Tonhalle Helge Schneider gibt sich zu Düsseldorf die Ehre

Düsseldorf · Zur Vorbereitung auf den Abend noch einmal die DVD "00 Schneider – Jagd auf Nihil Baxter" von 1994 angeschaut. Nach wie vor erhebliches Staunen darüber, dass erstens Christoph Schlingensief an der Kamera stand und zweitens ein Kinofilm komplett ohne Sinn auskommen kann. So sind es düstere Ahnungen, die die Fahrt zur ausverkauften Tonhalle überwölken.

 ARCHIV: Der Musiker Helge Schneider sitzt in Leipzig auf der Leipziger Buchmesse auf dem blauen Sofa und praesentiert sein Buch "Eine Liebe im Sechachteltakt" (

ARCHIV: Der Musiker Helge Schneider sitzt in Leipzig auf der Leipziger Buchmesse auf dem blauen Sofa und praesentiert sein Buch "Eine Liebe im Sechachteltakt" (

Foto: ddp, ddp

Zur Vorbereitung auf den Abend noch einmal die DVD "00 Schneider — Jagd auf Nihil Baxter" von 1994 angeschaut. Nach wie vor erhebliches Staunen darüber, dass erstens Christoph Schlingensief an der Kamera stand und zweitens ein Kinofilm komplett ohne Sinn auskommen kann. So sind es düstere Ahnungen, die die Fahrt zur ausverkauften Tonhalle überwölken.

Aber zu Helge Schneider fährt man nicht einfach nur hin, man folgt eher einem geheimen Ruf — wie: "Komm, hier haste ne Mark!" So ist zumindest der Titel des neuen Programms, der freilich mit dem neuen Programm nicht das geringste zu tun hat.

Wie ohnehin das Wort "Programm" zu verwegen erscheint für jene Mischung aus Liedern wie "Ackerfurchenaufstand", einer schrägen Led-Zeppelin-Parodie und den Bemühungen, den uralten Sergje als menschliche Kanonenkugel in die Umlaufbahn zu schicken. Letzteres scheitert, weil Streichhölzer fehlen. Das arme Volk im dritten Rang der hübschen Düsseldorfer "Turnhalle" — wohin die alberne Holzkanone nämlich schon zielte — hat also noch einmal Schwein gehabt.

Doch da sind wir schon kurz vor der Pause dieses denkwürdigen Abends, den Helge Schneider im klassischen Entengang einleitet — bis zum Mikro, das folglich viel zu hoch ist und das der 54-jährige Mülheimer erst einmal runterschrauben und zur gelungenen Introduktion nur ein einziges Wort sagen muss: "Maffay". Später dann: "Peter Maffay". Noch später wird er verraten, dass Maffay (ach was) putzig klein ist und er (Schneider) hofft, dass er (der putzig kleine Maffay) nicht im Saal ist.

Noch viel später wird es richtig ernst, als der taubenblau-Gewandete erklärt: "Juppie Heesters ist" (lange Pause) "gescheitert, bei dem Versuch, daheim einen Kaffee zu erpressen." Die meisten Zuhörer atmen auf und erfahren dann: "Wie lange ist der schon tot? 20 Jahre? Dafür singt er aber noch ganz gut."

Kürzlich ist Helge Schneider zum sechsten Mal Vater geworden, was unmittelbare Auswirkungen aufs Programm hat. Ein noch ziemlich junger Sprössling seiner Sippe sitzt auf kleinem Plastikstühlchen am Bühnenrand ("Babysitter sind zu teuer"), der aber bald hierhin, bald dorthin wandert, sogar zwischen den Musikern seiner Band "Die Drops" mit dem legendären Pete York am erhöhten Schlagwerk. Nicht einmal auf die knappe väterliche Unterweisung "Sitz!" mag das Blag reagieren, weshalb von Schneiders persönlichem Pagen (im Grunde ist er ein formidabler Bühnensklave) in die Backstage-Finsternis verfügt wird.

Zwischendrin und gegen Ende immer mehr gibt's Musik — viel Jazz und Blues darunter, ein bisschen B. B. King. Und ein schön gekämmter Helge Schneider singt und spielt Flügel, Saxophon und Blockflöte, Xylophon, Akustik- und E-Gitarre. Einmal eben durchs Sortiment — die Turnübungen neben und über der Klavierbank nicht einmal eingerechnet. Und wozu all diese Übungen und Verrenkungen? Vielleicht zu kundigen Einsichten wie diesen, gesprochen gegen Ende eines grotesken, feinsinnigen und leichtherzigen Abends: "Ich glaube", sagt Schneider unter dem Sternenhimmel der Tonhalle, "dass es uns gar nicht gibt; oder nur in einer Parallelwelt — und wir sind bloß die Schauspieler." Sogar der putzig kleine Peter Maffay.

(RP)
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