Street Art Ganz Düsseldorf ist eine öffentliche Galerie

Düsseldorf · Strichmännchen mit Kult-Status, gelbe Mammuts oder umstrickte Laternenmaste: Öffentliche Kunst findet man an vielen Ecken Düsseldorfs. Das zeigt ein Entdeckungsspaziergang quer durch die Stadt.

Street Art in Düsseldorf
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Street Art in Düsseldorf

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Foto: Anne Peters

Wer Kunst sehen will, der geht klassischerweise ins Museum. Dass man Formen von Kunst aber praktisch an allen Ecken Düsseldorfs entdecken kann, zeigt die Tour de la créativité. Die führt von Bilk in Richtung Stadtmitte und hat so manches Aha-Erlebnis für die Teilnehmer parat. Tourguide Armin Bautsch, der unter dem Namen Ami-One als Graffiti-Künstler aktiv ist, sorgt innerhalb weniger Minuten dafür, dass seine Tour-Teilnehmer Bodenplatten, Ampelmasten und Stromkästen geradezu akribisch absuchen. Denn Freiluft-Kunst versteckt sich überall, lernen die Teilnehmer der Street-Art-Tour.

Das sind Düsseldorfs bemalte Häuser
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Das sind Düsseldorfs bemalte Häuser

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Foto: rpo, Judith Conrady

Start der Tour ist am Kunst- und Kulturzentrum Boui-Boui in Bilk. Zwei großflächige Graffiti - ein Roboter und eine Interpretation der Schlacht von Worringen - stechen sofort ins Auge. Anders sieht das mit einer Arbeit des Graffiti-Künstlers Harald Naegeli aus. Als "Sprayer von Zürich" wurde der heute 74-Jährige in den 70er Jahren bekannt. Er lebt und arbeitet in Düsseldorf und seine abstrakten Strichmännchen begleiten die Tour ebenso, wie der Sticker eines gelben Mammuts. Letzterer stammt vom Mighty Mammut Movement, einer Düsseldorfer Band.

Eine Ecke weiter, an einem Altkleidercontainer, klebt ein künstlerisches Alleinstellungsmerkmal für Düsseldorf: ein Sticker. In diesem Fall ein Hai und ein Wal. Die bunten Klebetiere stammen von Sergei Kravinoff, der die Tierchen angeblich mit seiner kleinen Tochter in der Stadt verteilt. Auch ein Grund, weshalb die meisten seiner Klebearbeiten in Fußhöhe angebracht sind. An einer Unterführung sind die Überbleibsel einer Weihnachtsszene zu sehen, ebenfalls von Kravinoff. "Die Knibbler sind ein Problem für die Sticker-Kunst", sagt Bautsch. Obgleich er darin auch eine Form der Anerkennung sieht. Oft würden Sticker, Figuren, Gestricktes oder andere Elemente aus der Freiluft-Kunst verschwinden. Street Art kenne eben keine geregelten Besitzverhältnisse. Dinge würden verändert oder verschwinden, sagt Bautsch. Ein Beispiel hierfür gibt es am Fürstenplatz: hier sind Sperrpfosten und Straßenlaternen bunt umstrickt. Ein Leuchtturm im Meer, Bienen, und Figuren mit bunten Mützen sorgen für Farbtupfer zwischen den parkenden Autos. Nur der Elefant aus Strick ist weg. "Vor wenigen Tagen war er noch da", sagt Bautsch. Doch auch die Vergänglichkeit sei ein wichtiger Aspekt der Street Art, die Bautsch als Kunstform des Jahrhunderts wertet. Kunst im öffentlichen Raum gäbe es seit dem Bau von Kirchen. Die Ausstattung von Gebäuden mit Zierden beispielsweise, werde seit jeher als Kunst bezeichnet. Heute geht Kunst im öffentlichen Raum eben noch weiter und lässt sich nur lose in Kategorien einteilen. "Ob Graffiti, Sticker oder Tags, bei denen nur Namenskürzel auf Wänden oder Boden angebracht werden - Street Art ist eine Kunstform, die sich ständig weiterentwickelt", sagt Bautsch.

 Damian Bautsch alias Ami-One ist Graffiti-Künstler und wird weltweit für Aufträge gebucht.

Damian Bautsch alias Ami-One ist Graffiti-Künstler und wird weltweit für Aufträge gebucht.

Foto: Isabella Raupold

Dass Street Art einen Beitrag für den öffentlichen Raum leisten kann, zeigt Bautsch anhand der Unterführung an der Ellerstraße. "Die Unterführung war lange als düsterer Angsttunnel bekannt", sagt Bautsch. Weder die Stadt Düsseldorf, noch die Deutsche Bahn wollte sich seinerzeit dazu durchringen, die Fläche für die Street-Art-Künstler freizugeben. Also nahmen Mitglieder der "Freiraum-Bewegung" selbst die Sprühdosen in die Hand und verwandelten den Tunnel in eine öffentliche Galerie. Ein Graffiti reiht sich an das andere, die Neonröhren darüber wirken wie bewusst platziert, die Stahlkonstruktion der Brücke bieten Rahmen für die einzelnen Werke, die durchaus gesellschaftskritisch "Mehr Freiräume für Bewegung" fordern.

Illegale Werbung, Graffiti und Straßenkunst in Düsseldorf
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Illegale Werbung, Graffiti und Straßenkunst in Düsseldorf

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Bei dem Blick für die Kunst weist Bautsch an dieser Stelle aber auch auf die geltende Rechtslage hin. "Natürlich, Graffiti sind illegal aufgesprüht, das Eigentum anderer wird beschädigt", sagt der Künstler. Dennoch handele es sich um eine Form von Kunst im öffentlichen Raum. "Man muss sich natürlich darüber streiten, ob man etwas verschandelt, oder verschönert, und auch die Frage, wer darüber entscheidet, wem der öffentliche Raum überhaupt gehört, muss diskutiert werden", sagt Bautsch. Seine Tour-Teilnehmer hat Armin Bautsch von der Bedeutung der Street-Art in jedem Fall überzeugen können: "Läuft man in seinem Alltags-Trott durch die Stadt und guckt nicht nach links und rechts, sieht man so etwas natürlich nicht", ist das einheitliche Fazit der Teilnehmer, die jetzt sicher genauer hinschauen.

Einen Tipp hat Bautsch am Ende für alle, deren Haus- oder Garagenwände vielleicht unfreiwillig von Sprayern heimgesucht werden: "Gebt eure Wand in die Hände eines professionellen Sprayers, und ihr habt eure Ruhe." Denn in der Szene gibt es einen Ehrenkodex: demnach werden Werke von Kollegen nicht übersprüht.

(apd)
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