Fotografin Die Ära Becher ist zu Ende

Düsseldorf · Acht Jahre nach ihrem Mann Bernd ist Hilla Becher in Düsseldorf gestorben. Die Fotografen haben mit ihren Arbeiten von industriellen Bauten Weltruhm erlangt. Zu ihren Meisterschülern gehört Andreas Gursky, der ein Weltstar ist.

 Die Fotografin Hilla Becher starb im Alter von 81 Jahren in Düsseldorf.

Die Fotografin Hilla Becher starb im Alter von 81 Jahren in Düsseldorf.

Foto: dpa, de_hpl ve sab gfh

Man wird Hilla Becher nie vergessen, denn ihr Werk ist auf Ewigkeit angelegt. Ein Werk, das es kein zweites Mal gibt auf der Welt, das neben ihr als Urheberin stets auch den Namen ihres Mannes Bernd trägt. Bernd und Hilla Becher sind weltberühmt. Sie stehen für die Gründung einer Fotostilistik, die so ungewöhnliche Motive wie Hochöfen, Wasser-, Förder- und Kühltürme, Silos und Fabrikhallen auf Papier bannte und in Museen zur Schau stellte. Menschenleer, emotionslos, sachlich und kühl sind diese in Serie angefertigten Schwarz-Weiß-Typologien. Das ist nur das eine Verdienst.

Zudem sind Bernd und Hilla Becher die Begründer einer Fotoklasse an der Düsseldorfer Kunstakademie, deren Meisterschüler wie Andreas Gursky, Thomas Ruff, Thomas Struth oder Candida Höfer das Medium Fotografie versachlichten und individuell erneuerten. Bis heute treiben sie es nach vorne, verhelfen ihm international zu Ruhm und Höchstpreisen.

Bis zum Tod künstlerisch aktiv

Nun wird man von Hilla Becher, wie auch von ihrem vor acht Jahren gestorbenen Mann Bernd, nur noch schwärmen können, von der Menschlichkeit, der Professionalität, der unbedingten Hingabe zur Kunst. Mit 81 Jahren ist die gebürtige Potsdamerin, die seit Jahrzehnten in Düsseldorf in der alten Kaiserswerther Schule lebte und arbeitete, gestorben. Schon länger hatte sie im Rollstuhl sitzen müssen infolge einer Rücken-Operation, der sie sich nach einem Sturz von der Leiter unterziehen musste.

Doch grundsätzlich war sie gut drauf, künstlerisch aktiv. Das Werk, das sie Ende der 1950er Jahre gemeinsam mit ihrem Mann begonnen hatte, wollte sie als Lebenswerk zu Ende bringen. Das Archiv musste geordnet werden, vieles war ihrer Meinung nach unvollendet geblieben. Vor wenigen Tagen noch hatte sie putzmunter an dem Erinnerungsabend für Galeristin Dorothee Fischer im Düsseldorfer Ständehaus K 21 teilgenommen.

"Mit Hilla Becher verliert die internationale Kunstszene eine ihrer wichtigsten Persönlichkeiten. Ihr wacher Geist und der untrügliche Blick prägten eine ganze Generation von Künstlern." So drückte gestern die Kunstsammlung des Landes NRW ihr Bedauern aus, in deren Beständen zahlreiche Becher-Werke sind. Tatsächlich gehörte Hilla Becher wie auch ihr Mann einer Künstlergeneration an, die aus einer Haltung heraus arbeitete und dieser Haltung lebenslang treu blieb.

Klassiker von Anfang an

1959, vor dem aufbegehrenden Jahrzehnt und zur gleichen Zeit, in der in Düsseldorf die Stunde null der Zero-Gruppe schlug, entstanden Bechers erste Fotos in der Grube Eisenhardter Tiefbau. 1959 arbeitete das Paar schon zusammen, der Graphiker und die von der Ruhrgebiets-Industrie faszinierte Fotografin. 1964 kam Sohn Max zur Welt. Das Frappierende: Die Fotoarbeiten wurden von Anfang an als Klassiker angesehen, sie mussten nicht erst dazu reifen.

In der pulsierenden Kunstszene Düsseldorfs hatte sie früh Galerist Konrad Fischer anerkannt und über die Jahrzehnte vertreten. Heute hängt ihr Werk in den Sammlungen der Welt. Widerständlich gegen den Zeitgeist blieb das Paar seinem Sujet und seiner Methode treu. 50 Jahre lang hat es kaum etwas anderes fotografiert als Industrierelikte und Fachwerkhäuser. Seine Studenten hingegen ermunterte Bernd Becher energisch zur Innovation.

Wesentlich an ihren Arbeiten ist der Verzicht auf subjektive Einflussnahme und jegliche dramatische Überhöhung. Das Künstlerpaar erklärte seine Motive zu anonymen Skulpturen und vertrat eine unverkennbar konzeptuelle Herangehensweise. Dafür wurden Bernd und Hilla Becher 2001 mit dem Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. 2003 würdigte die große Retrospektive mit Stationen im K21 der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, dem Münchner Haus der Kunst und dem Pariser Centre Georges Pompidou das einmalige Werk der Bechers.

Stets im Team mit ihrem Mann Bernd

Stehen sie am Ende wie Sieger in der internationalen Kunst- und Ausstellungslandschaft da, so brachen sie doch auf als Pioniere. Ohne Mittel waren sie mit ihrem VW-Bulli und dem Söhnchen an Bord in den 1960ern von Ort zu Ort gereist, um zu arbeiten. Die Erfahrungen der Mittellosigkeit bei gleichzeitiger Erdung, ja Bodenständigkeit stärkten Hilla Becher, selbst als sie ihren Mann verlor.

Man hatte viel geschafft, darauf war sie stolz. In den 1970er Jahren hatten sie durch ihre Arbeit sogar die Essener Zeche Zollern (heute Zollverein) vor dem Verfall gerettet. Hilla und Bernd Becher haben stets im Team gearbeitet, gedacht, geplant. Nie kam es darauf an, wer auf den Auslöser drückte. Dafür sind sie vielfach ausgezeichnet worden. Bis zuletzt behielt Hilla Becher die Signatur des Paares bei. So jetzt geht eine Ära zu Ende.

(RP)
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