Inzidenz-Wert über 100 Gesundheitsamt Düsseldorf stellt Kontaktverfolgung auf Doppelschichten um

Düsseldorf · Die Sieben-Tages-Inzidenz in Düsseldorf ist erstmals auf mehr als 100 gestiegen. Die Corona-Bekämpfung stellt das Gesundheitsamt vor große Herausforderungen. Das Personal für die Kontaktverfolgung wird erhöht. In die Kritik gerät die Gesamtstrategie.

 Die Kapazität am Drive-in-Testzentrum an der Mitsubishi-Electric-Halle kann auf 2000 Tests verdoppelt werden.

Die Kapazität am Drive-in-Testzentrum an der Mitsubishi-Electric-Halle kann auf 2000 Tests verdoppelt werden.

Foto: Stadt Düsseldorf/Ingo Lammert

Düsseldorf Die Corona-Zahlen steigen und steigen, die Aufgaben für das Düsseldorfer Gesundheitsamt nehmen zu. Die Kontaktpersonennachverfolgung (Kona)  von Corona-Infizierten wird immer wichtiger, um Infektionsketten zu durchbrechen. Amtsleiter Klaus Göbels, selbst Infektiologe, sieht das System belastet, glaubt aber, dass die Situation in Düsseldorf noch beherrschbar ist, auch wenn die Inzidenz jetzt bei 100,8 liegt (plus 167 Fälle am Donnerstag). Die Zahl gibt an, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner in einer Woche infiziert wurden. Für Göbels stellt sich angesichts der aktuellen Lage die Frage, ob die Strategie der Corona-Bekämpfung überdacht werden muss.

Die Stadt meldete diese Woche, dass 20 weitere Kräfte das Kona-Team ergänzen sollen. Das Personal aus den Stadtteil-Büchereien Eller, Flingern, Garath, Oberkassel, Rath, Unterbach, Unterrath und Wersten wird zudem abgezogen, die Filialen schließen am Montag. Auch zehn Mitarbeiter des gerade geschlossenen Kaufhofs am Wehrhahn haben sich für diese Aufgabe gemeldet. Der Rahmen ist von Göbels und seinem Team aber weiter gesteckt. Aktuell arbeiten im Kona-Team 68 Personen. Eine Abfrage innerhalb der Stadtverwaltung hat ein weiteres Potenzial von 180 Kräften ergeben. Neue Schulungsformen werden vorbereitet, auch Kräfte im Homeoffice sollen eingebunden werden. Zusätzliche Unterstützung seitens der Bundeswehr, der Bundes- oder Landespolizei ist bislang nicht angefordert.

Je nach Entwicklung der Pandemie kann das System verändert werden. Ein Zwei-Schichten-System soll eingeführt werden. Jeder Mitarbeiter schafft am Tag die Nachverfolgung bei zehn bis 15 Fällen, es werden im Schnitt fünf bis acht Kontakte pro Infiziertem nachverfolgt. Wo ist die Grenze des Schaffbaren? Während andere Ämter dafür den Inzidenzwert 100 angeben, spricht Göbels von mehreren hundert bis zu 1000. Genau kann er es nicht abschätzen. Was er aber weiß: „Ich kann nicht ausschließen, dass wir in einigen Tagen auch in Düsseldorf einen Inzidenzwert von 250 oder mehr haben.“ Göbels verfolgt täglich die Zahlen des  Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten. Niederlande, Belgien, Tschechien: Dort liegen die Inzidenzen zwischen 300 und 500. Da kann man nicht ausschließen, dass dies bald auch hier der Fall sein wird.

Wie mit dieser Herausforderung umgehen? Früh und viel zu testen, ist das Eine. Die Landeshauptstadt hat dafür die notwendige Infrastruktur. Aktuell sind drei Testlinien im Drive-in an der Mitsubishi-Electric-Halle eingerichtet, bis zu 1000 Abstriche am Tag können dort durchgeführt werden. Relativ kurzfristig kann die Kapazität auf 2000 Tests verdoppelt werden. Besonders wichtig aber ist die Mitwirkung der Bürger bei der Kontaktpersonennachverfolgung. „Seien Sie ehrlich und offen, machen Sie mit“, appelliert Göbels an die Bevölkerung. Düsseldorf habe ein diffuses Infektionsgeschehen, bei dem viele Infizierte nicht wissen, wo sie sich angesteckt haben.

Der mündige Bürger, der die Grundregeln der Corona-Prävention befolgt, ist Göbels wichtiger als die detailreiche Fortschreibung der Corona-Schutzverordnung. „Maske, Abstand, Handdesinfekltion und Lüften, darauf kommt es an.“ Es müsse eine Balance zwischen der Corona-Bekämpfung und der Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Tätigkeit gefunden werden.

Göbels stimmt dem Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, zu, der im Interview mit unserer Redaktion   „dauerhaft überbordende Zwänge“ kritisiert, die dazu führten, „dass die Menschen es irgendwann leid sind und sich an nichts mehr halten, Gefahren unterschätzen und leichtsinnig werden“. Dies gelte es zu verhindern.

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