Flugzeugabsturz in französischen Alpen Der Unglücksflieger A320

Düsseldorf · Die Maschine, die in den französischen Alpen abgestürzt ist, war bereits mehr als 24 Jahre alt, wurde aber zuletzt am Montag überprüft. Es gab Probleme mit dem Bordcomputer.

Germanwings-Absturz: Flugzeug wurde am Montag das letzte Mal überprüft
Foto: Ferl/Radowski

Der Airbus A 320 ist neben der Boeing 737 das meistverkaufte Mittelstreckenflugzeug der Welt — ein zunächst unerwarteter Erfolg. Denn als Airbus Industries am 26. Juni 1988 den neuen Star erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen wollte, kam es zur Katastrophe: Der in Paris gestartete fabrikneue Jet der Air France sollte die Zuschauer in Mülhausen-Habsheim (Frankreich) zunächst vor der Landung spektakulär im Tiefflug passieren, streifte dabei aber einen Wald, der in der Karte der Piloten nicht eingezeichnet war. Die rechte Tragfläche brach ab, der Airbus stürzte in die Bäume. In der brennenden Maschine starben drei Passagiere; 133 Menschen gelang, teils schwer verletzt, die Flucht aus dem Wrack.

Bis heute, so berichtet das österreichische Luftfahrtmagazin "Austrian Wings", sind insgesamt 21 Airbus A 320 durch Unfälle verloren gegangen; andere Quellen berichten sogar von 27 Jets. Mit dieser Rate gilt der A 320 dennoch als sicheres Verkehrsmittel, wurden doch insgesamt 6500 Maschinen gebaut, von denen sich 6200 immer noch bei Fluggesellschaften im Dienst befinden. Der A 320 gilt als "Flugzeugfamilie": Zu ihr gehören der längere A 321 und der ein wenig kürzere A 319. 1999 kam der noch kleinere A 318 dazu.

Bei den Abstürzen und Bruchlandungen starben fast 1000 Menschen. Der letzte Crash einer A 320-Maschine traf am 28. Dezember die indonesische Air Asia und kostete 162 Menschenleben. Die Unglücksursache steht noch nicht genau fest. Der folgenreichste Zwischenfall ereignete sich 2007 in São Paulo, als ein A 320 der brasilianischen Airline TAM über die Landebahn hinausschoss. Alle 187 Insassen sowie weitere zwölf Menschen am Boden starben.

Kritik an Computer-Ausstattung

Wenngleich die Katastrophen jedes Mal auf menschliches Versagen zurückgeführt wurden, war nach den ersten Abstürzen deutliche Kritik an der Computer-Ausstattung des A 320 laut geworden. Airbus führte darum diverse Modifikationen an den Systemen durch, die das Flugzeug immer sicherer machten. Der A 320 war seinerzeit eine Luftfahrt-Revolution: Gesteuert wird der Jet erstmals nicht per Steuerhorn, sondern durch einen kleinen Sidestick wie bei Computerspielen und mit "Fly-by-wire", das heißt, die Steuerbewegungen werden nicht mehr mechanisch unter anderem durch Stahlseile, sondern durch elektrische Signale an die Motoren an den Seiten- und Höhenrudern weitergegeben.

Der Airbus gilt eigentlich als besonders absturzsicher: Das System besteht aus insgesamt sieben sich gegenseitig überwachenden Computern. Doch gerade diese ausgeklügelte Technik steht im Verdacht, den Airbus in Ausnahmefällen zu gefährden, wie es beim schwersten Unglück in der Geschichte der Air France in der Nacht zum 1. Juni 2009 offenbar der Fall gewesen ist: Ein A 330 auf dem Weg von Rio de Janeiro nach Paris stürzte aus sicherer Reiseflughöhe aus zunächst unbekanntem Grund in den Atlantik; alle 228 Insassen starben.

Die Unfalluntersuchung ergab, dass ein sogenanntes Pitotrohr, das die Geschwindigkeit misst, durch Eiskristalle verstopft worden war. Die Folge: Aufgrund der nun unterschiedlichen Messwerte schaltete sich unter anderem der Autopilot ab, und die Flugsteuerung wurde in einem anderen Modus weitergeführt. Die Piloten erkannten nicht mehr, in welcher Fluglage sich die Maschine wirklich befand, und verloren binnen vier Minuten völlig die Kontrolle. Ein ähnlicher Fall soll im November fast zum Absturz einer Lufthansa-Maschine in Spanien geführt haben. Der Computer steuerte die Maschine plötzlich in extremen Sinkflug.

Reiseflughöhe nur eine Minute eingehalten

Seitdem berichten Luftfahrtkreise übereinstimmend, dass deutsche Airlines ihre Piloten verstärkt für solche Notfälle ausbilden. Sie hätten nämlich wegen der immer besseren Technik verlernt, solche Notsituationen zu beherrschen, und vertrauten im Zweifelsfall lieber dem Computer.

Auch beim Absturz der Germanwings-Maschine vermuten Piloten, dass aufgrund der Flugkurve der A 320 die Vereisung eines Messinstruments die Ursache gewesen sein könnte. Das automatische System "Flight Envelope Protection" sorgt dafür, dass Piloten Steuermanöver nur bis zu einer gerade noch sicheren Grenze ausführen dürfen. Erhält es aber falsche Informationen, führt das im schlimmsten Fall zum Strömungsabriss und zum Absturz.

Die Reiseflughöhe von rund 11.600 Meter wurde um etwa 10.35 Uhr erreicht, aber nur eine Minute gehalten, danach ging die Germanwings-Maschine in Sinkflug über. Der Kontakt zu den Fluglotsen brach um 10.53 Uhr ab. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Flughöhe nur noch 1830 Meter. Die Sinkrate lag also bei etwa 1000 Meter pro Minute — etwa wie beim Landeanflug. Dieses offenbar kontrollierte Absinken spricht gegen einen Terroranschlag. Bei einer Detonation an Bord wäre das Flugzeug wesentlich schneller gesunken.

Fragen wirft auf, dass die Piloten vor dem Absturz keinen Notruf mehr abgesetzt haben. Zumindest theoretisch wäre dafür noch genug Zeit gewesen. Waren sie etwa bereits bewusstlos? Es muss auch hier zunächst bei Spekulationen bleiben.

Warten auf die Auswertung der Black Box

Die Kabinenluft im Airbus wird über die Triebwerke angesaugt — häufig die Ursache für gefährliche Öldämpfe. Viermal war Germanwings in letzter Zeit deswegen in die Schlagzeilen geraten: Wie erst durch einen Bericht des "Aviation Herald" bekannt wurde, drangen zuletzt am 9. Januar auf einem Flug von Lissabon nach Köln möglicherweise hochtoxische Dämpfe in die Kabine. Dem Bericht zufolge befand sich der A 320 mit 129 Menschen an Bord gerade im Anflug auf den Flughafen Köln/Bonn, als die Piloten über Funk eine Luftnotlage meldeten und ihre Sauerstoffmasken anlegten. Kurz darauf landete der Jet zum Glück sicher.

Im Mai 2014 hatte wegen eines ungewöhnlichen Geruchs ein Pilot den Start vom Flughafen Cagliari auf Sardinien in Richtung Köln abgebrochen. Ein ähnlicher Fall ereignete sich im Mai 2013 kurz nach dem Start von London nach Stuttgart — die Piloten drehten sofort um und landeten wieder. Im Dezember 2010 soll laut "Austrian Wings" ein A 319 von Germanwings beim Anflug auf Köln wegen der betäubenden Triebwerksöldämpfe im Cockpit sogar nur knapp einem Absturz entgangen sein.

Die genaue Ursache der Katastrophe vom Dienstag wird wohl erst geklärt werden können, wenn die sogenannte Black Box ausgewertet worden ist, die eigentlich orangefarben ist und während eines Fluges alle wichtigen Flugdaten aufzeichnet. Sie befindet sich inklusive Cockpit-Voicerecorder, der die Gespräche der Piloten aufzeichnet, an Bord einer jeden Passagiermaschine und ermöglicht die zuverlässige Rekonstruktion von Unglücken.

Ein neuer Computer an Bord

Die abgestürzte Maschine D-AIPX war mehr als 24 Jahre alt und flog bis 2014 mit dem Städtenamen "Mannheim" im weiß-blauen Farbkleid der Lufthansa. Ein solches Alter stellt aber bei gut gewarteten Flugzeugen kein Problem dar. Anders als bei Autos, bei denen Bauteile in der Regel nur bei Defekten ausgetauscht werden, müssen die Flugzeugbetreiber einzelne Bauteile nach international gültigen Vorgaben in festgelegten Rhythmen erneuern.

Nachdem bei einigen Maschinen Probleme mit dem Bordcomputer bekannt wurden, hat Airbus die Geräte in der gesamten Flotte ausgetauscht — auch die Unglücksmaschine hatte einen neuen Computer an Bord. Nach Angaben von Germanwings-Chef Thomas Winkelmann wurde die Unglücksmaschine zuletzt vorgestern am Düsseldorfer Flughafen von Mitarbeitern der Lufthansa-Technik überprüft.

Der letzte sogenannte C-Check, bei dem die Maschine ein bis zwei Wochen lang durchgeprüft und auch teilweise zerlegt wird, fand entsprechend den Vorschriften im Sommer 2013 statt. Ein C-Check muss etwa alle 3000 Flugstunden (in etwa alle ein bis anderthalb Jahre) durchgeführt werden. Er wird an Gründlichkeit nur noch übertroffen vom sogenannten D-Check, der alle 25 000 Flugstunden oder alle zehn Jahre stattfindet. Beim D-Check wird sogar der Lack abgekratzt, um den Rumpf genauer überprüfen zu können.

Unfallrate auf 0,5 marginalisiert

Trotz des Unglücks bleibt das Fliegen die sicherste Reiseart. Einer Studie von Airbus zufolge hat sich die weltweite Unfallrate der Zivilluftfahrt, also die Wahrscheinlichkeit eines Flugunfalls pro einer Million Flügen, von 13 im Jahre 1962 über 2,3 im Jahre 1983 auf aktuell nur noch 0,5 marginalisiert.

Wäre nicht 2014 eine Passagiermaschine der Malaysia Airlines über der Ost-Ukraine abgeschossen worden und ein weiterer Jet der Fluggesellschaft auf dem Flug nach China spurlos verschwunden, wäre das Luftfahrtjahr 2014 mit 433 Todesopfern das zweitbeste der Geschichte gewesen. So kamen tragischerweise 537 tote Passagiere hinzu, was die Statistik erheblich ins Negative veränderte.

(tor)
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