Auf Ein Wort Henrike Tetz Gott gibt mir meine Individualität

Düsseldorf · Individualität ist heute mehr denn je gefragt. Wir wollen nicht in der Menge mitlaufen, sondern uns von anderen unterscheiden. Deshalb wählen wir aus, welche Kleidung wir tragen, wie wir unsere Wohnung einrichten, was wir essen, an welchen Orten wir anzutreffen sind. Wir bilden uns unsere eigene Meinung und entwickeln eine individuelle Sicht auf die Dinge. Uns von anderen zu unterscheiden, ist wichtig für unser Lebensgefühl. Dann spüren wir, dass wir einen Unterschied machen in der Welt.

 Henrike Tetz

Henrike Tetz

Foto: Endermann

Wenn wir ehrlich sind, wissen wir aber auch um die Illusionen, die mit unserer Suche nach Individualität verbunden sind. Selbst wenn wir uns nicht zum "Mainstream" zählen, sind unsere persönlichen Lebensweisen doch von Strömungen abhängig, die uns mit anderen verbinden. Auch die kreativsten Köpfe können nicht losgelöst von anderen Personen neue Ideen entwickeln.

Die Macht, aus nichts etwas zu erschaffen, ist eben eine göttliche Eigenschaft. Trotzdem ist die Sehnsucht nach Individualität unser ständiger Begleiter. Blicken Menschen auf ihr Leben zurück, fragen sie sich: Was bleibt? Gibt es Spuren, die von mir erzählen, auch wenn ich selbst nicht mehr lebe? Oder versinkt mein Leben in ein dunkles Nichts? Diese Fragen führen nicht selten in eine Zerreißprobe, die uns schwanken lässt zwischen Selbstüberschätzung und Resignation. Oder wir trösten uns mit Überlegungen, wie unser Leben dadurch verlängert wird, dass Menschen sich an uns erinnern. Die christliche Botschaft von der Auferstehung gibt eine andere Antwort: "Ich lebe und ihr sollt auch leben", spricht Gott. Was von meinem Leben bleibt, ist nicht abhängig von der Erinnerung anderer Menschen. Denn mit meiner Person und meinen Lebenserfahrungen, den Erfolgen und Niederlagen, dem Glück und den Ängsten bin ich geborgen und gehalten - nicht nur in diesem Leben, sondern sogar durch den Tod hindurch. Meine Individualität muss ich nicht selbst konstituieren oder durch Illusionen erschaffen, denn sie ist mir von Gott unverbrüchlich geschenkt - für immer unverwechselbar.

PFARRERIN HENRIKE TETZ IST SUPERINTENDENTIN DES EVANGELISCHEN KIRCHENKREISES DÜSSELDORF.

(RP)
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