sie arbeitete weiter wie bisher, ging von der Chemotherapie ins Büro, wo ihre Krankheit tabu war. "Wenn mich jemand fragte, war ich gut drauf." Sie übte die Kunst der Verdrängung bis zur Perfektion. Fünf Jahre später hatte sie plötzlich Rückenschmerzen, glaubte an einen Hexenschuss. Aber der Krebs war zurückgekehrt, saß nun in den Knochen. Sie suchte Hilfe auch außerhalb der Schulmedizin. "Ich hätte auch Heilsteine gelutscht, bis sie nach Lakritz schmeckten." Schließlich begann sie eine Therapie, in der ihr klar wurde, dass ihr Leben geprägt war von Sätzen wie: "Ohne Fleiß kein Preis." Und dass sie, das Scheidungskind von einst, den Schmerz über die Teilung der Familie nie verwunden hatte.

Den Krebs besiegte sie nicht. 2012 wurden Metastasen in der Leber und überall in den Knochen festgestellt. Aber Maureen Kunze gab nicht auf, ihre Suche nach Hilfe brachte sie sogar bis nach Brasilien zu berühmten Heilern. Und schließlich zu der Erkenntnis, "dass Hilfe nicht allein von außen kommen kann, sondern aus mir selbst. Ich begriff, dass ich endlich die Verantwortung für mein Leben übernehmen musste." Zu diesem Zeitpunkt schrieb sie ihr erstes Gedicht, dem schnell weitere folgten. Eines trägt den Titel: "Du bist gut genug" ein anderes "Tu es für Dich." Als Kind hatte Maureen Kunze gern gemalt, nun erinnerte sie sich daran. Sie malte einen Kreis, plötzlich hatte der viele Zacken, "er sah aus, wie aus Stacheldraht, ich habe das so interpretiert, als seien das alles meine Verletzungen." Da hat sie aus jedem Stachel ein Herz gemalt, so ist ein Herzensbild entstanden, das dem Betrachter vielfarbig entgegen leuchtet.

Zu Beginn dieser neuen Kreativität schuf sie Engelsbilder von beinah kindlicher Naivität, später malte sie kraftvolle Abstraktionen, die Gedichte, die sie diesen Bildern zuordnete, tragen Titel wie "Der Weg." Dass sie selbst auf dem richtigen Weg ist, daran hat sie keinen Zweifel. Ihre Firma hat sie im letzten Oktober aufgelöst, wie es mit ihr beruflich weiter geht, weiß sie noch nicht. "Aber ich glaube fest daran, gesund zu werden." Heute habe sie endlich das Gefühl, das richtige Leben zu leben, "ich möchte mit der Maureen von früher nicht mehr tauschen." Und wie geht es ihr jetzt? In ihrer ersten Lebenshälfte hätte sie jetzt ganz schnell "alles gut" gesagt. Heute denkt sie lange nach. Erst dann kommt die Antwort: "Ich fühle mich kraftvoll."

(RP)
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