Düsseldorfer Kunstberater Helge Achenbach „Ich sitze hier wie der Berg in Kaarst - und die Leute kommen“

Düsseldorf · Bei seinen Deals war Helge Achenbach wie ein „Junkie, der den nächsten Schuss braucht“. Seinen Aufstieg und Fall hat der Kunstberater in einer Autobiografie verarbeitet. Fazit: Trotz allen Tiefs ist der Berater wieder gefragt.

 Der Kunstberater Helge Achenbach blättert in seinem Buch "Selbstzerstörung".

Der Kunstberater Helge Achenbach blättert in seinem Buch "Selbstzerstörung".

Foto: dpa/Oliver Berg

„Helge is back“ - Das ist Helge Achenbachs erster Satz im Gespräch. Stolz schwingt da mit und vielleicht etwas Trotz. Deutschlands einst bekanntester Kunstberater war von allen abgeschrieben worden. Vier Jahre saß Achenbach im Gefängnis. Den Aldi-Erben Berthold Albrecht hatte Achenbach mit fingierten Rechnungen um rund 20 Millionen Euro betrogen. Heute kauft Achenbach selber bei Aldi ein. Bei 2000 Euro im Monat und Ratenzahlungen an Sparkasse und Finanzamt sind Edel-Restaurants nicht mehr möglich.

Achenbach hat seinen Aufstieg in die Welt der Milliardäre, seinen Absturz in den Knast und seine Rückkehr ins Leben in einer Autobiografie verarbeitet. „Selbstzerstörung“ ist sie betitelt (Erscheinungstag 16. Oktober). Das klingt, als ob jemand ganz unten angekommen wäre. Das ist Achenbach aber nicht.

Seit seiner Haftentlassung im Juni 2018 ist er als Kunstberater wieder gefragt. „Ich sitze hier wie der Berg in Kaarst - und die Leute kommen“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. Achenbach betreibt auf einem Hof in Kaarst bei Düsseldorf - im niederrheinischen Flachland - einen Verein für verfolgte Künstler.

Ein Comeback im Kunstgeschäft schließt Achenbach nicht aus. Es gebe da „spannende Projekte“, und er werde oft angesprochen. Da war zum Beispiel der Belgier mit einem angeblichen Kokoschka-Bild, dessen Echtheit Achenbach prüfen sollte. „Es war gefälscht.“ Oder die Einladung nach Mallorca. Und dann der junge Milliardär, der ihn angesprochen habe. „Das tut auch meiner Seele gut“, sagt Achenbach. „Mein großes Ziel ist, dass ich am Ende schuldenfrei sterbe.“

Mit Luxus-Kunstmessen, Vernissagen und Schickeria will Achenbach allerdings nichts mehr zu tun haben. Den „Tanz ums Goldene Kalb“ könne er nicht mehr ertragen. „Ich kann es nicht mehr hören. Es ist alles so ein verlogenes Gesabbel.“

Dabei hat Achenbach das Spiel Jahrzehnte mitgespielt. Bei seinen Geschäften sei er wie ein „Junkie, der den nächsten Schuss braucht“ gewesen, schreibt er. „Süchtig nach Größe und Anerkennung.“ Er führte ein Leben wie im Vollrausch. Kunst karrte er wie Massenware mit Sattelschleppern bei Banken oder Versicherungen vor und behängte Bürowände binnen weniger Tage mit 300 bis 400 Kunstwerken von Beuys bis Richter. Irgendwann hatte er den Bentley von Beuys, wollte aber auch den Mercedes von Krupp. Hatte 10 Millionen Umsatz und wollte 50 Millionen. Nun sitzt Achenbach auf einem Schuldenberg von geschätzten 20 bis 30 Millionen Euro.

Achenbachs Firmengeflecht ist pleite, seine Kunstsammlung wurde zwangsversteigert - „verramscht“, wie er sagt. Ehefrau Dorothee ließ sich scheiden. Achenbach wurde Untermieter von Enthüllungsjournalist Günter Wallraff, fing an zu malen und unterstützt mit seinem Verein Culture without Borders Künstler aus Syrien und Afrika.

Zwar rechnet Achenbach mit dem Kunstmarkt ab, doch Namen nennt er kaum. „Ich will ja nichts beschmutzen“, sagt er. Allerdings saßen ihm wohl auch die Anwälte vor allem der Albrecht-Familie im Nacken. „Schwärzungen gibt es nicht“, sagt ein Sprecher des Münchner Riva-Verlags.

Fragwürdige Deals hätten ja alle gemacht - „Museumsdirektoren, Kuratoren und sogar einige der wichtigsten deutschen Künstler“, schreibt Achenbach. „Wer sich in diesem Haifischbecken bewegt, egal ob Händler, Galerist oder Künstler, weiß, dass falsches Spiel hier nicht die Ausnahme ist, sondern die Regel.“

Als er Berthold Albrecht und dessen Frau Babette kennenlernte, nahm er sie sofort in seinen „Verteiler interessanter Menschen“ auf. „Ich nannte es Pflege einer Freundschaft, die mir vielleicht auch geschäftlich irgendwann einmal nützlich sein könnte“, schreibt Achenbach. „Klar habe ich ihnen Zucker gegeben.“ Andere sagen, Achenbach habe die Albrechts „angefüttert wie Karpfen“. Berthold Albrecht habe ihm vertraut, schreibt Achenbach. „Ich musste dringend aufhören, ihn zu bescheißen.“

Freunde aus der Kunstszene sind Achenbach nicht viele geblieben. Mit Gerhard Richter telefoniert er öfter. Tony Cragg und Andreas Gursky seien auf Distanz gegangen. Aber zu Günther Uecker habe er immer noch ein gutes Verhältnis. Achenbach ist inzwischen ein gefragter Vortragsgast bei Managerseminaren und Kunstfreunden. Sein Thema: das Scheitern.

Achenbachs Freunde Günter Wallraff und Wolfgang Schleypen sorgen dafür, dass der einstige Star unter den Kunsthändlern geerdet bleibt. „Er braucht jemanden, der ihn immer wieder mit dem Lasso einfängt“, sagt Schleypen, der ihn über 40 Jahre kennt. „Das Entscheidende ist, dass es mir gelingt, mich durch die Arbeit doch noch zu befreien“, sagt Achenbach. „Das ist auch eine Frage des Anstands für mich.“

(ham/dpa)
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