Düsseldorf Geburten in Wohnzimmer-Atmosphäre

Düsseldorf · Vor 20 Jahren wurde das Geburtshaus Düsseldorf eröffnet. Fast 3000 Mütter entschieden sich seitdem für die Alternative zum Kreißsaal. Die Versicherungskrise der Hebammen hinterlässt aber auch hier ihre Spuren.

Der erste verschwommene Eindruck der Welt wird für das Baby von Nina Krone ein Raum sein, der jederzeit als Wohn- oder Schlafzimmer durchgehen würde. Kerzenschein erhellt die Wände, Stoffe in warmem Orange und helle Holzmöbel - das genaue Gegenteil von dem, was man "klinisch" nennt. Krone entschied sich dafür, ihr Kind im Geburtshaus Düsseldorf zu bekommen. Seit 20 Jahren steht es als Alternative zum Krankenhaus werdenden Müttern zur Geburts- und Schwangerschaftsbetreuung zur Verfügung. Trotz der steigenden Geburtenzahlen musste das Haus im vergangenen Jahr erstmals Mütter ablehnen, da sich durch die derzeitige Versicherungskrise zu wenig Hebammen für die Betreuung fanden. Ist die Zeit der Hebammen und Hausgeburten vorbei?

"Die Freiheit zu wählen, wo man sein Kind bekommt, muss gewährleistet werden. Mütter haben einen gesetzlichen Anspruch darauf", sagt Isabelle Rosa-Bian, Hebamme und eine von drei Geschäftsführerinnen des Geburtshauses. Zusammen mit ihren Kolleginnen bietet Sie eine Eins-zu-Eins-Betreuung für jede Mutter an, die sich für eine außerklinische Geburt entscheidet. Keine Schichtwechsel, keine Krankenhaus-Atmosphäre - das ist das Versprechen des Hauses. Die beiden Geburtsräume erwecken den Eindruck, man befände sich in einem Wohn- oder Schlafzimmer. Gedämpftes Licht, warme Farben und Bilder an den Wänden sollen beruhigend auf die Eltern wirken. Sogar Badewannen sind vorhanden - nicht nur für Wassergeburten, sondern auch als "Eisbrecher". "Das ist oft das Erste, was die Mütter bei uns machen: Ein Bad nehmen", sagt die organisatorische Geschäftsführerin Meike Kemnitz. Auch sie bekam ihre drei Kinder mithilfe einer Hebamme des Geburtshauses, allerdings bei sich zu Hause. Laut ihr habe der Beruf der Hebamme eine Zukunft. "Die Gesellschaft braucht Hebammen, es ist nur die Frage, wie schnell sie das merkt", sagt Kemnitz. In den vergangenen Jahren seien es konstant zwei Prozent der Mütter, die eine Geburt im Geburtshaus oder der eigenen Wohnung einer Klinik vorziehen.

Auch Krone möchte ihr erstes Kind nicht in einem Krankenhaus zur Welt bringen. "Dort gibt es keinen Bezug zwischen Hebamme und Mutter. Hier habe ich die Zeit für eine natürliche Geburt und fühle mich wohl", sagt sie. Für die Entbindung ihres Kindes - errechneter Termin ist der 24. Januar - will Krone neben dem Beistand vom Hebamme Rosa-Bian auch Kerzenschein. "Das ist für mich und das Kind angenehmer." Neben den emotionalen Gründen, die für sie gegen eine klinische Geburt sprechen, habe Krone auch Geschichten über vorschnelle Entscheidungen zum Kaiserschnitt gehört. Rosa-Bian kennt die Zahlen: "Mittlerweile gibt es in Krankenhäusern eine Interventionsrate von 85 Prozent. Mehr als drei Viertel der Kinder kommen in eingeleiteten Geburten, mithilfe eines Wehentropfs oder durch Kaiserschnitt zur Welt." Auch Kemnitz sieht Klinikgeburten kritisch: "In Großbritannien hat das Gesundheitsministerium die Empfehlung ausgesprochen, gesunde Geburten überhaupt nicht mehr in einem Krankenhaus durchzuführen."

Das Jubiläumsjahr 2015 könnte für das einzige Geburtshaus in Düsseldorf auch die 3000. Geburt bedeuten. Wie die Entwicklung des Hauses langfristig verlaufen wird, weiß dort aber keiner zu sagen. "Einigen Müttern mussten wir im vergangenen Jahr schon absagen", sagt Kemnitz. Durch die hohen Versicherungsprämien für freiberufliche Hebammen entschieden sich immer mehr für einen anderen Beruf, eine Eins-zu-Eins-Betreuung sei schwieriger geworden. Neben Kliniken bleiben den werdenden Müttern nur Hebammenpraxen zur Schwangerschaftsbetreuung. "Die leisten aber keine Geburtshilfe", sagt Kemnitz. Das Kind müsste dann in einem Krankenhaus zur Welt kommen.

(bur)
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