Händler „Der Großmarkt ist mein Leben“

Düsseldorf · Wilhelm Andree ist gestern 83 geworden – und hat wie seit 41 Jahren an seinem Gemüsestand auf dem Großmarkt gearbeitet. Viele Besucher kamen zum Gratulieren vorbei.

 Wilhelm Andree sitzt in seinem Büro auf dem Großmarkt. Seit 41 Jahren verkauft er hier Obst und Gemüse – auch an seinem Geburtstag.

Wilhelm Andree sitzt in seinem Büro auf dem Großmarkt. Seit 41 Jahren verkauft er hier Obst und Gemüse – auch an seinem Geburtstag.

Foto: Anne Orthen (ort)/Orthen, Anne (ort)

Wenn die Morgendämmerung so langsam das Dunkel der Nacht über dem Düsseldorfer Großmarkt vertreibt, kehrt innerhalb der Verkaufshallen allmählich Ruhe ein. Die Auktionen sind vorüber, die Lieferanten längst auf dem Weg zu den Verbrauchern und die Ware ist größtenteils wieder in den Kühlhäusern verschwunden. Doch im Büro von Wilhelm Andree herrscht weiter Hochbetrieb. Ununterbrochen klingelt das Telefon. Ein Besucher nach dem anderen gibt sich die Klinke in die Hand. Natürlich sind auch viele Kunden darunter. Doch das Gros der Besucher, wie auch Oberbürgermeister Thomas Geisel, sind am gestrigen Freitag aus einem anderen Grund in der Verkaufshalle acht erschienen. Sie sind nämlich vor allem gekommen, um Andree zu seinem 83. Geburtstag zu gratulieren.

Der Gemüsehändler ist eine Koryphäe des Großmarkts. Das wird jedem klar, der ihn für einige Minuten bei der Arbeit beobachten darf. Auch wenn Sohn Willi an diesem Tag ausnahmsweise das Hauptgeschäft leitet – kaum eine Anfrage, eine Lieferung, ein Anruf vergeht, ohne dass der 83-Jährige nicht einen Blick darauf geworfen hat. Schließlich ist er auch schon seit 41 Jahren im Geschäft, Tendenz weiter steigend. „Auch wenn ich 100 Jahre alt werde, ich bleibe dabei“, sagt er in typischer Hammer Mundart. Verantwortung für seine berufliche Tätigkeit zu übernehmen, das lernte der unverwüstliche Senior schnell. Bereits im Alter von zwölf Jahren musste er den elterlichen Hof von seinem an Tuberkulose gestorbenen Vater übernehmen. Tagsüber bewirtschaftete er damals mit seinen Geschwistern und der Mutter bei Wind und Wetter über zwanzig Morgen Land. An Schule war da nicht mehr zu denken. Mit 16 fuhr er dann nachts persönlich zum Großmarkt, um die Ernte auf den dortigen Auktionen zu versteigern. Von zehn Uhr abends bis neun Uhr früh, sechs Tage in der Woche und das bei laufendem Hofbetrieb. Mit wenig Schlaf auszukommen lernte Andree also damals schon. „Natürlich denkt man manchmal abends daran, wie schön das Bett doch ist, bevor man zur Arbeit fährt. Aber mehr als vier Stunden Schlaf pro Tag brauche ich in der Regel nicht.“

Mittlerweile kümmert sich Sohn Willi um den landwirtschaftlichen Hof, der inzwischen auf 100 Hektar Ackerfläche und 15.000 qm² Gewächshaus-Fläche angewachsen ist. Aus seinem Büro heraus mit den vielen Erinnerungsfotos von Enkeln, Fortuna-Spielen und der zum Erntedankfest reich mit hofeigenem Gemüse bestückten Andreaskirche ist Andree aber trotzdem nicht zu kriegen. Auch wenn ihn Schicksalsschläge wie ein Herzinfarkt oder der Sturz von einem LKW-Sitz mit anschließendem Bruch zweier Rückenwirbel in den vergangenen Jahren immer wieder zurückwarfen. „Der Großmarkt ist doch mein Leben“, sagt er. Einer der Gründe, warum er weiter vehement für den Erhalt der alten Verkaufshallen im Norden Düsseldorfs kämpft.

Auch wenn er mal nicht arbeitet, dreht sich in seiner Freizeit trotzdem alles um die Landwirtschaft. Urlaub macht er in der Regel nur bei einem befreundeten Bauern in Schleswig-Holstein. Früher züchtete er zudem aus Spaß an der Freude Ziegen, Hühner und Schweine. „Doch die sind irgendwann so zahlreich geworden, dass ich sie abgeben musste. Das war dann kein Hobby mehr, sondern richtige Arbeit. Auch wenn sie mir immer große Freude bereitet haben.“ Anstelle der Tiere nehmen nun seine drei Enkel den Großteil seiner knappen Freizeit ein. Immerhin scheint dadurch auch der Fortbestand des Familienbetriebs schon gesichert: Enkelsohn Liam (5), die Kurzform von Wilhelm, zeigt zumindest schon reges Interesse an den Hoftreckern.

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