SPD-Spitzenkandidatinn sieht sich als "Teamarbeiterin", die zuhören kann. Gudrun Hock: Die Leidenschaftliche

Düsseldorf (RP). Das Café "Herr Spoerl" an der Tußmannstraße ist Teil einer früheren Papierfalz-Fabrik. Generationen von Arbeitern haben hier einst geschuftet. Heute locken das heimelige Ambiente mit dem dunklen Holzmobiliar und der Geruch von frisch gebrühtem Milchkaffee Studenten, Freigeister und Künstler ebenso wie allein erziehende Mütter, Yuppies und Büromenschen. Ein beziehungsreicher Ort für ein Treffen mit der SPD-Spitzenkandidatin. Gudrun Hock hat ihn für unser Frühstück ausgesucht. "Ich mag Hinterhöfe, die Platz für Kreativität und Fantasie lassen", sagt sie. Die alte Fabrik Spoerl, in der Jung und Alt, Arm und Reich unter einem Dach leben, mit Café und Wohnungen, Werbeagentur und Schmuckdesignerin ist für die Kandidatin so etwas wie ein Modell für die ganze Stadt. "Wir brauchen Wohlfühlorte in den Stadtteilen, glatte Fassaden des Prunks und des Protzes gibt es schon genug."

Fabriken kennt die Frau im dunkelblauen Business-Kostüm aus eigener Anschauung aus jener Zeit, als sie als Studentin nebenher am Fließband arbeitete. "Damals habe ich gelernt, Menschen zuzuhören", erinnert sie sich. Gudrun Hock kommt aus einfachen Verhältnissen. Der Vater war technischer Angestellter, die Mutter Stickerin. Der typische SPD-Stallgeruch haftet der "bekennenden Stadtfrau" aber nicht an. In ihrer bayerischen Heimat nahe Aschaffenburg lernte sie den "Kreuzottergang", der Kinder beim Blaubeerensammeln vor dem Biss der Giftschlange schützt: Das Ziel fest im Auge behalten, aber immer auch nach rechts und links schauen. So hat sie" immer gehalten auf ihren steilen Weg nach oben - bis heute: "In der Kommunalpolitik läuft das nicht anders, man muss Meinungen ausloten, Widerstände erkennen." Das Etikett "Karrierefrau" mag sie übrigens nicht. "Eine Falle der Männer, die Frauen ein schlechtes Gewissen machen soll."

Sie selbst sieht sich als Teamarbeiterin und "Stadtpolitikerin aus Leidenschaft". Die Fernsehbilder vom Fall Saigons in den letzten Tagen des Vietnamkriegs 1975 haben sie als Schülerin "elektrisiert" und ihr Interesse an Politik geweckt. Das Misstrauensvotum gegen Willi Brandt 1972 hatte sie am Kofferradio unter der Schulbank verfolgt. "Er war ein Vorbild für uns alle, eine Kultfigur", erinnert sie sich. Ihre Leidenschaftlichkeit, die sich auch im Privatleben, beim Lesen, Kochen oder Schwimmen zeigt, empfindet Hock als Geschenk, ebenso wie ihr Äußeres. Wenn Gerhard Schröder sie öffentlich als bald "schönste Oberbürgermeisterin Deutschlands" betitelt, ist ihr das nicht peinlich. Blond und langbeinig - "manche Frauen stört es, wenn sie so reduziert werden", sagt Hock. "Ich rate da zu Gelassenheit. Mit 46 Jahren muss ich niemandem beweisen, dass ich denken kann."

Die diplomierte Volks- und Finananzwirtin ist auch ein Zahlenmensch. Das verdankt sie womöglich der Katholischen Kirche. Als Achtjährige trug sie den Klingelbeutel rund, zählte die Geldstücke akribisch und rollte sie ein. "Ich bin ein religiöser Mensch", sagt die SPD-Kandidatin. Dass sie sich für Familien stark macht, selbst aber keine Kinder hat, ist für sie kein Widerspruch. "Ich habe Kinder gewollt, doch es sollte nicht sein." Die Rolle einer "Stadtmutti" behagt ihr nicht. "Ich setze mich für Bürger ein, will sie aber nicht behüten."

Persönlich:

(alfa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort