Interview "Für Radfahrer ist kein Platz"

Der verkehrspolitische Sprecher des ADFC, Rüdiger Heumann, redet über die Verkehrspolitik der Stadt, die Bevorzugung des Autos, die Radwegeplanung für den Kö-Bogen und die wachsende Bedeutung des Radverkehrs.

 Rüdiger Heumann fährt privat viel Rad.

Rüdiger Heumann fährt privat viel Rad.

Foto: RP, Thomas Bußkamp

Herr Heumann, Düsseldorf ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Städte. Spüren Radfahrer diese Freundlichkeit?

Heumann Als ich nach vier Jahren Aufenthalt in München wieder nach Düsseldorf kam, war ich überrascht: Es gab eine Reihe von roten Flecken auf den Straßen, die Radwege markierten, beispielsweise auf der Adlerstraße, auf der Lorettostraße oder der Talstraße.

Die Förderung des Radverkehrs in Düsseldorf macht also Fortschritte.

Heumann Im Grunde nicht. Es gibt zwar viele schöne Einzelprojekte, aber ein Gesamtkonzept ist kaum zu erkennen. Es wird alles das getan, was dem Autoverkehr nicht wehtut.

Wie ist der Stellenwert des Fahrrads in der Düsseldorfer Verkehrspolitik?

Heumann Das Fahrrad spielt eine untergeordnete Rolle bei der Verkehrspolitik. Das Auto steht im Fokus. Alles wird darauf abgestellt, dass der Autoverkehr rollt. Die Radfahrer werden oft auf die Bürgersteige abgeschoben. So geraten sie aus dem Blickfeld des Autofahrers und es kommt zu den typischen Abbiegeunfällen. Gleichzeitig gibt es Konflikte zwischen Radfahrern und Fußgängern. Die Botschaft, die die Stadt auf vielen Hauptstraßen sendet, lautet: Hier hat der nicht-motorisierte Mensch nichts zu suchen.

Wie sieht eine bessere Planung aus?

Heumann Der ADFC fordert Radfahrstreifen auf jeder Hauptverkehrsstraße. Denn das Fahrrad ist ein gleichberechtigtes Verkehrsmittel. Das wird an vielen Stellen in der Stadt nicht berücksichtigt. Ein treffendes Beispiel ist die Verteilung der Verkehrsfläche auf der Corneliusstraße. Es gibt bis zu sechs Fahrspuren für Autos, zwei Spuren für die Straßenbahn und je einen Parkstreifen. Für den Radfahrer ist kein Platz. Der Fußgänger bekommt rund zwei Meter gewährt.

Die Stadt setzt ein anderes Konzept dagegen und baut Nebenstraßen als Hauptfahrradrouten aus.

Heumann Dieses Konzept ist nicht im Sinne einer Verkehrspolitik der Gleichberechtigung und hat mehrere Nachteile. Die Nebenrouten muss der Radfahrer erst erlernen. Wie ein Autofahrer kennt er meist nur die Hauptstraßen und muss sich daher erst aneignen, wo Verbindungen bestehen. Ein weiterer Nachteil: Die Radrouten werden von der Stadt nicht konsequent freigehalten. Der OSD geht selten gegen geparkte Autos auf Radwegen vor. Und das Konzept signalisiert, dass der Radfahrer nur auf Nebenrouten sicher fährt. Aber der Radfahrer hat das Recht, auf allen Straßen zügig und sicher zu fahren.

Wie schätzen Sie die Radwegeplanung beim Kö-Bogen ein?

Heumann Beim Kö-Bogen sind die Verkehrsplaner auf halber Strecke stehen geblieben. Es gibt einen eigenständigen Radweg in Nord-Süd-Richtung, der als schnelle und komfortable Verbindung von Vorteil ist. Aber in Ost-West-Richtung zur Altstadt hin sollen die Radfahrer gemeinsam mit den Fußgängern den Weg an den Terrassen am Landskroneufer benutzen. Das kann nicht funktionieren. Jede Menge Konflikte zwischen Fußgängern und Radfahrern sind zu erwarten. Der ADFC schlägt deshalb vor, von der Schadowstraße auf den heutigen Straßenbahngleisen auf dem Jan-Wellem-Platz zwischen den bestehenden Häusern und den Libeskind-Bauten eine Radfahr-trasse zu bauen.

Legt die Stadt ganz allgemein Wert auf Ihre Vorschläge?

Heumann Der ADFC wird zwar gehört, bekommt die Planungsunterlagen für wichtige Projekte. Aber die Berücksichtigung der Vorschläge zeigt ein negatives Bild. Nur ein Vorschlag des ADFC wurde verwirklicht: Ein zusätzliches Schild wurde aufgestellt.

Wie ist das zu erklären?

Heumann Meine Vermutung: Die Vorschläge des ADFC kosten meistens mehr Geld, weil eine sichere Radwegeführung meist einen aufwändigeren Ausbau verlangt. Und unsere Vorschläge machen Arbeit. Denn die Verkehrsingenieure müssen ihre Entwürfe noch einmal überarbeiten und verändern.

Kritiker sagen, der ADFC sei eine einseitige Radfahrer-Lobby.

Heumann Der ADFC ist eine Lobby für die Mehrheit. Es gibt deutlich mehr Fahrrad- als Autobesitzer. Wir setzen uns zudem auch für die Fußgänger ein, weil wir Konflikte zwischen ihnen und Radfahrern vermeiden wollen. Die entstehen, wenn Radfahrer auf Bürgersteige abgedrängt werden. Wir plädieren für breite Gehwege für Fußgänger. Und jeder ist ein Fußgänger! Leider macht die Politik in Düsseldorf viel zu selten etwas für die Mehrheit, sondern oftmals nur etwas für die Autofahrer.

Wenn die Politik an den Interessen der Mehrheit vorbeigeht, müsste es doch Protest geben.

Heumann Es gibt harte Kritik an der Verkehrspolitik. Aber sie schlägt sich noch nicht bei Wahlen durch, an der Wahlurne halten sich die Bürger noch zurück.

Woran könnte das liegen?

Heumann Für die meisten ist das Fahrrad immer noch ein Gerät für die Gestaltung der Freizeit oder — in Erinnerung an die Kindheit — vielleicht nur ein Spielzeug. Es ist kaum im Bewusstsein, dass das Fahrrad ein alltagstaugliches Verkehrsmittel ist, das ideal ist zum Zurücklegen von Wegstrecken in der Stadt zum Einkaufen oder zum Arbeitsplatz.

Wie wollen Sie das Bewusstsein verändern?

Heumann Wir holen die Menschen bei ihren Erwartungen ab. Im Vordergrund steht der Spaß am Fahrradfahren. Deshalb laden wir zu Radtouren in der Freizeit ein. Oft merken die Leute dann, dass Radfahren auch im Alltag angenehm sein kann, und überlegen, das Rad nicht nur zu Freizeitzwecken zu nutzen. Dann wirbt der ADFC natürlich mit Info-Ständen in der Stadt zu besonderen Gelegenheiten, wir organisieren Sternfahrten, um auf die Vorteile des Radfahrens aufmerksam zu machen, und wir haben ein Fahrrad-Informationszentrum.

Wie wird sich der Radverkehr entwickeln?

Heumann Der Anteil des Radverkehrs wird steigen und langfristig dominierend sein. Wie schnell die Entwicklung verläuft, hängt unter anderem von der Höhe des Spritpreises ab. Steigt der schnell, steigen schneller mehr auf das preiswerte Rad um. Aber auch ohne Spritpreiserhöhung wird das Rad immer beliebter werden, weil es die Gesundheit fördert, weniger Platz braucht, weniger Lärm und Dreck macht. Die Fahrradinfrastruktur kommt die Kommunen auch schlichtweg billiger.

Welche Rolle spielen die Pedelecs, die Räder mit Elektromotor?

Heumann Sie werden immer beliebter. Älteren und behinderten Menschen ermöglichen sie mitunter, überhaupt noch radeln zu können. Der Mittelgebirgsraum wird gerade von ihnen touristisch erobert und Berufspendlern erlauben sie die Fahrtzeit zu verkürzen und den Radius zu erweitern. Sie tragen dazu bei, dass mehr Menschen radfahren und das Fahrradfahren alltäglich wird.

Michael Brockerhoff führte das Gespräch.

(RP)
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