Sport in Düsseldorf Die unterschätzte Sportart

Düsseldorf · Gehen ist eine Randsportart, nicht jedoch beim SSV Knittkuhl. Mitglied Katrin Schusters hat an der Leichtathletik-EM in München teilgenommen. Außerdem trainiert sie die Kinder im Verein, der gerade sein 50-jähriges Bestehen feiert.

Beim SSV Knittkuhl trainiert Katrin Schusters die Kinder in der Leichtathletik. Unterstützt wird die 25-Jährige dabei von Nils Zander.

Beim SSV Knittkuhl trainiert Katrin Schusters die Kinder in der Leichtathletik. Unterstützt wird die 25-Jährige dabei von Nils Zander.

Foto: Marc Ingel

Es war der bisher aufregendste Moment in ihrem Leben: Bei der von viel Euphorie begleiteten Leichtathletik-Europameisterschaft in München startete Katrin Schusters über 35 Kilometer Gehen. Es war der erste internationale Einsatz im deutschen Trikot für die 25-Jährige, „und dann vor einem solchen Publikum“, sagt die Gerresheimerin, die Mitglied beim SSV Knittkuhl ist. Die Deutsche Vizemeisterin belegte Rang 17, „was nicht so schlecht ist als Amateurin, die nur nach der Arbeit trainieren kann, in einem Feld von lauter Profis“, sagt Schusters, die einfach nur glücklich war, „dass die Sportart Gehen, die als Randsportart sonst ja allenfalls ein Schattendasein in der Leichtathletik führt, endlich auch mal die ganz große Bühne bekam“. Da Erfahrung im Gehen quasi alles ist – die neue Europameisterin ist bereits 38 Jahre alt – hat die 25-Jährige im Verlauf ihrer Karriere noch viel vor.

Beim SSV Knittkuhl leitet Katrin Schusters das Leichtathletik-Training für Fünf- bis Elfjährige. Und dass immer um die 15 Kinder in die Sporthalle der Grundschule Knittkuhl kommen, mag auch an ihrer Popularität im Dorf liegen, immerhin war sie die einzige Teilnehmerin an der Leichtathletik-EM aus Düsseldorf. Denn eigentlich verfügt der Verein vor Ort gar nicht über die Infrastruktur für Leichtathletik, „es geht bei uns in der Halle auch erst einmal nur um Beweglichkeit, Geschicklichkeit und Koordination, es wird gelaufen, geworfen und gesprungen. Der Spaß steht ganz klar im Vordergrund“, erklärt die Geherin, die beim Kinder-Training in Knittkuhl vom angehenden Bewegungs-Pädagogen Nils Zander unterstützt wird, der im Verein ein Praktikum absolviert. „Wenn die Kinder Gefallen an der Leichtathletik finden und sich später einem anderen Verein anschließen, der ihnen die entsprechenden Rahmenbedingungen anbieten kann, ist das durchaus in unserem Sinne“, sagt Christian Klöhn, Vorsitzender des SSV Knittkuhl.

Katrin Schusters belegte bei der EM in München Rang 17. 

Katrin Schusters belegte bei der EM in München Rang 17. 

Foto: SSV Knittkuhl/privat

Die Feinheiten des Gehens wird Katrin Schusters den Kindern in Knittkuhl nicht vermitteln. „Das ist ein so komplexer Bewegungsablauf, der Zwang zum ständigen Bodenkontakt, die Kniestreckung, das alles ist schwer zu erlernen und dauert oft mehrere Jahre“, sagt die 25-Jährige, die von ihrem Vater trainiert wird. Und bekanntermaßen kann eine unsaubere Technik auch bei Kilometer 34 von 35 noch zur Disqualifikation führen. Den möglichen Frustfaktor muss man also immer einkalkulieren. „Ich bin selbst über Umwege zu dieser Sportart gekommen, bin lange gelaufen und habe es dann mit 18 einfach mal ausprobiert. Aber es hat dann Jahre gedauert, bis ich die Technik halbwegs perfektioniert hatte“, sagt die Referendarin am Gymnasium Koblenzer Straße – übrigens ohne Sport als Fach, stattdessen lehrt sie Deutsch und Bio, hinzu kommt noch Geografie als Drittfach.

Beim SSV Knittkuhl ist man natürlich mächtig stolz darauf, eine EM-Teilnehmerin als Mitglied und Trainerin zu haben, was auch gerade in diesem Jahr sehr gut passt, denn der Verein feiert 50-jähriges Bestehen. Der SSV hat fast 1000 Mitglieder, was bei nur etwas mehr als 2000 Einwohnern in Knittkuhl kein schlechter Schnitt ist. Zum Turnen kamen im Verlauf der Jahrzehnte immer mehr Sportarten hinzu, Volleyball und Basketball, Tischtennis und Karate, Badminton und eben Leichtathletik. Aushängeschild ist die Rhythmische Sportgymnastik, der SSV ist hier Landesleistungsstützpunkt und verlässt dafür wie auch bei einigen anderen Sportarten das Dorf, um in anderen Stadtteilen die optimalen Bedingungen vorzufinden – in diesem Fall im Marie-Curie-Gymnasium in Gerresheim.

„Eine ganz wichtige Säule für uns sind aber auch die Gesundheits- und Rehasport-Angebote. Wir sind in erster Linie ein Breitensportclub und dementsprechend auch breit aufgestellt“, erklärt Klöhn. In diesem Zusammenhang war es für den SSV auch selbstverständlich, im März mithilfe der Bürgerstiftung mehr als einem Dutzend ukrainischen Kindern ein Sportangebot zu unterbreiten. All das hat dazu geführt, dass die Mitglieder eben längst nicht nur aus Knittkuhl kommen, sondern gerade Eltern bisweilen weite Fahrten auf sich nehmen, um etwa dem Nachwuchs eine Teilnahme an den Kinderschwimmkursen ermöglichen zu können – um nur ein Beispiel zu nennen.

Dass der SSV im Verlauf von fünf Jahrzehnten nur vier Vorsitzende hatte, spricht für Ruhe und Konstanz im Verein. Auch Corona hat daran nichts geändert, „wir hatten unter dem Strich mehr Neuanmeldungen als Abmeldungen“, sagt Klöhn, der aktuell nur ein Problem benennen kann: „Es fehlt an ausreichend qualifizierten Übungsleitern, aber damit hat ja fast jeder Verein zu kämpfen.“ Ansonsten dürfte der SSV auch die nächsten 50 Jahre locker überstehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort