Düsseldorfer Historiker sichtet Akten Gestapo-Berichte werden öffentlich

Düsseldorf · Die Leitstelle der Geheimen Staatspolizei Düsseldorf war die zweitgrößte im Deutschen Reich. Historiker Kurt Düwell hat mit seinem Team die Akten gesichtet, sortiert und wird die Lageberichte aus der NS-Zeit kommentiert veröffentlichen. Der erste Band soll in einem Jahr erscheinen.

 Düsseldorf im Jahr 1937: Zum Besuch Adolf Hitlers stehen die Bürger Spalier und haben die Schadowstraße mit Hakenkreuzen geschmückt.

Düsseldorf im Jahr 1937: Zum Besuch Adolf Hitlers stehen die Bürger Spalier und haben die Schadowstraße mit Hakenkreuzen geschmückt.

Foto: Stadtachiv Düsseldorf

Die Geheime Staatspolizei Düsseldorf war keine gewöhnliche Leitstelle im Dritten Reich: Sie kontrollierte 4,15 Millionen Menschen und war damit die größte nach Berlin. Lange Zeit hatte sich kein Forscher an das Mammutprojekt herangetraut, die Lageberichte aus dieser Zeit zu bearbeiten.

Erhalten sind sie, aber zu groß war der Berg von Akten, und es mangelte an Geld. Nun aber sind der Düsseldorfer Historiker Kurt Düwell (72) und Ottfried Dascher, ehemaliger Leiter des Hauptstaatsarchivs, einen großen Schritt weiter. 2011 soll der erste Band der kommentierten Lageberichte erscheinen.

Etwa 170 Mitarbeiter hatten zur NS-Zeit für die Gestapo-Leitstelle in Düsseldorf gearbeitet. Sie schickten ihre Berichte über politische Gegner und die Stimmung im Volk nach Berlin, zur Vorlage bei Gestapo-Chef Heinrich Himmler. Bis heute lagern die Originale in Berlin und die Durchschläge im Landesarchiv NRW.

Der Bestand ist gut erhalten, obwohl die Düsseldorfer Leitstelle in den 40er Jahren ausgebombt wurde. "Zuerst war sie bei der Bezirksregierung am Rhein untergebracht, dann zog sie 1934 an die Prinz-Georg-Straße", erzählt Düwell. Nach dem Bombardement sei sie schließlich nach Ratingen umgezogen.

Für viele Regionen des NS-Staats ist die Dokumentation der Gestapo-Berichte bereits abgeschlossen. Düwell und Dascher begannen 1999, die ersten Lageberichte der ehemaligen preußischen Rheinprovinz zu sammeln. Allein das Zusammentragen dauerte vier Jahre.

Das Projekt ermöglichen ihnen die Gerda-Henkel- und die Fritz-Thyssen-Stiftung. Zur Herausgabe der Bücher hat sich die traditionsreiche Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde in Köln entschieden. Und so kann der fehlende Baustein "Gestapo Düsseldorf" bald ergänzt werden. "Vier Bände sollen es werden", sagt der emeritierte Professor des Historischen Seminars der Heine-Uni. Noch sei der zu bearbeitende Brocken aber so groß, dass man sich erneut nach Mitteln umsehen müsse.

Ein Problem des Projekts, das immer wieder auftauchte, sei auch die Frage, ob die Berichte die Realität abbilden, erklärt Düwell. Wie viel davon ist Spekulation, und welche Selbstwahrnehmung der Gestapo spiegelt sich in den Aufzeichnungen? Die Antworten gibt demnächst die kommentierte Edition. So viel vorab: Die Berichte aus den rheinischen Gebieten sollen einen hohen realistischen Informationsgehalt haben.

Zur Nazizeit waren die Berichte vor allem für die Gestapo-Leitung in Berlin bestimmt. Sie sollte wissen, wie das Volk denkt und wie es wirtschaftlich versorgt ist. Die Beamten nahmen insbesondere politisch Andersdenkende ins Visier. Sie observierten Kommunisten, Juden, Katholiken, Protestanten, Sozialdemokraten und NS-Abweichler. Aufgabe der Leitstelle in Düsseldorf war es außerdem, die westliche Reichsgrenze zu beobachten.

Fluchtbewegungen in die Niederlande, nach Belgien und Luxemburg wurden gemeldet, und die Beamten fahndeten nach ausländischen Agenten. Auffällig in der Gesamtbetrachtung ist, dass relativ wenig Personal eine scharfe Kontrolle der Bevölkerung ausübte: ein Gestapo-Mitarbeiter überwachte im Schnitt 8500 Menschen, die sich durch Denunziation vor allem selbst in Schach hielten. Auch das beweisen die Akten detailliert.

(RP)
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