Düsseldorf Für ein Jahr in ein griechisches Asylheim

Düsseldorf · Während andere Urlaub machen, fliegt Medienkaufmann Sven Weiss in Krisenregionen wie Palästina, den Libanon und Iran. Nun geht es nach Thessaloniki, dort will er zwölf Monate in einer Flüchtlingsunterkunft leben.

 Sven Weiss hat derzeit noch einen Bürojob im Digital-Marketing und opfert den Großteil seiner freien Zeit der Flüchtlingshilfe.

Sven Weiss hat derzeit noch einen Bürojob im Digital-Marketing und opfert den Großteil seiner freien Zeit der Flüchtlingshilfe.

Foto: Andreas Bretz

Vor ein paar Tagen ist Sven Weiss 30 Jahre alt geworden, hat sich von Freunden und Familie eine Riesen-Party schmeißen lassen. Gefeiert wurde aber nicht nur das neue Jahrzehnt, sondern auch ein Abschied. Am 14. April um 2.33 Uhr nachts fliegt Weiss nach Griechenland, um ein Jahr lang in einem Flüchtlingsheim zu wohnen, zu helfen und sich zu informieren. Erfahrungen in der Flüchtlingsarbeit sammelt er schon seit langer Zeit in Düsseldorf, doch Thessaloniki ist anders. Der Medienkaufmann spricht von seiner bisher größten Herausforderung.

Schon mit 17 Jahren war Weiss alleine in China, mit 19 mehrere Monate in Südamerika. Jordanien hat er schon gesehen, den Libanon, Palästina und den Iran, in Israel war er auch kurz an der syrischen Grenze. Warum? "Ich verwende viel meiner Freizeit für ehrenamtliches Engagement", sagt Weiss. Besuche in Krisenregionen nutzt er, um sich über den deutschen Horizont hinaus ein Bild davon zu machen, wie es Menschen auf der Flucht geht - und wo sie am nötigsten Hilfe brauchen. Bislang unterstützte er die Ehrenamtler des Vereins "Flüchtlinge Willkommen in Düsseldorf", er leitet eine Kleiderkammer und fungiert als Bewerbungs-Coach und Übersetzer. Weiss lernte Arabisch in der Volkshochschule, Griechisch kann er allerdings noch nicht. Das kommt mit der Übung, da ist er sich sicher. Dass der 30-Jährige ein Zwölf-Quadratmeter-Zimmer in einer Unterkunft für geflüchtete syrische Familien in Griechenland beziehen will, hat mit der Situation hierzulande zu tun: "Die Menschen hier haben mittlerweile Kleidung und Unterkunft", sagt Weiss. Dies bedeute nicht, dass sie keine Hilfe mehr benötigen, doch sei die Not in Griechenland größer. Auf Lesbos sterben die Menschen an Unterernährung, sagt Weiss. Als er zuletzt im Touristenort Thessaloniki war, seien in einem benachbarten Camp die Wasserleitungen gefroren: kein Waschwasser, kein Trinkwasser.

Es fehle in Griechenland nicht an Nahrung, Kleidung und medizinischer Versorgung, jedoch an Helfern, die diese verteilen und die Infrastruktur der Flüchtlingshilfe aufrechterhalten. "Wenn die Medien den Fokus von einem Schauplatz nehmen, verschlechtert sich sofort die Situation", sagt Weiss. Thessaloniki habe einmal viele Ehrenamtler gehabt, nun gebe es nur noch eine Handvoll, die helfen. Doch das Elend bleibt: "Die Unterkunft, in die ich ziehe, ist ein baufälliges Gebäude, in dem es nur das Nötigste gibt. In den Camps im Umkreis leben die Menschen in Zelten, es gibt dort keine Traglufthallen", erzählt Weiss. Wie er sprächen auch die Flüchtlinge kein Griechisch, bräuchten Hilfe bei der Übersetzung und beim Ausfüllen von Papieren. Weiss will dabei seine Fähigkeiten im Umgang mit Menschen nutzen, die er sich in seinem Beruf angeeignet hat.

"Die Menschen in den Camps haben vor allem eins: Zeit", sagt Weiss. Diese wolle er sinnvoll gestalten, indem er Computerkurse gibt, ein wenig Englisch unterrichtet oder mit den Flüchtlingen ihre Lebensläufe vervollständigt: "Viele wissen nicht, wann sie zur Schule gegangen oder wie alt sie sind", sagt Weiss. Im Gespräch lasse sich aber einiges aufklären. Ein Acht-Stunden-Job sei das nicht, auch nachts müsse man für die Menschen da sein, sie trösten, verstehen, helfen. Dabei das eigene Wohl nicht aus den Augen zu verlieren, ist für Weiss eine Aufgabe für sich: "Ich muss auch auf mich achten." Er habe sich fest vorgenommen, Sprache und Kultur des Landes kennenzulernen, wann immer er Zeit hat - und bei allem auch Freunde und Kollegen in Düsseldorf nicht aus den Augen zu verlieren.

(bur)
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