Düsseldorf Fünf Kinder – ein Stück vom Paradies
Düsseldorf · Winfrid und Simone Halder haben fünf Kinder. Ein Geschenk. Und eine Entscheidung gegen den Zeitgeist.
Im Haus an der Händelstraße geht es turbulent zu. Meret (7) hat Geburtstag. "Sieben Freundinnen kommen zu mir", sagt die Zweitklässlerin. Auf die Mädchen warten acht Nikoläuse. Gebastelt aus Äpfeln (Leib), Walnüssen (Kopf), Watte (Bart) und rotem Geschenkpapier (Bischofsmütze). "Die hat Oma Gertrud gemacht", sagt Meret und strahlt.
In der Küche steht Simone Halder-Maulhardt (48). Den Geburtstag ihrer Tochter managt sie eher beiläufig. Denn an Kinder ist die studierte Medizinerin gewöhnt. "Wir haben fünf Jungen und Mädchen", sagt die frühere Fachärztin für Anästhesie und strahlt mindestens genauso wie ihre Tochter kurz zuvor. Neben Ehemann Winfrid (50) und Meret vervollständigen Pius (12), Caspar (11), Quirin (9) und Nesthäkchen Ruth (4) die Familie.
Zu siebt. Eine Entscheidung gegen den Zeitgeist. "Haben Sie nicht Angst asozial zu werden?", wurde Simone Halder-Maulhardt einmal gefragt. Und selbst ihrer Hebamme rutschte vor Ruths Geburt ein eher vorwurfsvolles "Warum hast du überhaupt studiert?" heraus. Eine hintergründige Frage: Denn die 48-Jährige war erfolgreich, erfüllte sich ihren Traum und flog als Notfall-Ärztin in einem Rettungshubschrauber-Team. Doch seit sie mit ihrem Erstgeborenen schwanger war, hat sie keinen Tag mehr gearbeitet. "In der elften Woche bekam ich nach einem Einsatz eine Blutung. Mein einziger Gedanke war: Ich will nur dieses Kind. Kein Job dieser Erde kann das ersetzen."
Eine Haltung, die nach zwölfeinhalb Jahren Familienalltag unverändert weiter gilt. Mit viel Gottvertrauen leben die praktizierenden Katholiken eine Art Gegenmodell zu einer immer individuelleren, immer stärker fragmentierten Gesellschaft. Ganz selbstverständlich, ohne das Andersartige an ihrem Leben zu siebt wie eine Monstranz vor sich herzutragen. Sonntags trifft man die Wahl-Benrather in der Familienmesse. Trotzdem gab die Kirche bei der Entscheidung für eine Großfamilie nicht den Ausschlag. "Es war die Freude am Leben. An der Gnade und dem Geschenk, Kinder haben zu dürfen. Deswegen nenne ich meine Jungen und Mädchen manchmal auch ,Paradies-Stückchen'", sagt die fünffache Mutter.
Seit 2006 leitet Winfrid Halder, der promovierter Historiker und Politikwissenschaftler ist, an der Bismarckstraße die "Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus — deutsch-osteuropäisches Forum". Bis dahin kannte er als Assistent an der Uni nur Zeit- und Projektverträge. "Als ich meine erste unbefristete Stelle in Düsseldorf bekam, war ich 43 und hatte vier Kinder", sagt er. Manchmal hat ihn die unklare Perspektive belastet. Geholfen hat ihm der unerschütterliche Optimismus seiner Frau. Ihr Motto: "Wenn wir als Akademiker mit toller Ausbildung nicht irgendeinen Job finden, der uns ernährt: Wer sonst sollte ihn denn finden?"
Seit vier Jahren leben Halders an der Händelstraße. In einem Mehrfamilienhaus. Zur Miete. Sechs Zimmer auf zwei Etagen plus Küche und Bad. Insgesamt rund 150 Quadratmeter. Pius und Caspar schlafen in einem Zimmer, Quirin und Meret, auch. Zusätzlich gibt es Räume für Hausaufgaben und zum Musizieren. Pius spielt Geige und Kontrabass, Caspar und Quirin nutzen das Klavier im Wohnzimmer und Leseratte Meret hat Freude an der Querflöte. Ein TV-Gerät gibt es bei Halders nicht. "Schule, Hausaufgaben, Basteln, Musizieren, Sport, Freunde treffen und Familienzeit — das ist wichtiger als der Zeitfresser Fernsehen", findet Mutter Simone. Große Sprünge kann die Familie, die von einem Gehalt lebt, nicht machen. "Einmal im Jahr Urlaub an der Ostsee. Mehr ist nicht drin", sagt die Familien-Managerin. Überforderung spürt sie trotzdem selten — dank eines großen Improvisationstalents und der Hilfe ihres Mannes. "Wenn sie abends gemeinsam die Wäsche aufhängen und das toll finden, dann haben sie den richtigen Partner", bringt sie das Zusammenspiel auf den Punkt. Kritisch sieht das Ehepaar die vorherrschende Familienpolitik. Zwar werde in Sonntagsreden viel von Wahlfreiheit geredet, "in Wahrheit wird aber — auch von der CDU — deutlich mehr für das dem Zeitgeist entsprechende Doppel-Verdiener-Modell getan", meint der Familienvater. Seine Frau sagt es so: "Ich küsse meine Kinder lieber selbst, statt sie in Ganztageseinrichtungen küssen zu lassen."