Neue Ausstellung im Hetjens-Museum Das Maus-Orakel aus Burkina Faso

„In Frauenhand“: Das Hetjens-Museum zeigt Keramik aus Westfafrika. Mischwesen aus Mensch und Tier zieren viele Objekte.

 Eine Schatzkiste aus der Komaland-Kultur: Stücke in der Schau „In Frauenhand - Keramik aus Westafrika“. Vorn ein vermenschlichter Rochen.

Eine Schatzkiste aus der Komaland-Kultur: Stücke in der Schau „In Frauenhand - Keramik aus Westafrika“. Vorn ein vermenschlichter Rochen.

Foto: Anne Orthen (orth)

Tier-Orakel sind fast so alt wie die Menschheit. Nicht immer funktionierten sie so schlicht und eindeutig, aber auch fehlbar wie Schwein, Eisbärbaby und Tiger bei der Fußball-Weltmeisterschaft. In alten, bis ins 20. Jahrhundert nachwirkenden Kulturen war oft ein Deuter nötig - wie bei jenem Maus-Orakel des Hetjens-Museums, das es aus dem Depot in eine bemerkenswerte Ausstellung geschafft hat: „In Frauenhand – Keramik aus Westafrika“.

Dieses Orakel stammt aus Burkina Faso, aus der Ethnie der Bobo. Es besteht aus einem Topf mit zwei Ebenen, die durch ein Loch verbunden sind, und einem Deckel. Man nehme eine Maus, setze sie mit mehreren Holzstiften und Futter ins Gefäß und lasse sie darin bei geschlossenem Deckel ein wenig verweilen. Je nachdem, wo das Tierchen beim Entfernen des Deckels sitzt und in welcher Ordnung die Stifte liegen, kann ein Wahrsager wie weiland die Priesterin Pythia in Delphi die Zeichen deuten – dabei aber genauso falsch liegen wie Schwein und Co.

Die keramische Wahrsage-Box stammt aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, gründet aber sicherlich in einer entsprechenden Tradition. Unter den gut 80 Stücken der Ausstellung zählt sie zu den unscheinbaren. Die Stars der im Keller etwas unterbelichteten Schau sind dagegen Mischwesen aus unterschiedlichen Tierarten oder aus Mensch und Tier, die entweder Gefäße zieren oder als eigenständige Skulpturen auftreten: Pfeifenköpfe etwa, auch sie aus dem 20. Jahrhundert, ebenfalls aus Burkina Faso. Diese Fratzen mit jeweils einem hohen, kronenartigen Aufsatz wurden tatsächlich zum Rauchen benutzt, und der Duft von Tabak, so bezeugt es eine Mitarbeiterin des Museums, durchzieht die Pfeifen noch heute. Hergestellt wurden sie von Männern – eine Ausnahme, denn die Herstellung von Keramik war im Westen Afrikas Frauensache.

Maus-Orakel und Pfeifenköpfe wirken diesseitig, der Schwerpunkt dieser Keramik vom südlichen Kontinent liegt auf religiösen Motiven. Zu den eindrucksvollsten, ästhetisch eigenständigsten Stücken zählt eine Grabstele der Woyo aus Zaire/Kongo. Auf dem Gefäß liegt die Figur eines Toten in Reliefform, umgeben von winzigen Totenschädeln. Darunter zieren übereinander zwei Figuren zwischen mehreren Öffnungen die Plastik. Dienten die Öffnungen dazu, die Seele des Verstorbenen in die Ewigkeit zu entlassen? Viele Fragen bleiben Rätsel.

So lässt sich von den rund 500 Jahre alten, teilweise janusköpfigen Figuren der Komaland-Kultur in Ghana nur unter Vorbehalt sagen, dass sie Objekte eines Totenkults waren. Der Umstand, dass einigen die Füße fehlen, legt nahe, dass sie als Steckfiguren ein Grab schmückten.

Ebenfalls aus Ghana stammen Porträts der Ashanti aus dem 18. Jahrhundert. In diesem Staat mit seinen reichen Goldvorkommen bildete Kunst vor allem die Rangordnung der Herrscher und des Hofes ab. Forscher haben herausgefunden, dass diese Bildnisse an einen Gedenkort gestellt wurden, damit die Seelen Verstorbener 40 Tage Zeit hatten, ins Jenseits zu fliegen. Danach durfte die Keramik verwittern.

Und was hat der Steinkrug aus dem Westerwald zwischen westafrikanischer Keramik zu suchen? Er erzählt eine Geschichte. Westerwälder Keramik war ehedem ein Exportschlager. In Afrika schätzte man sie vor allem wegen ihrer Glasur; so etwas kannte man dort nicht. Missionare brachten das gute Stück später in die Heimat zurück – jene Steyler Missionare aus Sankt Augustin, deren Nachfolger jetzt etliche Werke ihrer Sammlung nach Düsseldorf liehen.

Das ist schön, legt aber auch die Frage nahe, ob alle Stücke der Schau rechtmäßig im Besitz ihrer heutigen Hüter sind. Daniela Antonin, Direktorin des Hetjens-Museums, erklärt auf Anfrage, dass zumindest zu den afrikanischen Objekten ihres Hauses bislang keine Forderungen nach Rückgabe eingegangen seien. Auch die Leihgeber hätten bei ihren Erwerbungen das Thema Raubkunst stets im Blick gehabt. Es scheint also, dass man sich an den keramischen Spiegeln afrikanischer Naturreligion vorbehaltlos erfreuen darf.

Manchmal muss man sich arg tief bücken, um die Beschriftung der Vitrinen zu lesen, doch ist es nur recht und billig, dass Europa sich vor Afrika verbeugt. Denn nicht nur Picasso schöpfte seine Kunst aus den bizarren Formen der Yoruba, der Dakakari und der Nupe.

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