„Goldene Blogger“ in Düsseldorf „WasTaraSagt“ gewinnt – und setzt überraschendes Zeichen für Diversität

Düsseldorf · Die „Goldenen Blogger“ sind zurück in ihrer Heimat: Der Social-Media- und Influencer-Preis wurde am Abend im Düsseldorfer Medienhafen verliehen. Am Ende kam es zu einer spektakulären Wendung.

Goldene Blogger 2023 in Düsseldorf: Die Gala in Bildern
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Goldene Blogger 2023 in Düsseldorf ausgezeichnet

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Foto: Constantin Ranke

Mit dieser Wendung des Abends hatte wohl keiner gerechnet: Die offiziell gekürte „Bloggerin des Jahres“ Tara-Louise Wittwer („WasTaraSagt“) freute sich zwar sehr über ihren Preis – wollte ihn aber nicht annehmen. Deshalb gab sie ihn kurzerhand weiter, an Dragqueen Aria Addams, die vorher in der Kategorie „Entertainment“ als einzige leer ausgegangen war. „Ich möchte diesen Preis an jene weitergeben, die sich für noch wichtigere Dinge einsetzen, etwa für Diversity“, sagte Wittwer vor etwas perplexem Publikum. „Es ist für viele schwierig, sich gegen die Algorithmen der sozialen Netzwerke durchzusetzen, und ich hasse das.“ Anschließend rief Wittwer Aria Addams auf die Bühne – die gar nicht wusste, was sie sagen sollte, außer: „Den dicksten Kuss der Welt, Tara!“

Die Organisatoren reagierten schnell auf diese Entwicklung: In diesem Jahr gibt es zwei „Blogger*innen des Jahres“ – nicht nur Aria Addams, sondern auch Tara-Louise Wittwer erhalten die Auszeichung. Wittwer spricht auf ihren Kanälen über toxische Männlichkeit, Aria Addams, Teilnehmerin bei „Queen of Drags“, berichtet über ihren Alltag als Dragqueen. Ebenfalls nominiert als „Blogger*in des Jahres“ waren Jan Hegenberg („Graslutscher“) und Jürgen Geuter („Tante.cc“).

Goldene Blogger 2023: Sieger in der Übersicht – wer hat gewonnen?
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Das sind die „Goldenen Blogger“ 2023

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Es war einer der Momente, in denen klar wurde: Bei diesem Social-Media- und Influencer-Preis geht es nicht einfach nur um bunte Bilder und lustige Videos im Netz – die „Goldenen Blogger“ haben einen gesellschaftlichen Anspruch. Insgesamt wurde der Preis in 19 Kategorien verliehen. Ausgewählt wurden die Nominierungen aus 3700 Vorschlägen, die im Vorfeld bei den Veranstaltern eingegangen waren, darunter alle möglichen Online-Angebote, von Tiktok- und Instagram-Accounts über Newsletter bis hin zu klassischen Blogs.

Einer der Publikumslieblinge am Abend: der 28-jährige Schauspieler Tom Böttcher. Er wurde mit Videos auf Tiktok und Instagram bekannt, in denen er Sketche in der Machart der Augsburger Puppenkiste im echten Leben dreht. Wie er darin seine Beine so täuschend echt schweben lässt, wollte er aber auch auf der Bühne der „Goldenen Blogger“ nicht verraten. „Es haben so viele auf Tiktok selbst versucht das nachzumachen und waren so kreativ dabei, teilweise kreativer als ich – das Geheimnis möchte ich deshalb einfach nicht verraten.“

Meeresbiologe widmet seinen Preis den Tieren

In der Kategorie „Grüne Blogger*in“ wurde der Meeresbiologe Robert Marc Lehmann ausgezeichnet, der auf Instagram die Zuschauer zu Naturschutzprojekten und auf Forschungsexpeditionen mitnimmt – und damit „die Welt zu einem besseren Ort machen“ will. „Ich möchte viele Menschen inspirieren, nicht mehr in Zoos zu gehen und Zirkussen Geld in den Rachen zu werfen“, so Lehmann. Seinen Preis widmete er „allen, die keine Stimme haben, nämlich den Tieren“.

Live aus Kiew zugeschaltet war ARD-Ukraine-Korrespondent Vassili Golod, der von seiner journalistischen Arbeit im Kriegsgebiet berichtete. „Ich habe früh mitbekommen, was Propaganda mit Menschen macht – dass sie nicht mehr zugänglich für Argumente sind, an absurde Dinge glauben“, so Golod, der familiäre Wurzeln in Russland und der Ukraine hat. „Wir versuchen deshalb die Fakten nach Deutschland zu bringen, um alle Menschen zu informieren.“ Dafür gab es lauten Applaus vom Publikum. Nominiert war Golod, der früher auch für die Rheinische Post tätig war, in der Kategorie „Journalismus“. Gewonnen hat hier das Format „Lohnt sich das?“, in dem Menschen offen über ihr Einkommen sprechen. In ihrer Dankesrede sprachen die Macherinnen und Macher den Ukraine-Korrespondenten noch einmal an: „Diesen Preis widmen wir auch dir, Vassili!“

Weitere Auszeichnungen gingen an die Mütter Vanessa und Ina („Coupleontour“), die auf Instagram über einen Schlaganfall Inas kurz vor der Geburt ihrer Tochter Liv berichten, an den sicherheitspolitischen Podcast „Sicherheitshalber“, und an den auf Tiktok als „Fußballlinguist“ bekannt gewordenen Simon Meier-Vieracker. Sieger in der Kategorie „Celebrity“ wurde der Fernsehmoderator Jörg Draeger.

Für sein Lebenswerk „Langstrecke“ ausgezeichnet wurde Björn Christian Harste, der seit 1999 täglich aus dem Supermarkt-Leben berichtet. Ebenfalls für sein Lebenswerk wurde Koch und Buchautor Stevan Paul in der Kategorie „Food“ prämiert.

„Locker wie ein Reh vor der Flutlichtbatterie“

Nicht alle Kategorien waren jedoch ganz ernst gemeint: Laut Veranstaltern satirisch zu sehen ist die Auszeichnung „Blogger ohne Blog“ – „und die muss man nicht gendern, denn die Nominierten sind alles Männer“, witzelte Moderator Thomas Knüwer. Den Preis ging in seiner Abwesenheit an Investor Carsten Maschmeyer, der sich damit gegen den Philosophen Richard David Precht und den Multimilliardär Elon Musk durchsetzte. Knüwers Kommentar zur Auszeichnung Maschmeyers: „Auf LinkedIn präsentiert er sich so unverstellt und locker wie ein Reh vor der Flutlichtbatterie.“ Dieser Preis wurde im Übrigen als einziger vom Publikum im Saal mitbestimmt – per „Applausometer“, also gemessen an der Lautstärke des Jubels vor Ort.

Bestimmt wurden die Preisträgerinnen und Preisträger in einer Mischung aus Online- und Akademievoting. Online konnten Interessierte im Vorfeld und noch während der Gala abstimmen. Die Akademie der „Goldenen Blogger“ wiederum besteht aus jenen, die in den Vorjahren gewonnen haben.

Moderiert wurde die Gala von der Digitalberaterin Franziska Bluhm und dem Berater Thomas Knüwer, beide aus Düsseldorf. Daniel Fiene, der Dritte im Gründerteam der „Goldenen Blogger“ nahm nach längerer Krankheit nur als Zuschauer an der Preisverleihung teil. Musikalisch untermalt wurde die Gala von „Grillmaster Flash“ und der gleichzeitig Nominierten Coremy („Wir holen uns Zero Points for Germany“). Im Livestream sahen zeitweise mehr als 200 Zuschauer zu.

Anmerkungen: In einer früheren Version hatten wir geschrieben, die Tochter Liv von „Coupleontour“ habe einen Schlaganfall gehabt. Richtig ist, dass ihre Mutter Ina einen Schlaganfall kurz vor der Geburt hatte. Wir haben das korrigiert.

Zudem: Die Veranstalter nutzen für die Schreibweise ihrer Preis-Kategorien das Gender-Sternchen. Da es sich um Eigennamen handelt, übernehmen wir die Schreibweise.

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