Düsseldorf Heines Locke lockt zur neuen Dauerausstellung

Düsseldorf · 250 Exponate bringen den Dichter im Heine-Institut auch menschlich näher. Jeder Raum liegt in der Verantwortung eines Experten. Die Kuratoren stellen ihre Lieblingsstücke in Führungen vor.

 Eine Original-Locke des Dichters Heinrich Heine liegt in einer Vitrine im Heine-Institut. Das Gemälde in Hintergrund zeigt Heines Mutter Betty.

Eine Original-Locke des Dichters Heinrich Heine liegt in einer Vitrine im Heine-Institut. Das Gemälde in Hintergrund zeigt Heines Mutter Betty.

Foto: Endermann

Die Ausstellung verschafft Durchblick. Zunächst für die Mutter des weltberühmten Dichters. Betty Heine (1771-1859) schaut auf dem Gemälde von Isidor Popper streng und vielleicht auch ein wenig besorgt unter ihrer Haube hervor. Durch zwei Fenster in den Innenwänden kann sie in den nächsten und auch übernächsten Raum schauen, bis ihr Blick auf ein zweites Porträt triff - auf das von Harry Heine, ihrem Sohn: von Krankheit gezeichnet und vom Tod nicht allzu weitentfernt. Eine ungeschönte Blickachse ist das: Betty Heine wird ihren Sohn um drei Jahre überleben.

Das ist die inszenierte Spannung der neuen Heine-Dauerausstellung, die nach tatsächlich neun Monaten kreativer Arbeit im vergangenen März das Licht der Düsseldorfer Literaturwelt erblickte. Seither ist ein wenig Alltag in diesem Großprojekt eingekehrt, mit dem neue Wege in dieser Königsdisziplin der ohnehin schwierigen Literaturausstellung beschritten wurden. Stärker als früher werden jetzt die Lebens- und Zeitumstände gespiegelt; die Präsentation der Texte bleibt überschaubar, dafür ist die Zurschaustellung von Originalexponaten umso farbenfroher.

250 Stücke - davon 152 Originale - auf 180 Quadratmetern und in neun Räume nett unterzubringen, verlangt ein kluges Konzept. Das scheint gelungen: Inzwischen interessiert sich auch die Museumsfachwelt für die Schau mit ihren großen Signetfahnen im Heine Haus.

Zu den Grundlagen dieses Erfolgs gehörte im Vorfeld sicherlich die ausführliche Befragung nach den Wünschen der Besucher, zum anderen aber, dass jeder Raum in die Verantwortung eines Heine-Experten im Haus gelegt wurde. Es ist, als habe man das Prinzip der großen Düsseldorfer Heine-Ausgabe - bei der jeweils ein Wissenschaftler einen Band betreute - auch aufs Haus übertragen. Dieser Zugang hat offenbar für den besonderen Ton der neuen Ausstellung gesorgt. Denn neben aller Wissenschaftlichkeit und professionellen Sorgfalt ist auch die Schwärmerei für die Schätze zu spüren, die aus dem Archiv ins erste Obergeschoss wandern durften. Wobei die Auswahl schon keine Kleinigkeit war, bei rund 20 000 verfügbaren Heine-Seiten.

Um den Dichter auch menschlich näher zu bringen, wurden Dokumente ausgesucht, die Heines aufwendigen Schreibprozess zeigen, das ständige Umschreiben oder auch Streichen seiner Texte, manchmal auch deshalb, weil ihm die Zensur im Nacken saß und Heine zum frustrierten Satz an seinen Verleger ermunterte: "Sie drucken es ja doch nicht." Obligat für die neue Schau war hingegen die Präsentation eines aufbewahrten Kuriosums - eine Locke des Dichters.

Zum Ende von "Romantik und Revolution" wird man im nachempfundenen Salon aus Heines Zeit in die Welt des Dichters und anschließend mit den Übersetzungen der ersten Loreley-Strophe in 17 Sprachen in alle Welt katapultiert. Ganz zum Schluss lauert dann noch unsere Gegenwart, im sogenannten Literaturlabor. Wand-Tablets und Tisch-Touchscreens scheinen mittlerweile unvermeidlich, aber auch fast nervig zu sein, bis man vor ihnen Platz genommen hat, zu spielen, zu schauen und die Zeit zu vergessen beginnt.

Heine-Lektüre kann man nicht verordnen, man kann nur dazu anregen, sagt Institutsleiterin Sabine Brenner-Wilczek. Und das wollen die Institutsmitarbeiter ab der kommenden Woche verstärkt betreiben mit den sogenannten Kuratorenführungen. Dabei wollen die Ausstellungsmacher schlicht und einfach ihre Lieblingsstücke präsentieren, deren Geschichte und Bedeutung erzählen - eine kleine Heine-Schwärmerei also betreiben. Und vor jeder Führung werden die Kuratoren ihre Faszination für einzelne Objekte in einer Serie in unserer Zeitung beschreiben.

(RP)
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